Januar 2004
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Der Weihnachtsmann zu Gast

in China

Von Uschi Nagy

Mit der Öffnung Chinas in den 80er Jahren kamen mit den Fastfoodketten und Hollywoodstreifen auch die ausländischen Feste in Mode. Neben dem Valentinstag und Halloween ist Weihnachten der beliebteste ausländische Brauch in den Metropolen Chinas. Die chinesische Art und Weise zu feiern unterscheidet sich jedoch in einigem von der in Deutschland, wie die Schreibende in Ningbo feststellen konnte.

Mit „Frohe Weihnachten“ begrüßt ein Schild vor dem chinesischen Supermarkt A. Best auf Englisch und Chinesisch seit Ende November seine Kunden. Was genau gefeiert wird, wissen die wenigsten Chinesen – aber was dazu gehört, erfahren sie beim Einkauf. Ein festlich geschmückter Tannenbaum mit einem großen Plastik-Weihnachtsmann geben am Eingang erste Hinweise. Beim Betreten des Kaufhauses finden sie weitere Accessoires. Hunderte von Plüschnikoläusen, schillernd goldene und bunte Kugeln, Stiefel und Schleifen füllen neben Weihnachtskarten und künstlichen Tannenbäumen die Regale. Für die Weihnachtsparty liegen Federmasken, bunte Girlanden und Nikolauskostüme bereit. Alle Kassiererinnen tragen Nikolaushüte. „Wir haben unser Kaufhaus so geschmückt, um Weihnachtsstimmung zu verbreiten“, erklärt ein Verkäufer. Das Geschäft läuft gut. Neugierig inspizieren die Einkäufer die glitzernden Artikel. Der kleine Junge im Einkaufswagen greift fasziniert nach einer Schachtel mit silbernen Sternen. Seine Mutter lässt ihn gewähren, denn in den Augen vieler Chinesen ist die Weihnachtszeit vor allem für Kinder spannend. Ein Grund, um seinem Nachwuchs mit einem Plastiknikolaus oder einem geschmückten Tannenbaum eine Freude zu bereiten.

Die wenigsten Chinesen feiern Weihnachten am 24. Dezember. Das Spektakel rund um Weihnachten ist vielmehr eine willkommene Abwechslung, mit der sich einige die kalte Jahreszeit versüßen. Und das tut jeder auf seine eigene Art und Weise.

Jugendliche schicken zur Weihnachtszeit gerne ihren besten Freunden als Zeichen der Freundschaft eine originell verzierte Karte mit „Merry Christmas“ oder „Season’s Greetings“. Einige Studenten veranstalten an ihrer Universität am 24. Dezember eine Weihnachtsparty. Aber auch Erwachsene sind inzwischen auf den Geschmack gekommen. „Wir feiern Weihnachten dieses Jahr mit unseren Freunden aus Hong Kong. Natürlich haben wir auch einen Weihnachtsbaum“, berichtet stolz eine chinesische Familie. Für die 32-jährige Unternehmerin Jin Song ist es einfach nur ein guter Vorwand, um sich mit Freunden zu amüsieren. Einige chinesische Großfirmen nehmen Weihnachten zum Anlass, etwas zur Verbesserung des Betriebsklimas zu tun, und organisieren für ihre Mitarbeiter ein Fest mit Showeinlagen und Karaoke. Frisch verliebte Pärchen verbringen den 24. Dezember am liebsten zu zweit, gehen essen, bummeln durch die Stadt und werfen auch einen Blick in eine der Kirchen Ningbos. Diese sind Heiligabend hoffnungslos überfüllt. Neben einigen „Schaulustigen“ versammelt sich hier die Gemeinde, um die Geburt Christi zu feiern. Im Gegensatz zu den meisten Chinesen kennen sie die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Jedoch hat bei den Christen Chinas der Heilige Abend nichts mit Glitzerdekoration und Konsum zu tun. Im Vordergrund steht die Christmesse in der Kirche. Dort wird gebetet, gesungen und manchmal auch ein Krippenspiel aufgeführt. Am Ende der Messe bekommt jedes Gemeindemitglied ein kleines Geschenk, meist etwas Essbares. Einige Christen veranstalten außerdem bei sich zu Hause eine kleine Feier. Diese steht mit Beten und Gesang ganz im Zeichen christlicher Tradition.

In den Metropolen wie Shanghai und Beijing haben die großen Hotels und die unzähligen Restaurants das Weihnachtsfest längst kommerziell vermarktet. Sei es mit einer Verkleidungsparty oder einem festlichen Menü – an Weihnachten kommt hier jeder auf seine Kosten. Die großen Hotels überbieten sich an farbenfrohen Schmuck, auch Bars und Restaurants sind mit künstlichen Tannen und Girlanden ausgestattet. In Ningbo beschränkt sich die festliche Dekoration auf Einrichtungsgeschäfte und die ausländisch geführten Kaufhäuser und Fastfoodketten. Schließlich ist und bleibt Weihnachten ein ausländisches Fest, das nur von Christen und einigen Großstädtern gefeiert wird. Die meisten Chinesen warten mit dem Feiern ein paar Wochen, denn Ende Januar gibt es das so genannte Frühlingsfest. Dann reist jeder Chinese, dem es irgendwie möglich ist, Hunderte von Kilometern, um mit der Familie ein paar Tage das chinesische Neujahr zu feiern. Zu diesem Anlass werden die aufwendigsten Gerichte gekocht und Böller gezündet. Für die Kinder gibt es neue Kleidung, Spielzeug und Geld.

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