30
Jahre diplomatische Beziehungen zwischen China und Deutschland
1972 nahmen die Volksrepublik China und die
Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen auf. Seitdem
sind 30 Jahre vergangen, in denen sich die bilateralen Beziehungen
gesund und erfolgreich entwickelt haben.
Am 9. April dieses Jahres empfing Bundespräsident
Johannes Rau in seinem Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin seinen
chinesischen Amtskollegen Jiang Zemin mit militärischen
Ehren. Zufällig oder absichtlich, dieser Staatsbesuch fand
im 30. Jahr nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen
China und Deutschland statt. Bereits vor einem Jahr hatten die
Regierungschefs beider Länder vereinbart, das 30-jährige
Bestehen der chinesisch-deutschen Beziehungen würdig zu begehen.
In seiner Tischrede beim Begrüßungsessen
am selben Abend erwähnte Staatspräsident Jiang Zemin
diesen gemeinsamen Beschluss:
„In diesem Jahr werden wir gemeinsam das 30.
Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen
China und Deutschland feiern. Ein chinesisches Sprichwort lautet:
Mit 30 steht man auf festen Füssen. Das gilt im wahrsten Sinne
des Wortes auch für die chinesisch-deutschen Beziehungen. Mit
der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen am 11. Oktober 1972
wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der chinesisch-deutschen
Beziehungen aufgeschlagen. In den vergangenen 30 Jahren haben
die bilateralen Beziehungen eine allseitige Entwicklung erfahren.
In allen Bereichen hat sich die Zusammenarbeit erfolgreich entwickelt.
Sowohl in der Tiefe als auch an der Breite sind die Beziehungen
in eine neue Entwicklungsphase eingetreten. Die chinesisch-deutsche
Freundschaft ist tief im Herzen der Menschen verankert. Die
Kooperationen unserer beiden Länder, die auf einer soliden
Basis beruhen und über ein enormes Potential verfügen, erfreuen
sich einer breiten Perspektive“.
Enge Kontakte von Spitzenpolitikern beider
Länder gelten von jeher als eine Besonderheit der chinesisch-deutschen
Beziehungen. Ihre häufigen gegenseitigen Besuche schufen
eine solide Basis sowohl für die Pflege der Freundschaft wie
auch für die Verstärkung der Zusammenarbeit. Helmut Schmidt
war der erste deutsche Bundeskanzler, der China besucht hat,
und zwar im Oktober 1975. Zwischen 1984 und 1995 ist sein Nachfolger
Helmut Kohl viermal nach China gereist. Roman Herzog war der
erste Bundespräsident, der nach der deutschen Wiedervereinigung
China besucht hat. Und die China-Reise des jetzigen Bundeskanzlers
Gerhard Schröder im letzten Oktober war bereits die dritte
in seiner Amtszeit. Umgekehrt haben fast alle Spitzenpolitiker
Chinas Bonn oder Berlin besucht.
Zufälligerweise hieß der erste
deutsche Politiker, der China besucht hat, genau so wie der
jetzige Bundeskanzler, nämlich Gerhard Schröder.
Jener Gerhard Schröder war allerdings
CDU-Politiker, und er kam damals als Vorsitzender des auswärtigen
Ausschusses im deutschen Bundestag nach China: Auf Einladung
des Instituts des Chinesischen Volkes für auswärtige Angelegenheiten
unternahm er im Juli 1972 eine zweiwöchige Chinareise.
Die Einladung war von Wang Shu, einem Korrespondenten
der Nachrichtenagentur Xinhua übermittelt worden. Als Chefunterhändler
nahm Wang später an den Verhandlungen über die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen teil. Und Wang Shu erinnert sich
bis heute an die damalige Sondierungsmission von Gerhard Schröder:
„Ministerpräsident Zhou Enlai war sehr
zufrieden mit seinem 5-stündigen Gespräch mit Schröder.
Aus einem weiteren Gespräch mit Chinas Vizeaußenminister
Qiao Guanhua ergab sich ein noch größerer Erfolg.
Beide Seiten haben sich auf eine baldige Aufnahme diplomatischer
Beziehungen geeinigt. Eine entsprechende Vereinbarung wurde
von beiden Politikern unterzeichnet. Unmittelbar danach begannen
die Verhandlungen, die nur 40 Tage dauerten. Am 11. Oktober
1972 unterzeichneten dann der damalige Bundesaußenminister
Walter Scheel und der chinesische Außenminister Ji Pengfei
in Beijing das gemeinsame Kommunique über die Aufnahme diplomatischer
Beziehungen.“
Nach Auffassung von Wang Shu, der später
als Chinas Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet
hatte, ist die reibungslose Aufnahme der chinesisch-deutschen
Beziehungen in erster Linie auf die historische Annährung
zwischen Beijing und Washington sowie die sogenannte Ostpolitik
der Brandt-Regierung zurückzuführen. „Die Ostpolitik darf nicht
in Moskau aufhören, sondern soll weiter reichen, bis hin
nach Peking“, so damals die allgemeine Stimmung in der deutschen
Politik. Deutschlands jetziger Botschafter in Beijing, Joachim
Broudre-Gröger, bestätigte diese Aussage:
„Vor 30 Jahren war ich Vize-Konsul in Hongkong.
