Der
Weihnachtsmann zu Gast
in China
Von Uschi Nagy
Mit
der Öffnung Chinas in den 80er Jahren kamen mit den Fastfoodketten
und Hollywoodstreifen auch die ausländischen Feste in
Mode. Neben dem Valentinstag und Halloween ist Weihnachten
der beliebteste ausländische Brauch in den Metropolen
Chinas. Die chinesische Art und Weise zu feiern unterscheidet
sich jedoch in einigem von der in Deutschland, wie die Schreibende
in Ningbo feststellen konnte.
Mit
„Frohe Weihnachten“ begrüßt ein Schild vor dem chinesischen
Supermarkt A. Best auf Englisch und Chinesisch seit Ende November
seine Kunden. Was genau gefeiert wird, wissen die wenigsten
Chinesen – aber was dazu gehört, erfahren sie beim Einkauf.
Ein festlich geschmückter Tannenbaum mit einem großen
Plastik-Weihnachtsmann geben am Eingang erste Hinweise. Beim
Betreten des Kaufhauses finden sie weitere Accessoires. Hunderte
von Plüschnikoläusen, schillernd goldene und bunte Kugeln,
Stiefel und Schleifen füllen neben Weihnachtskarten und künstlichen
Tannenbäumen die Regale. Für die Weihnachtsparty liegen
Federmasken, bunte Girlanden und Nikolauskostüme bereit. Alle
Kassiererinnen tragen Nikolaushüte. „Wir haben unser Kaufhaus
so geschmückt, um Weihnachtsstimmung zu verbreiten“, erklärt
ein Verkäufer. Das Geschäft läuft gut. Neugierig
inspizieren die Einkäufer die glitzernden Artikel. Der
kleine Junge im Einkaufswagen greift fasziniert nach einer
Schachtel mit silbernen Sternen. Seine Mutter lässt ihn
gewähren, denn in den Augen vieler Chinesen ist die Weihnachtszeit
vor allem für Kinder spannend. Ein Grund, um seinem Nachwuchs
mit einem Plastiknikolaus oder einem geschmückten Tannenbaum
eine Freude zu bereiten.
Die
wenigsten Chinesen feiern Weihnachten am 24. Dezember. Das
Spektakel rund um Weihnachten ist vielmehr eine willkommene
Abwechslung, mit der sich einige die kalte Jahreszeit versüßen.
Und das tut jeder auf seine eigene Art und Weise.
Jugendliche
schicken zur Weihnachtszeit gerne ihren besten Freunden als
Zeichen der Freundschaft eine originell verzierte Karte mit
„Merry Christmas“ oder „Season’s Greetings“. Einige Studenten
veranstalten an ihrer Universität am 24. Dezember eine
Weihnachtsparty. Aber auch Erwachsene sind inzwischen auf
den Geschmack gekommen. „Wir feiern Weihnachten dieses Jahr
mit unseren Freunden aus Hong Kong. Natürlich haben wir auch
einen Weihnachtsbaum“, berichtet stolz eine chinesische Familie.
Für die 32-jährige Unternehmerin Jin Song ist es einfach
nur ein guter Vorwand, um sich mit Freunden zu amüsieren.
Einige chinesische Großfirmen nehmen Weihnachten zum
Anlass, etwas zur Verbesserung des Betriebsklimas zu tun,
und organisieren für ihre Mitarbeiter ein Fest mit Showeinlagen
und Karaoke. Frisch verliebte Pärchen verbringen den
24. Dezember am liebsten zu zweit, gehen essen, bummeln durch
die Stadt und werfen auch einen Blick in eine der Kirchen
Ningbos. Diese sind Heiligabend hoffnungslos überfüllt. Neben
einigen „Schaulustigen“ versammelt sich hier die Gemeinde,
um die Geburt Christi zu feiern. Im Gegensatz zu den meisten
Chinesen kennen sie die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Jedoch
hat bei den Christen Chinas der Heilige Abend nichts mit Glitzerdekoration
und Konsum zu tun. Im Vordergrund steht die Christmesse in
der Kirche. Dort wird gebetet, gesungen und manchmal auch
ein Krippenspiel aufgeführt. Am Ende der Messe bekommt jedes
Gemeindemitglied ein kleines Geschenk, meist etwas Essbares.
Einige Christen veranstalten außerdem bei sich zu Hause
eine kleine Feier. Diese steht mit Beten und Gesang ganz im
Zeichen christlicher Tradition.
In
den Metropolen wie Shanghai und Beijing haben die großen
Hotels und die unzähligen Restaurants das Weihnachtsfest
längst kommerziell vermarktet. Sei es mit einer Verkleidungsparty
oder einem festlichen Menü – an Weihnachten kommt hier jeder
auf seine Kosten. Die großen Hotels überbieten sich
an farbenfrohen Schmuck, auch Bars und Restaurants sind mit
künstlichen Tannen und Girlanden ausgestattet. In Ningbo beschränkt
sich die festliche Dekoration auf Einrichtungsgeschäfte
und die ausländisch geführten Kaufhäuser und Fastfoodketten.
Schließlich ist und bleibt Weihnachten ein ausländisches
Fest, das nur von Christen und einigen Großstädtern
gefeiert wird. Die meisten Chinesen warten mit dem Feiern
ein paar Wochen, denn Ende Januar gibt es das so genannte
Frühlingsfest. Dann reist jeder Chinese, dem es irgendwie
möglich ist, Hunderte von Kilometern, um mit der Familie
ein paar Tage das chinesische Neujahr zu feiern. Zu diesem
Anlass werden die aufwendigsten Gerichte gekocht und Böller
gezündet. Für die Kinder gibt es neue Kleidung, Spielzeug
und Geld.