
Buchbesprechung:
„Die Juden in China“
Von Olivier Roos
In den letzten Jahren haben
sich auch im deutschen Sprachraum verschiedene Arbeiten –
Bücher, Filme, Ausstellungen – dem Thema der jüdischen Gemeinden
in China gewidmet. Die Aufmerksamkeit galt dabei vor allem
der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Shanghai für zehntausende
Juden zum Zufluchtsort wurde. Die ersten Juden kamen aber
schon viel früher, nämlich im 8. Jh., nach China. Einigermaßen
bekannt ist in diesem Zusammenhang die Stadt Kaifeng (Provinz
Henan), deren jüdische Gemeinde von der Song-Dynastie (960–1279)
bis zum 19. Jh. Bestand hatte. Doch mit ihr löste sich
die einzige wirklich sesshafte jüdische Gemeinde in China
auf. Spätere Gemeinschaften hielten sich nur vorübergehend
im Land auf.
Der
Bildband „Die Juden in China“ gibt einen Überblick über
die jüdische Geschichte in China. Kapitelweise behandelt das
von Pan Guang, einem ausgewiesenen Fachmann für dieses Thema,
herausgegebene Buch die Juden in Kaifeng, die Hunderten jüdischen
Geschäftsleute aus Bagdad, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts
in Hong Kong und Shanghai niederließen (die sog. Sephardim),
die große Gemeinde der jüdischen Einwanderer aus dem
zaristischen Russland und der Sowjetunion (die sog. Aschkenasim)
und das Exil in Shanghai. Zwei weitere Kapitel befassen sich
mit der chinesisch-jüdischen Freundschaft und dem akademischen
Interesse am Thema.
Da
der Band in erster Linie eine fotografische Aufzeichnung des
Themas ist, liegt es in der Natur der Sache, dass er sich
auf das 20. Jh. konzentriert. Die Bilder vermitteln einen
Eindruck von den Lebensumständen der jüdischen Zuwanderer,
von den wohlhabenden Unternehmerfamilien – ein klingender
Name darunter ist Sassoon – bis zu den harten Bedingungen,
denen sich Flüchtlinge aus Nazi-Europa gegenübersahen. Sie
machen klar, dass die jüdische Gemeinde keineswegs eine einheitliche
Gruppe war. Ebenfalls ersichtlich ist, dass die Zugewanderten
relativ wenig Kontakt mit den Chinesen hatten – jedenfalls
bis zur Zeit, als viele Juden vor der Verfolgung in Europa
in Shanghai Zuflucht suchten. Aufnahmen aus dem „Ghetto“ im
Shanghaier Stadtteil Hongkou, die zahlreiche auf Deutsch und
in anderen Sprachen beschriftete Geschäfte zeigen, veranschaulichen,
was Israel Epstein im Vorwort schreibt: „Die meisten derer,
die als Flüchtlinge kamen, waren in ihren eigenen Augen bloß
Durchreisende, die ‚auf ihren Koffern saßen‘, wie ein
geflügeltes Wort in ihren Kreisen lautete.“
Alles
in allem liefert „Die Juden in China“ viel Anschauungsmaterial
in hervorragender Druckqualität. Die einleitenden Texte
in jedem Kapitel stellen die abgedruckten Fotografien in einen
größeren Rahmen. Bisweilen jedoch hat man den Eindruck,
dass die Bilder etwas beliebig ausgewählt wurden – weniger
wäre hier mehr gewesen. Wer zum Thema schon Vorkenntnisse
besitzt, wird das eine oder andere Gesicht zuordnen können.
Wer noch nichts gelesen hat, wird durch die Lektüre dieses
Bands vielleicht Lust auf mehr bekommen.
„Die
Juden in China“, China Intercontinental Press, 198 S,
Preis:
190 Yuan
Erhältlich
in den Fremdsprachenbuchläden