Da kam die große Maschine aus Peking mit dem damaligen
Außenminister Scheel und seiner Delegation. Und wir alle
haben zelebriert in Hongkong, endlich die Aufnahme der diplomatischen
Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern bekommen zu
haben. In einer Zeit, in der ja noch Kalter Krieg war, in der
Zeit, in der die Welt beileibe nicht so friedlich ausgesehen
hat und so von Zusammenarbeit geprägt war wie heute.“
Dabei hat genau die Zusammenarbeit die vergangenen
30 Jahre der chinesisch-deutschen Beziehungen geprägt,
sie gilt seit jeher als ein solides Fundament. China ist reich
an Arbeitskräften und verfügt über einen riesigen Markt,
während Deutschlands Vorzüge in starkem Kapital und modernen
Technologien liegen. So können sich beide Länder in
ihrer wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit gut ergänzen.
Selbstverständlich bestehen noch zahlreiche weitere Möglichkeiten
für eine enge Zusammenarbeit. Seit der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen 1972 sind die Kooperationsbereiche kontinuierlich
ausgeweitet worden. Ausgebaut worden sind der Austausch und
Zusammenarbeit in Politik, Militär, Bildung, Kultur und
Umweltschutz, was vom chinesischen Staatspräsidenten Jiang
Zemin entsprechend gewürdigt wurde:
„Mit großer Freude können wir feststellen,
dass sich die freundschaftliche Zusammenarbeit in allen Bereichen
trotz der Prüfungen der Zeit und der Veränderungen der
Weltlage bewährt hat. Sowohl in Tempo und Tiefe, wie auch
in der Breite haben die bilateralen Beziehungen eine historisch
beispiellose Entwicklung erlebt. Besonders hervorzuheben sind
die persönlichen Kontakte zwischen den Spitzenpolitikern
beider Länder. Auf verschiedenen Ebenen und Gebieten wurden
politische Konsultationsmechanismen etabliert. Auch die Zusammenarbeit
in Wirtschaft und Handel ist ständig ausgebaut worden.
Rasch zugenommen haben mittlerweile die direkten Investitionen
deutscher Unternehmen in China. Deutschland ist und bleibt Chinas
größter Handelspartner in Europa. Reger Austausch
prägt alle Bereiche wie Kultur, Bildung, Wissenschaft,
Umweltschutz und Rechtsordnung. Zwischen beiden Ländern
bestehen Vertrauen, Verständnis und Unterstützung in den
gemeinsam interessierenden Fragen.“
Bundespräsident Johannes Rau würdigte
die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit in der internationalen
Politik:
„China und Deutschland tragen gemeinsam Mitverantwortung
für die Entwicklung auf unseren jeweiligen Erdteilen. Wir werden
die vor uns liegenden Aufgaben nur dann lösen können,
wenn wir die Möglichkeiten der UNO weiter stärken.
Ich freue mich darüber, dass China und mein Land in dieser Frage
gemeinsame Position vertreten. Ich begrüße es, dass die
Volksrepublik China als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates
von Anfang an eine konstruktive Rolle bei der Bekämpfung
des Terrorismus gespielt hat. Ich freue mich besonders darüber,
dass unsere beiden Länder gemeinsam beim Wiederaufbau Afghanistans
helfen.“
Der deutsche Bundespräsident meint, dass
von der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit im Rahmen der UNO
eine positive internationale Signalwirkung ausgehen könne.
In diesem Zusammenhang erwähnte er zudem die bilaterale
Kooperation in Umweltschutz und wertete sie als weltweit vorbildlich:
„Die Bedrohung der Umwelt ist eine weitere
Gefahr, der wir nur gemeinsam im internationalen Rahmen begegnen
können. Von der engen Zusammenarbeit beim Kyoto-Protokoll
und von der großen deutsch-chinesischen Umweltkonferenz
vom Dezember 2000 profitieren nicht nur unsere beiden Länder,
sondern die Staatengemeinschaft insgesamt.“
Dabei gehören eine engere Zusammenarbeit
und die gemeinsame Begegnung von Herausforderungen genau zu
den vier Vorschlägen für die weitere Entwicklung der chinesisch-deutschen
Beziehungen, die Chinas Staatspräsident Jiang Zemin bei
einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder unterbreitet
hat. Zur Bedeutung dieser Vorschläge sagte Jiang Zemin:
„Da
wir mit globalen Problemen konfrontiert sind, brauchen wir für
deren Lösung auch die umfassende Beteiligung aller Länder
und Völker, die Solidarität und Kooperation der internationalen
Gemeinschaft. Wir sind der Ansicht, dass Austausch und Dialog
zwischen den Kulturen die Antriebskraft für Fortschritte der
menschlichen Zivilisation darstellen. Unterschiedliche Kulturen
und gesellschaftliche Systeme können langfristig miteinander
koexistieren und sich im Wettbewerb gegenseitig ergänzen.
Wir sind bereit, uns mit Deutschland für Frieden und Stabilität,
für gemeinsame Entwicklung der Welt und für eine neue gerechte
und vernünftige Weltordnung einzusetzen “.