Die
erste künstliche Luftröhre
Von Zhang Xiwen


Drei Monate nach der gelungenen Operation kann Mi Aiyun mit Hilfe einer
künstlichen Luftröhre wieder richtig atmen. Nicht nur das.
Sie kann auch bedenkenlos drei bis vier Stunden schwere Feldarbeit
verrichten. Obwohl sie sich beim Spucken noch ein bisschen unwohl
fühlt, wenn sie erkältet ist, ist sie heute im Großen
und Ganzen gesund. Ihre Genesung stellt ein glänzendes
Kapitel in der Geschichte der modernen chinesischen Medizin
dar. Am 26. Juli verkündete der Schöpfer dieser künstlichen
Luftröhre, Zhao Fengrui, dass sie die erste Prothese der
Welt sei, die vollständig mit den Atemwegen integrierbar
ist – eine frohe Botschaft für Patienten, deren Luftröhre
entfernt werden muss.
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Mi Aiyun, 48, eine zierliche Bäuerin aus Henan, war eigentlich sehr
gesund und hätte im Traum nie gedacht, dass an ihrer Luftröhre
ein bösartiger Tumor diagnostiziert werden könnte.
Doch obwohl der untersuchende Arzt festgestellt hatte, dass
sich der Tumor ausbreiten würde, wenn man ihn nicht rechtzeitig
beseitigte, ließ er die erkrankte Stelle nicht operativ
entfernen. Stattdessen griff der Arzt auf eine sog. konservative
Therapie durch Laserstrahlen zurück. Vier Jahre später
erschien der Tumor wieder und wurde immer größer.
Während zweier Jahre reiste Mi Aiyun von Stadt zu Stadt
und suchte Ärzte in renommierten Krankenhäusern auf.
Aber keiner wollte sich ihrer annehmen. Als sie endlich über
viele Umwege Prof. Zhao erreichte, war ihre Luftröhre bereits
zu 80% vom Tumor bewachsen. Ihr Atemgeräusch war so laut,
dass man hätte meinen können, es sei durch einen Lautsprecher
verstärkt. Und die Atmungsfrequenz war hoch, selbst nach
einer kleinen Bewegung atmete sie schwer und kriegte wegen Sauerstoffmangels
blaue Lippen. All diese Symptome sind nun verschwunden. Mi Aiyun
lebt heute wieder wie ein normaler Mensch.
Prof. Zhao Fengrui hat seine Erfindung „Zhaos künstliche Luftröhre“
benannt und beschreibt sie als „Sandwich“: Die äußere
Schicht ist Muskelgewebe, darunter ist eine Legierung, die den
Knorpel ersetzt, und nur die Innenseite der künstlichen Luftröhre
unterscheidet sich wesentlich von der natürlichen, indem sie
aus Haut anstatt aus Schleimhaut besteht. Er sagt, dass die
Struktur dieser Luftröhre der natürlichen Luftröhre
am ehesten ähnelt und sich daher am besten mit ihr verträgt.
Viele Fachkollegen gratulierten ihm zu diesem Erfolg, nachdem sie davon
erfahren hatten. Viele namhafte Chirurgen wiesen darauf hin,
dass Zhao Fengrui ein wichtiges Problem der modernen Medizin
gelöst habe. So meinte der berühmte amerikanische Chirurg
J. D. Cooper, dass Zhaos Erfindung „wirklich eine kluge Lösung
ist“. Auch die chinesischen Medien schenkten der Erfindung große
Aufmerksamkeit. Das chinesische Zentralfernsehen CCTV strahlte
einen Beitrag über seine Erfindung aus.
In der Tat war das Aufsehen, das Zhaos künstliche Luftröhre auslöste,
durchaus gerechtfertigt. Zwar war Chirurgen die Verpflanzung
von Niere, Leber, Milz, Dünndarm und sogar Herz gelungen und
auch künstliche Organe wurden als Ersatz verwendet, doch die
Transplantation einer Luftröhre bildete weiterhin ein ernstes
Problem für Chirurgen auf der ganzen Welt. Die Medizin suchte
bereits seit 60 Jahren nach einer Lösung für dieses Problem.
Eine Operation zur Entfernung der Luftröhre war seit jeher ein heikles
Unternehmen für Chirurgen, vor dem selbst Koryphäen zurückschreckten.
Denn die Luftröhre ist wie ein Rohr aus Schlangenhaut und
lässt sich, gleichgültig, welche Methode man anwendet,
nur schwer zusammennähen, wenn ein Stück entfernt ist.
Wird ein fünf bis sechs Zentimeter langes Stück herausgeschnitten,
dann ist es außerordentlich schwer, die verbleibenden
Teile der Luftröhre zu verbinden. Eine Naht an der Luftröhre
löst sich leicht. Um dies zu verhindern, wird dem Patienten
bzw. der Patientin nach der Entfernung eines Stücks der Luftröhre
das Kinn an das Brustbein befestigt und der Kopf mit Hilfe von
Gips fixiert. In einem früheren Fall musste sich ein Patient
einen ganzen, leidvollen Monat gedulden, bis er endlich den
Kopf wieder heben durfte. Doch nur wenige Tage später löste
sich die Naht an der Luftröhre unerwartet, als der Bus,
in dem er fuhr, plötzlich heftig bremsen musste. Wenn die
Luftröhre nicht mehr zusammengenäht werden kann, dann
bleibt nur die Intubation, also das Anbringen eines künstlichen
Atemlochs, aber damit führt der Patient ein leidvolles Leben.
