Das
Purpursand-Teeservice
von Yixing
Von Mei Jianying
Seit
mehr als zweitausend Jahren, nämlich seit der Han-Dynastie
(206 v. u. Z.-220 u. Z.), schlürfen Chinesen Tee. Und jede
folgende Dynastie vervollkommnete die Zubereitung des Tees
und die Herstellung von Teegeschirr. Der wahrscheinlich größte
Fortschritt erfolgte in der Ming-Dynastie (1368-1644). Damals
wurden die Teetrinker angeregt, Tee in der Teekanne direkt
mit kochendem Wasser zu übergießen, statt Teeblätter
zu kochen oder andere früher beliebte Methoden anzuwenden.
Im Gefolge dieser Verbesserung der Zubereitungsmethode wurde
eine bestimmte Art von Teeservice populär, weil – so
glaubten Fachleute – sie den besten Teeaufguss ergab. Diese
Art von Teeservice, die während der mittleren Periode
der Ming-Dynastie berühmt wurde und heute noch sehr beliebt
ist, wurde als Yixing-Purpursand-Teeservice bekannt.
Der eine Teil seines Namens
kommt von Yixing, einem Kreis in der Provinz Jiangsu, wo diese
Art von Teeservice hergestellt wird, und der andere von der
ausgezeichneten Tonfarbe, die – obwohl es dort in Wirklichkeit
drei hauptsächliche Arten von Ton – rot, grün und purpur
– gibt, Purpursand genannt wird. Dieses besondere Material
ist äußerst dehnbar und schrumpft beim Brennen
kaum ein. Es ist besonders für die Produktion von Gegenständen
geeignet, die sich nicht verformen sollen. Da die Tongegenstände
nach dem Brennen äußerst winzige Löcher bekommen,
sind sie luftdurchlässig, aber doch wasserdicht. Deshalb
ist dieses Material ideal zum Teeaufgießen. Das Getränk
verdampft zwar, aber verliert nicht seinen Geschmack. Wird
der Tee in einer Kanne aus diesem Ton aufbewahrt, ändert
er nicht seine Farbe und verdirbt auch nicht. Je länger
man sie benutzt, desto glänzender und glatter wird ihre
Oberfläche. Außerdem nimmt die Kanne das Aroma
des Tees an. Wenn man kochendes Wasser in die Kanne gießt,
steigt herrlicher Teeduft empor.
Diese Eigenschaft wird nicht
nur von gewöhnlichen Teetrinkern gelobt, sondern auch
von Dichtern beschrieben. Die erste Aufzeichnung über den
Purpursand ist in einem Gedicht von Mei Yaochen (1002-1060)
zu lesen:
„Der frühzeitige Duft ist
im klaren Wasser des kleinen Gefäßes geblieben,
Die Purpursand-Kanne ist durchpulst
vom Aroma aufblühender Frühlingsblumen.“
Als der große Dichter
Su Shi (Su Dongpo, 1037-1101) später im Exil in Yixing
lebte, bevorzugte er, so hieß es, eine Kanne mit einem
schlaufenförmigen Henkel, der über dem Deckel befestigt
war. Zum Andenken an ihn wurden Teekannen dieser Art „Dongpo-Kannen“
genannt – eine Bezeichnung, die bis heute in Gebrauch geblieben
ist.
Großer
Formenreichtum
Yixing-Teeservice wird in den
verschiedensten Formen und Größen hergestellt.
Purpursand-Handwerker verfertigen natürlichen Gegenständen
oder alten Figuren aus Bronze oder Jade nachgebildete Teekrüge,
Blumentöpfe, Vasen und andere Artikel. Sie lassen sich
in drei Gruppen teilen:
Erstens. Modifikationen natürlicher
Formen: Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt werden übernommen
und deren Formen mit neuen Funktionen verbunden. Zum Beispiel
gibt es Bambusförmige, persimonenförmige, lotussamenförmige,
sonnenblumenförmige... Kannen.
Zweitens. Geometrische Figuren:
Quadrate, Kreise, Säulen und doppelte Rhomben regen die
Designer bei dieser Art Teeservice an.
Drittens. Antike Formen: Dieses
Teeservice ist antiken Gegenständen aus Bronze und Jade
und den Formen von Ziegeln aus der Qin- (221–206 v. u. Z.)
und der Han-Dynastie nachgebildet. Von diesen klassischen
Formen geht ungekünstelte Schönheit und eine antike Ausstrahlung
aus.
Bei der Verzierung wird die
Qualität des Tons und seine Farbe voll zur Geltung gebracht.
Der Entwurf wird sorgfältig erwogen. Qualität und
Schlichtheit sind die bestimmenden Elemente dieses einzigartigen
Stils. Wenn man eine Teekanne in Form eines Bambusabschnittes
gestaltet, so nehmen der Schnabel und Henkel die Form von
Bambuswurzeln und der Deckel die Form eines gekrümmten Bambuszweiges
an. In die Oberfläche der Teekanne werden Bambusblätter
geschnitzt. Auf diese Weise werden Form und Dekorationsstil
zu einer Einheit verbunden. Schnitzerei, Kalligraphie und
Malerei wird auch zur Verzierung von Teekannen verwendet.
