Januar 2004
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Buchbesprechung: „Die Juden in China“

Von Olivier Roos

 

In den letzten Jahren haben sich auch im deutschen Sprachraum verschiedene Arbeiten – Bücher, Filme, Ausstellungen – dem Thema der jüdischen Gemeinden in China gewidmet. Die Aufmerksamkeit galt dabei vor allem der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Shanghai für zehntausende Juden zum Zufluchtsort wurde. Die ersten Juden kamen aber schon viel früher, nämlich im 8. Jh., nach China. Einigermaßen bekannt ist in diesem Zusammenhang die Stadt Kaifeng (Provinz Henan), deren jüdische Gemeinde von der Song-Dynastie (960–1279) bis zum 19. Jh. Bestand hatte. Doch mit ihr löste sich die einzige wirklich sesshafte jüdische Gemeinde in China auf. Spätere Gemeinschaften hielten sich nur vorübergehend im Land auf.

Der Bildband „Die Juden in China“ gibt einen Überblick über die jüdische Geschichte in China. Kapitelweise behandelt das von Pan Guang, einem ausgewiesenen Fachmann für dieses Thema, herausgegebene Buch die Juden in Kaifeng, die Hunderten jüdischen Geschäftsleute aus Bagdad, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Hong Kong und Shanghai niederließen (die sog. Sephardim), die große Gemeinde der jüdischen Einwanderer aus dem zaristischen Russland und der Sowjetunion (die sog. Aschkenasim) und das Exil in Shanghai. Zwei weitere Kapitel befassen sich mit der chinesisch-jüdischen Freundschaft und dem akademischen Interesse am Thema.

Da der Band in erster Linie eine fotografische Aufzeichnung des Themas ist, liegt es in der Natur der Sache, dass er sich auf das 20. Jh. konzentriert. Die Bilder vermitteln einen Eindruck von den Lebensumständen der jüdischen Zuwanderer, von den wohlhabenden Unternehmerfamilien – ein klingender Name darunter ist Sassoon – bis zu den harten Bedingungen, denen sich Flüchtlinge aus Nazi-Europa gegenübersahen. Sie machen klar, dass die jüdische Gemeinde keineswegs eine einheitliche Gruppe war. Ebenfalls ersichtlich ist, dass die Zugewanderten relativ wenig Kontakt mit den Chinesen hatten – jedenfalls bis zur Zeit, als viele Juden vor der Verfolgung in Europa in Shanghai Zuflucht suchten. Aufnahmen aus dem „Ghetto“ im Shanghaier Stadtteil Hongkou, die zahlreiche auf Deutsch und in anderen Sprachen beschriftete Geschäfte zeigen, veranschaulichen, was Israel Epstein im Vorwort schreibt: „Die meisten derer, die als Flüchtlinge kamen, waren in ihren eigenen Augen bloß Durchreisende, die ‚auf ihren Koffern saßen‘, wie ein geflügeltes Wort in ihren Kreisen lautete.“

Alles in allem liefert „Die Juden in China“ viel Anschauungsmaterial in hervorragender Druckqualität. Die einleitenden Texte in jedem Kapitel stellen die abgedruckten Fotografien in einen größeren Rahmen. Bisweilen jedoch hat man den Eindruck, dass die Bilder etwas beliebig ausgewählt wurden – weniger wäre hier mehr gewesen. Wer zum Thema schon Vorkenntnisse besitzt, wird das eine oder andere Gesicht zuordnen können. Wer noch nichts gelesen hat, wird durch die Lektüre dieses Bands vielleicht Lust auf mehr bekommen.

„Die Juden in China“, China Intercontinental Press, 198 S,

Preis: 190 Yuan

Erhältlich in den Fremdsprachenbuchläden

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