Januar 2004
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Neue Veränderungen im Königreich der Fahrräder

Von Zhang Hua und Lu Rucai

„Das Rennrad gefällt mir besser“, hört man in einem Geschäft in Beijing, wo sich einige junge Leute neue Fahrräder aussuchen. Sie gestikulierten mit den Händen. Zwar besitzen immer mehr Menschen Privatautos, und auch die Buslinien der Stadt führen in alle Richtungen, doch das Fahrrad tritt noch nicht von der Bühne ab. Im Gegenteil, das Rad ist für viele nicht nur ein wichtiges Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Sportgerät zum Fitnesstraining. Das Rad hat sich den veränderten chinesischen Verhältnissen angepasst, und es gibt heute verschiedene Typen mit verschiedenen Funktionen.

„Radfahren macht Freude!“

Frau Wangs täglicher Weg zur Arbeit sieht so aus: Sie verlässt das Wohnhaus, fährt mit dem Fahrrad zur U-Bahn-Station, nimmt das weniger als 10 kg schwere, zusammenklappbare Rad in die Hand und steigt in die U-Bahn ein. „Das ist viel gemütlicher als mit dem Bus oder mit dem Auto zu fahren. Außerdem spart es Zeit und trimmt den Körper. Sehen Sie, mein Fahrrad ist klein und fein geformt. Ich kann es in mein Büro bringen und muss keine Angst haben, dass es gestohlen wird.“

Es gibt immer mehr Chinesen, die wie Frau Wang das Rad als Fortbewegungsmittel benutzen. Im Vergleich zu einigen Jahren zuvor legen viel mehr Leute Wert auf seine Fitnesswirkung. „Tagsüber bleibe ich im Büro und habe überhaupt keine Zeit, mich körperlich zu betätigen. Ich will meine mangelnde Bewegung durch das Radfahren wettmachen“, sagt Herr Zhang, Mitarbeiter in einer Verwaltungsabteilung. Damit spricht er die heimliche Motivation für die meisten Radfahrer aus.

Die wahren Rad-Fans jedoch unterscheiden sich nochmals von Frau Wang und Herrn Zhang. Sie rasen mit ihren Rädern durch die Stadt in die freie Natur hinaus. Eine hohe Geschwindigkeit und die Verbindung mit der Natur sind ihr Ziel. Die meisten von ihnen sind Mitglieder in Fahrrad-Klubs oder Fahrrad-Vereinen, die in den letzten Jahren ins Leben gerufen wurden und sich dem Fitnesstraning oder wissenschaftlichen Untersuchungen widmen, und Gleichgesinnten eine Begegnungsmöglichkeit bieten. Das Rad schlägt Brücken zwischen ihnen. Xiao Zhang, Mitglied des Rad-Vereins an der Peking-Universität, sagte: „Vor meinem Studium hatte ich vom Rad-Verein an der Peking-Universität erfahren. Ich empfinde eine tiefe Sehnsucht für den Radsport. Ich mag es, in die frei Natur zu fahren. In den letzten Jahren sind unsere Mitglieder in fast alle Teile des ganzen Landes, von Hong Kong nach Tibet, gereist. Ich bin stolz darauf.“ Die Rad-Klubs veranstalten oft Ausflüge und Wettrennen, was auf Rad-Fans eine große Anziehungkraft ausübt. Mitglieder der Klubs gewannen Auszeichnungen bei inländischen und internationalen Wettkämpfen. Das zeigt, dass sich der volkstümliche Radsport dem professionellen Standard angenähert hat.

Radakrobaten

Radakrobatikshows sieht man an den Straßenecken oder in den Grünanlagen der Stadt. Die Darsteller sind meistens Mittelschüler. Sie hüpfen auf dem Hinterrad umher oder vor Ort auf und ab und vollführen gewagte Manöver, dass die Fußgänger stehen bleiben und sich die Darbietungen atemlos anschauen.

Für die Radakrobaten kann die Stimulation des Radsports nicht durch andere Sportarten ersetzt werden. Alle Radakrobaten sind der Meinung, dass Radsport den Willen stärkt. Ein Mittelschüler sagte: „Durch den Radsport habe ich gelernt, wie ich mich meinem Ziel nähere. Beispielsweise können die anderen von einer Treppe auf die andere springen. Ich kann es nicht. Das macht aber nichts. Ich werde so lange  üben, bis es klappt. Das ist die Anziehungskraft des Radsports für mich.“