Man schnitzt mit einem Messer ein Gedicht oder ein Bild in
die halbtrockenen Gegenstände und trägt nachher
Farben auf. Die so entstandenen Verzierungen sind von einem
stark traditionellen Kolorit geprägt.
Handwerker, Maler und Dichter
Aus der langen Geschichte der
Herstellung von Yixing-Purpursand-Teeservice sind manche virtuose
Meister mit Namen überliefert. Die Töpfer Gong Chun aus
der Ming-Zeit benutzte seine Finger als Werkzeuge – nach dem
Brennen der Teekannen blieben die Abdrücke seiner Fingerspitzen
sichtbar. Seine Werke wurden „Baumknorren“-Kannen und später
„Frühlingskannen“ genannt. Sie wirken wie alte Bronzen von
antiker Eleganz. Seine Werke, von denen heute nur ein kleiner
Teil erhalten ist, sind hoch geschätzt.
Während der späteren
Periode der Ming-Dynastie traten „vier große Meister“
hervor: Dong Han, Zhao Liang, Yuan Chang und Shi Peng. Auf
sie folgten die berühmten „drei großen Handwerker“ Shi
Dabin, Li Zhongfang (senior) und Xu Youquan (senior). Während
der Qing-Dynastie (1644–1911) führte der berühmte Handwerker
Chen Mingyuan die bildhauerische Gestaltung von Teekannen
ein. Zur Regierungszeit des Kaisers Jiaqing (1796-1820) formten
Yang Pengnian und seine Schwester Yang Fengnian vorzügliche
und feine Kannen. Sie benutzten keine Gussformen, sondern
folgten einfach ihrer Inspiration, die ihren Werken eine darstellerische
Natürlichkeit verlieh. Literaten und andere Gelehrte sowie
Maler kooperierten beim Entwerfen von Teeservice. Als Yang
Pengnian Teekannen herstellte, begab sich ein Mann namens
Chen Mansheng, ein Dichter, Gelehrter und Maler, der damals
Kreisvorsteher war, nach Yixing, um mit Yang zusammenzuarbeiten.
Ihre Teekannen, deren Unterseite die Inschrift „Ah-Man-Teeatelier“
trugen, wurden „Mansheng-Kannen“ genannt. Ende der Qing-Dynastie
kamen bekannte Maler, darunter Dong Qichang, Zheng Banqiao,
Wu Dazheng, Wu Changshuo und Ren Bonian, nach Yixing, schnitzten
Gedichte in Kannen ein und malten Bilder darauf. So wurden
die Dichtkunst und die Malerei mit der natürlichen Farbe und
dem Aroma des Tees verschmolzen.
Ein Gedicht, das von Zheng Banqiao
geschrieben und eigenhändig in eine Teekanne eingraviert
wurde, vermenschlichte die Kanne mit der folgenden satirischen
Metapher:
Ihr Mund ist spitz, ihr Magen
groß und ihre Ohren nach oben geschlagen.
Frei von Hunger und Kälte,
schon ist sie zufrieden.
Nichts Großes kann sie
enthalten.
Einige Tropfen Wasser verursachen
Wogen.
Weltberühmt
Ende
der Ming-Dynastie waren Purpursand-Tonwaren nicht nur in ganz
China bekannt, sondern wurden auch nach Japan, den Philippinen,
Thailand, dem Nahen Osten und sogar nach Europa und Amerika
exportiert. Dort wurden sie „Rot-Ton-Töpferwaren“ genannt.
1878, zur Regierungszeit des Kaisers Guangxu, wurden die erfahrenen
Handwerker Wu Agen und Jin Shiheng eingeladen, die japanische
Stadt Tokoname zu besuchen und die Herstellung von Purpursan-Tonwaren
zu lehren. Die bekannt gewordene japanische Töpferei,
die nach dem Muster der Purpursan-Keramik entwickelt wurde,
wird nach wie vor an der Stelle, wo sich die Tokoname-Brennöfen
befanden, betrieben und erinnert uns an einen leuchtenden
Moment in der Geschichte der chinesisch-japanischen Freundschaft
und des kulturellen Austausches.
Nach der Gründung der VR China
1949 erholte sich die bereits im Niedergang befindliche Purpursan-Töpferei
schnell. Von alten Meistern werden viele Nachwuchskräfte
ausgebildet. Zu den bekanntesten zählen Zhu Kexin, Gu
Jingzhou, Ren Canting, Pei Shimin, Wang Yingchun, Wu Yungen,
Shen Xiaolu, Jiang Rong und Pan Chunfang. Ihre Werke wurden
auf Aufstellungen im In- und Ausland bewundert. In ihren Keramiken
lebt die künstlerische Tradition der alten Meister fort.
Aus
„China im Aufbau“, Nr. 6, 1982