Die meisten Ärzte weigern sich, eine Operation durchzuführen,
wenn der zu entfernende Teil der Luftröhre nach ihrer Abschätzung
länger als fünf Zentimeter ist. Stattdessen raten sie den
Patienten zu einer konservativen Therapie. Nachdem bei Mi Aiyun
der Tumor entfernt worden war, maß die Wunde sechs Zentimeter.
Während vielen Jahren suchten
Ärzte nach einem Ersatz für die Luftröhre. Manche
Ärzte experimentierten mit gespendeten Luftröhren
von Verstorbenen, ohne Erfolg. Andere Forscher experimentierten
mit künstlichen Luftröhren, doch hier blieb ein Durchbruch
ebenfalls aus. Denn drei Probleme konnten nicht gelöst
werden: Die Blutversorgung, die Auskleidung der Innenseite
mit körpereigenem Gewebe und die Verbindung mit der bestehenden
Luftröhre.
Als Mi Aiyun Prof. Zhao Fengrui aufsuchte, arbeitete er noch im Krankenhaus
der chinesisch-japanischen Freundschaft. Er beschloss, an ihr
eine wirkungsvolle Methode anzuwenden, mit der er bereits zwei
Jahre lang experimentiert hatte. Zuerst pflanzte er unter die
Haut an ihrem Halsansatz ein Stück Metallnetz aus einer sogenannten
Formgedächtnislegierung ein. Die Legierung aus Nickel und
Titan wurde zuvor hauptsächlich in der Raumfahrt und für
Flugzeuge verwendet. Seit einigen Jahren findet sie jedoch auch
im biologischen und medizinischen Bereich breite Verwendung.
Ihre größte Stärke besteht in ihrem „Formgedächtnis“.
Wenn sie gebogen wird, springt sie in ihre Form zurück. Außerdem
hat sie eine größere Elastizität als andere
Metalle. Zur Luftröhre verarbeitet, erlaubt sie dem Patienten,
sich frei zu bewegen. Künstlichen Luftröhren aus anderen
Stoffen fehlt diese Eigenschaft.
An das Metallnetz klammern sich Muskeln und Gefäße und überwachsen
es, so dass schließlich eine „Sandwich“-Struktur ensteht.
Durch vielfache Experimente stellte Zhao Fengrui fest, dass
die richtige Maschengröße entscheidend ist: Sind
die Maschen zu weit, ist das Netz nicht stabil genug; sind sie
zu eng, wachsen darauf keine Muskeln und Gefäße.
Zhao Fengrui ließ das Netz bei einer Firma in Beijing
herstellen, doch die Prototypen waren grob und rau, zudem verlangte
die Firma von Zhao Fengrui eine Abnahmegarantie. Wegen des schmalen
Forschungsbudgets musste er sein Augenmerk auf eine Firma in
Shanghai richten. Sie erst hatte den richtigen Geschäftssinn
und die notwendige Technik, um die Produkte zufriedenstellend
zu produzieren.
Die Implantierung einer künstlichen
Luftröhre, die so nahe wie möglich ans natürliche
„Original“ herankam, war seit jeher Zhao Fengruis Ziel gewesen.
Zuvor hatte Prof. Zhao mehrmals Experimente an Hunden durchgeführt,
wobei zwar keine Immunreaktion auftrat, häufig aber Infektionen
die Folge waren, die durch die langen Haare hervorgerufen wurden.
20 Tage nach dem ersten Eingriff hätte eigentlich die zweite Operation
durchgeführt werden können, bei der der Tumor entfernt
und das mit Muskeln und Blutgefäßen bewachsene Metallnetz
zu einer Röhre geformt, an die richtige Stelle verpflanzt
und mit Draht befestigt wird.
Doch nach der ersten Operation an Mi Aiyun wurde Kritik an Zhao Fengrui
laut. Einige Personen, die sein Vorgehen verfolgt und ihn anfänglich
unterstützt hatten, meinten, es sei unverantwortlich, ein Verfahren,
das erst zwei Jahre lang in Tierversuchen getestet worden sei,
an Patienten anzuwenden. Die Kritik hatte zur Folge, dass die
zweite Operation abgesagt wurde. Doch Mi Aiyuns Gesundheitszustand
verschlechterte sich weiter. Sie musste in ihre Heimat zurückkehren
und sich dort behandeln lassen.
Die Kritik an Zhao Fengruis Verfahren mochte berechtigt sein. Seine Arbeitserfahrung
und sein Können als Chirurg hatten ihm jedoch Anerkennung
eingebracht. Der Arzt mit dem weißen Haar und den vornehmen
Manieren war für viele Erstleistungen in der chinesischen Chirurgie
verantwortlich. Ihm gelang beispielsweise als erstem, Fälle
von „hartnäckiger Brustwassersucht“ mit Erfolg zu behandeln.