Wang Wei, vielfacher Goldmedaillenträger im Mountain-Fahren, sagte: „Der Radsport ist zauberhaft. Früher war ich Eisschnellläufer und habe Fußball gespielt. Ich konnte mich für diese zwei Sportarten leider nicht ganz erwärmen. Nur in den Radsport bin ich ganz vernarrt.“ Heute ist der 22-jährige ein erfolgreicher Radrennfahrer. Seine Augen beginnen zu glühen, wenn er über seinen Lieblingssport spricht: „Vor sechs Jahren schloss ich die Oberstufe der Mittelschule ab, nahm aber nicht wie meine Klassenkameraden an der Hochschulaufnahmeprüfung teil. Das bereue ich nicht. Beim Training habe ich auch Rückschläge erlitten, aber nie überlegte ich, das aufzugeben. Ich habe den ersten Preis in vielen nationalen Wettbewerben gewonnen. Solche Leistungen hätte ich an einer Hochschule nie erzielen können.“

Luxusartikel der Mittelschüler

Bei den Mittelschülern- und schülerinnen ist es üblich, ein „Mountainbike“ im Wert von mehr als 1000 Yuan zu besitzen. Diejenigen, die sich ein Luxusrad nicht leisten können, kleben die bekannten Markenzeichen der Rad-Ersatzteile wie „Campagnolo“, „Tektro“ und „Continental“ auf das Rad. Angesichts dieser Situation untersagte die Mittelschule Nr. 15 in der Stadt Taiyuan den Schülern und Schülerinnen den Besitz von Rädern im Wert von mehr als 300 Yuan. Ein Schüler der ersten Klasse an der Beijinger Mittelschule Nr. 22 sagte: „Ich beneide meine Klassenkameraden um ihr Luxusrad. Anfangs waren meine Eltern nicht damit einverstanden, mir ein solches Rad zu kaufen. Ich lag ihnen in den Ohren, und sie konnten schließlich nicht anders, als meine Bitte zu erfüllen. Als Gegenzug muss ich fleißig studieren.“

Nicht alle betrachten die Verschwendungsucht der Mittelschüler- und schülerinnen als eine schlechte Sache. Ganz im Gegenteil freuen sich die Radhersteller und –händler darüber, weil das Rad eine Kultur reich an Wissenschaft, Technik und Mode ist, die sich durch Fans verbreiten soll.

Diebstahl und Schutz vor Dieben

Nicht nur die Fans, sondern auch die Diebe verfolgen die Räder mit wachsender Faszination.

Hou Tao, Mitarbeiter der Beixinqiao-Filiale von Giant, ist ein Rad-Fan. Was den Schutz vor Diebstahl betrifft, sagt er: „Die Diebe haben mir mehr als zehn Räder im Wert von 30 000 bis 40 000 Yuan gestohlen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als das Rad immer mitzunehmen.“ Früher war er Reiseführer. Unterwegs während der Arbeit legte er sein Rad in die Gepäckkiste des Reisebusses und in der Nacht neben sein Bett. Ging er in die Toilette, brachte er auch das Rad mit. Kurz gesagt, das Rad war jederzeit in seinem Blickfeld.

Herr Zheng, Leiter der Polizeiwache Zhanlanlu des Bezirks Xicheng in Beijing, sagte: „Sowohl die modernen Mountainbikes als auch die einfachen Räder werden nicht von Diebstahl verschont. Deshalb kauft man lieber ein Second-Hand-Rad, was zu einen guten Absatz von Gebrauchträdern führt. Das fördert den Diebstahl und bildet einen Teufelkreis. Vor einigen Jahren gingen die Diebe so weit, mit einem Lastkraftwagen in die Stadt zu fahren und ihn mit den Rädern an den Straßenrändern zu beladen. Die Schlösser brauchen sie überhaupt nicht aufzubrechen. Ein Giant-Rad im Wert von über 500 Yuan kostet auf dem Schwarzmarkt 100 bis 200 Yuan. Das Rad der Marke Tianjin kostet nur 30 bis 50 Yuan.

Um die Räder vor Diebstahl zu schützen, hat die Giant-Firma kürzlich ein neues Schloss entwickelt. Das Schloss liegt in der Mitte der Lenkstange. Ist das Rad verschlossen, verwandelt sich der vordere Teil des Rads von einem rechten Winkel zu einem Winkel von 45 Grad. Ohne Schlüssel kann man diesen Winkel nicht verändern.

Weitere Informationen über Räder

Zur Zeit erreicht die Zahl der Räder Chinas 500 Mio. Die jährliche Produktionsmenge beträgt 50 Mio., 60% davon werden exportiert. In Beijing, wo der öffentliche Verkehr gut ausgebaut und der Anteil an Privatautos hoch ist, verfügen 10 Mio. Einwohner noch über 10 Mio. Räder.

Fast jede chinesische Familie wurde durch Rad-Diebstahl in Mitleidenschaft gezogen. Allein in der Stadt Guangzhou betrugen die Verluste in den vergangenen drei Jahren eine Milliarde Yuan. 80% der Familien erlitten im Durchschnitt einen Verlust von 3,76 Rädern. Die Lage in den kleinen und mittelgroßen Städten ist auch nicht besser. In Wuhu, einer kleinen Stadt in der Provinz Anhui, wurden über 100 000 Räder gestohlen.       

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