Chinas
Nationales Kunstmuseum wird auf Vordermann gebracht
Von Zhang Xueying
Beijing
wird immer internationaler – diesem Umstand sollte seine wichtigste
Kunstinstitution, das Nationale Kunstmuseum, Rechnung tragen.
Es sollte zu einem Haus von Weltrang werden, einem chinesischen
Louvre oder Metropolitan Museum. Nach einer einjährigen
Schließung für Renovationsarbeiten öffnete Chinas
Nationales Kunstmuseum genau zum 40. Jahrestag seiner Gründung
die Tore wieder.
Fundament
der Kunst
Chinas
Nationales Kunstmuseum stand immer im Zentrum der modernen
chinesischen und der zeitgenössischen Kunst. Seine Sammlung
umfasst 60 000 Werke, darunter Meisterwerke wichtiger Künstler
und repräsentative Werke aus der Volkskunst. Als größte
staatliche Kunstgalerie führt es wichtige Ausstellungen und
Veranstaltungen durch. So zeigte es 1988 die erste Akt-Ausstellung
in China – ein skandalöses Ereignis, an das sich Liu
Xilin, der Direktor der Wissenschaftlichen Abteilung des Museums,
noch lebhaft erinnert: „Die Besucher strömten in Scharen
herbei. Vor dem Eingang bildete sich eine endlose Schlange,
und wir mussten die Ausstellung verlängern, um dem Interesse
nachzukommen.“ Andere Ausstellungen, wie diejenigen über Henry
Moore, Salvador Dali und Skulpturen von Rodin oder ein Rückblick
auf 100 Jahre Ölmalerei in China, lenkten die Aufmerksamkeit
im Land auf zeitgenössische Kunst. Das Museum konnte
Erfolge in Serie vermelden.
Überholt
und verbittert
Ab
Anfang der 90er Jahre jedoch machte das Museum nur geringe
Fortschritte. In den letzten fünf Jahren betraten, abgesehen
von beruflich Kunstinteressierten, nur wenige Besucher die
Museumsräume, um ihren Kunstgeschmack zu verfeinern.
In jene Zeit fällt der Aufstieg der Kunstmuseen in Shanghai
und Guangzhou, die mit kleineren Galerien dem Nationalen Kunstmuseum
Konkurrenz machten. Die meisten dieser Neulinge folgen einem
westlichen Modell, das auf Flexibilität, Individualität
und architektonische Innovation setzt.
„Das
größte Problem ist der Geldmangel“, hält Qian
Linxiang, der Vizekurator des Museums, knapp fest. Die acht
Millionen Yuan an öffentlichen Mitteln, die dem Haus
jedes Jahr zur Verfügung stehen, reichen bei Weitem nicht
aus. Vor der umfangreichen Renovation, die 160 Mio. Yuan verschlang,
erreichten die Jahreseinnahmen des Nationalen Kunstmuseums
10 Mio. Yuan. Dies deckte knapp die Unterhaltskosten. Da ihm
die Mittel fehlten, um Sammlungen anzukaufen, war das Haus
in hohem Maße von privaten Schenkungen und von der Übernahme
von Wechselausstellungen abhängig. Unter der Planwirtschaft
waren dies günstige Wege, um neue Werke zu erwerben, denn
die Materialkosten für Ausstellungen beliefen sich lediglich
auf einige hundert Yuan. Mit dem Einzug der Marktwirtschaft
hat sich diese Praxis jedoch überholt.
Um
die Einkünfte zu steigern, vermietete das Museum seine Ausstellungsräume,
sah sich jedoch bald Gerüchten gegenüber, die Ausstellungsinhalte
ungenügend zu kontrollieren, so dass nur wenige Werkschauen
zustande kamen. „In jenen Tagen standen wir unter großem
Druck“, sagt Qian. „Das Museum war eine öffentliche Dienstleistung,
doch der Eintrittspreis von 4 Yuan war einfach zu wenig, um
einen angemessenen Teil des Budgets zu decken.“ Geldmangel
wirkt sich direkt auf die Qualität einer Sammlung aus.
An Yuanyuan von der Kunstabteilung im Kulturministerium bemerkt
dazu: „Es ist mittlerweile ein internationales Problem, die
Mittel für den Ankauf teurer Werke aufbringen zu können.“
„Wer
aber das Nationale Kunstmuseum kritisiert, sollte einiges
bedenken“, fährt An fort. „Chinas Kunstmarkt ist noch
nicht reif, und die Beteiligten sind mit der internationalen
Kunstwelt noch nicht vertraut. Bis heute fehlen in unserem
Land Bestimmungen zu Schenkungen, wie sie in anderen Ländern
üblich sind. Dort erhält Steuernachlass, wer eine Schenkung
tätigt, und dies kommt den Museen sehr zugute. In China
gibt es zwar noch keine Erbschaftssteuer, doch im Ausland
ist sie meistens so hoch, dass es sich für die Sammler lohnt,
ihre Werke öffentlichen Einrichtungen zu überlassen,
anstatt sie ihren Erben weiterzugeben.“
Der
Wettbewerb in der Kunstwelt hat allen vor Augen geführt, dass
die alten Regeln und Bestimmungen aus der Zeit der Planwirtschaft
abgeschafft gehören und durch fortschrittliche Managementmethoden
ersetzt werden müssen. Erst dann werden die Museen die wachsenden
kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigen können.
Neue
Ausrichtung
Im
renovierten Museum gibt es 21 Ausstellungsräume, ein
Drittel mehr als bisher, und im vierten Stock wurde ein 240
m2 großer Versammlungsraum für akademische
Vorträge erweitert. Man findet offene Schauvitrinen,
und es gibt Verpackungs- und Lagerräume, die durch unterirdische
Gänge mit dem Hauptsaal verbunden sind. Diese Verbesserungen
haben die Sicherheits- und Transportprobleme rund um die Ausstellungen
gelöst. Das Haus ist heute mit modernen Feuer- und Diebstahlalarmsystemen
ausgestattet und bietet spezielle Rampen, Toiletten und Fahrstühle
für Behinderte.
Ebenfalls
verändert hat sich die Art, die Kunstwerke zu präsentieren.
Anstatt sie wie bis anhin einfach aufzuhängen, beauftragt
das Kunstmuseum Fachleute vom Palastmuseum und dem Chinesischen
Landesmuseum damit, jede Schau eigens einzurichten. Die Ausstellungen
werden von Komitees kuratiert, die namhafte chinesische Kunsthistoriker
und -kritiker für die Auswahl der Werke zu Rate ziehen. Yang
Lizhou, der Museumsdirektor, streicht heraus, es sei das erklärte
Ziel des Hauses, zu einem der prominentesten Kunstmuseen der
Welt zu werden. In den letzten Jahren konnte es seinen Bestand
um über 100 berühmte ausländische Werke verschiedener
Stilrichtungen erweitern.
Über
die nächsten fünf Jahre kann das Museum mit einem jährlichen
Zuschuss von 50 Mio. Yuan aus den Kassen des Finanzministeriums
rechnen, um seine Sammlung weiter auszubauen. Es bereitet
sich aber bereits auf eine zweite Umbauphase vor, welche die
Ausstellungsfläche bis 2007 um 40 000 m2 vergößern
wird. Die eingeschlagene Richtung stimmt, ist An überzeugt:
„Es wäre unrealistisch, unser Museum mit seiner Geschichte
von bloß 40 Jahren mit europäischen Häusern
zu vergleichen, die schon seit Jahrhunderten bestehen. Doch
es hat schon große Fortschritte gemacht.“