In den Augen seiner Kollegen ist Zhao Fengrui „ein friedvoller
Mensch mit einem starken Willen. In der medizinischen Behandlung
strebt er immer nach Perfektion. Wenn er in der Wissenschaft
einen Fehler entdeckt, dann wird er schonungslos darauf hinweisen.“
Zhao Fengrui geht seiner wissenschaftlichen Beschäftigung
mit Aufopferungsgeist nach. Einmal übersetzte er innerhalb von
neun Monaten das umfangreiche Werk Thoracic Surgery aus
dem Englischen, das heute ein Standardwerk der chinesischen
Chirurgie ist.
Solche gute Eigenschaften muss ein
Wissenschaftler haben, wenn er seine Forschung zum Erfolg führen
will. Hinsichtlich seiner Experimente hielt Zhao Fengrui an
der Ansicht fest, dass bei Menschenhaut keine Infektionsgefahr
bestehen sollte, da sie ja nicht die langen Haare des Hundefells
aufweist. Er beschloss, die Behandlung von Mi Aiyun fortzusetzen.
Die zweite Operation wurde im Volkskrankenhaus Nr. 5 in Shangqiu
in der Provinz Henan durchgeführt. Um Zhao Fengrui zu entlasten,
unterschrieb Mi Aiyun einen Vetrag mit dem Krankenhaus, in dem
sie es von jeglicher Haftung befreite. Für einen Erfolg
der Operation musste sichergestellt werden, dass die Muskeln
und die Schleimhaut auf dem Metallnetz, insbesondere aber die
dünnen Gefäße, keinen Schaden nehmen. Da die Patientin
an schweren Atemschwierigkeiten litt und nicht liegen konnte,
wurde sie zuerst in sitzender Stellung operiert. Nach dem Entfernen
des Tumors führte Zhao Fengrui eine Röhre in den Hals ein,
was ihre Atemschwierigkeiten erst einmal beseitigte.
Am ersten Tag nach der Operation konnte Mi Aiyun bereits ihr Bett verlassen
und sich frei bewegen, und nach 15 Tagen konnte sie ohne die
Hilfsröhre atmen. 18 Tage nach der Operation wurde sie
aus dem Krankenhaus entlassen. Es traten keine Komplikationen
auf. In einer Untersuchung drei Monate nach der Operation wurde
an der Wunde nur eine kleine Granulation festgestellt, die jedoch
harmlos ware. Zhao Fengrui war sehr begeistert vom Untersuchungsergebnis,
denn es bewies, dass die Operation vollkommen gelungen war.
Zhao Fengrui ist ein Wissenschaftler,
der sich üblicherweise still in die Arbeit in Klinik und Labor
vergräbt. Anlässlich dieser gelungenen Operation wollte
er aber eine Pressekonferenz abhalten. Er sagte, dass er erstens
der Welt beweisen wollte, dass die chinesische Chirurgie
der ausländischen in nichts nachsteht. Bis anhin musste
die chinesische Chirurgie stets vom Ausland lernen, und so fehlte
es ihr an Erfindungsgeist. Zweitens wollte er den Bekanntheitsgrad
des Krankenhauses Jiangong, in dem er heute arbeitet, erhöhen.
Dieses Krankenhaus läuft bei der Reform der medizinischen
Versorgung in China vorne mit. Es hat Privatkapital aufgenommen
und arbeitet zu 50% kommerziell, also für Profit. Es wirbt öffentlich
Ärzte mit ausgewiesenen Fähigkeiten an und bietet
ihnen ein hohes Gehalt. Wenn man in dieses Krankenhaus eintritt,
hat man das Gefühl, in der Lobby eines Hotels zu sein. Dort
stehen große Sofas und am Klavier wird An Elise
gespielt. In der Halle stehen grüne Pflanzen. Dieses Ambiente
vermittelt einen behaglichen Eindruck. Nicht zuletzt wegen dieses
lockeren Arbeitsumfelds wollte Zhao Fengrui hier arbeiten. Drittens
wollte er der Welt seine Fähigkeit beweisen. Zhao Fengrui
fand es unverständlich, dass sich die meisten Journalisten
auf die Frage konzentrierten, ob es sich bei seiner Erfindung
um die erste künstliche Luftröhre handle. Zhao Fengrui
definiert seine Erfindung wie folgt: Sie ist eine künstliche
Luftröhre, die der natürlichen am nächsten kommt,
und die erste künstliche Luftröhre, die sich in den Körper
integriert. In diesem Sinne ist sie die einzige wirkliche künstliche
Luftröhre – das ist es, was für ihn zählt.
Zu seinem Erfolg bemerkt Zhao, dass er seine Inspiration aus der schnellen
Entwicklung von Wissenschaft und Technik genommen hat – eine
Inspiration, auf die die Menschheit 60 Jahre lang gewartet hat.