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Mai Jia – Der Dan Brown Chinas

2018-04-27 14:40:00 Source:China heute Author:
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Von Wang Kuan*

 


Autor Mai Jia


In China ein literarischer Überflieger und auch der westlichen Leserschaft alles andere als ein Unbekannter – die Rede ist vom chinesischen Spionageroman-Autor Mai Jia, den die „New York Times“ in einem Artikel als Stern am chinesischen Krimihimmel feierte. „Seit Jahren erzählt der ehemalige Armeeangehörige grandios die Geschichten großer Geheimnisse. Mit seinen Werken entführt Mai Jia in eine geheimnisumwitterte Welt, die nicht nur für ausländische Leser Neuland darstellt, sondern auch für die meisten Chinesen“, kommentierte die amerikanische Zeitung.

 

Während der einwöchigen Beijing Publishing Fellowship im Juni vergangenen Jahres ließ Mai seine literarische Karriere noch einmal Revue passieren und sprach mit chinesischen Medienvertretern unter anderem über seinen Roman „Decoded“, der weltweit in 33 Sprachen erschien. „Ich habe damals elf Jahre auf seine Fertigstellung verwendet und zunächst reihenweise Absagen erhalten“, erinnert sich Mai. 17 Verlage hätten sein Werk anfangs abgelehnt. „Die wenigsten Menschen haben eine Vorstellung, welch erbärmliche Erfahrung das ist, selbst die meisten Schriftsteller“, sagt der heutige Erfolgsautor.

 

Mittlerweile ist Mai Jia ein gefeierter Autor. Um die Veröffentlichung seiner Werke braucht er sich heute keine Sorgen mehr zu machen. Aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit hat sich der Schriftsteller in der letzten Zeit allerdings etwas zurückgezogen. Berichten zufolge gründete er jüngst mit  dem Schriftstellerkollegen Gao Xiaosong und Ding Lei, dem CEO von NetEase, eine gemeinnützige Buchhandlung in der südostchinesischen Metropole Hangzhou. Sie soll heimischen Lesern als kostenloser Lesekosmos dienen.

 

Den Herzschlag einer Geschichte hören

 

Rong Jinzhen, die Hauptfigur des Romans „Decoded“, ist ein mathematisches Genie, das an Autismus leidet. Als ihn eines Tages eine Geheimagentur beauftragt, zwei Zeilen eines Top-Geheimcodes zu entschlüsseln, führt das den Mathematiker auf eine atemberaubende Reise.

 

Rong Jinzhen ist ein einsamer, hochintelligenter Held, wie die meisten Hauptfiguren in Mais Romanen. Er sei wie besessen von der Ausgestaltung derartiger Charaktere, gesteht der Autor im Interview. „In solchen Figuren kann ich ein Stück von mir selbst erkennen“, sagt er. „Auf der einen Seite sind sie extrem talentiert, auf der anderen Seite unglaublich verletzlich“, sagt er.

 

Ein weiteres Motiv, das seine Werke und Figuren tief durchdringt, ist die einsame Kindheit. Mai vergleicht die Genies, die er zeichnet, mit einem besonders hellen Wolframdraht, der droht, jeden Moment in Flammen aufzugehen.

 

„Decoded“ gab den Auftakt für eine Reihe weiterer Spionage-Bestseller aus Mai Jias Feder, die ebenfalls ins Englische übersetzt wurden, darunter „In the Dark“, „Sound of the Wind“ und „Whisper of the Wind“. Alle Werke wurden zu großen kommerziellen Erfolgen: Sie haben nicht nur die Bestsellerlisten der Buchläden erklommen, manche wurden auch als Fernsehserien adaptiert und damit einem noch breiteren Publikum zugänglich gemacht. Mai selbst zeigt sich überrascht von dem großen Erfolg seiner Werke. Er habe wohl einfach den Nerv der Zeit getroffen, sagt er bescheiden.

 

Beim literarischen Schaffen gehe es einfach darum, gute Geschichten zu erzählen, sagt er. „Wenn Sie eine alte Geschichte erzählen, aber in ungewöhnlichem Gewand, wird man Sie schnell als modern oder avantgardistisch feiern.“

 

In den frühen 1990er Jahren verbrachte Mai drei Jahre in Tibet. Dabei verwendete er ein ganzes Jahr darauf, wieder und wieder die Kurzgeschichtensammlung „The Book of Sand“ von Jorge Luis Borges zu studieren.

 

„Borges ist ein Avantgardist mit brillanter Erzähltechnik und hat es zu Recht als Autor zu Weltruhm gebracht“, sagt Mai voller Bewunderung. „Als ,Schriftsteller unter den Schriftstellern‘ genießt er in Literaturkreisen größtes Ansehen. Nachdem ich mich intensiv mit seinen Werken auseinandergesetzt habe, wurde mir klar, dass Borges letztlich philosophische Geschichten erzählt, die den Märchen aus ,Tausendundeiner Nacht‘ verblüffend ähnlich sind.“

 

Manche Leute vergleichen Mai Jia gar mit Bestsellerautor Dan Brown, aus dessen Feder unter anderem der berühmte „Da Vinci Code“ stammt. Lob wie dieses weist Mai stets höflich, aber bestimmt zurück. „Ich bin niemand, der Dan Brown nacheifert, und ich will auch kein neues Genre erschaffen, sondern mich einfach auf menschliche Schicksale konzentrieren und der menschlichen Natur auf den Zahn fühlen“, sagt er.

 

Und Leser wie Kritiker scheinen diese Message verstanden zu haben. Nachdem „Decoded“ auf Englisch erschienen war, gingen die Literaturkritiker in ihren Rezensionen nämlich statt auf den Spannungsbogen der Dekodierungsstory meist auf universelle und ewige Motive des menschlichen Wesens wie das Thema Einsamkeit ein, das Mai in seinen Werken so eindrucksvoll herausarbeitet.

 

„In einer gewöhnlichen Geschichte ist nur das Geräusch von Schritten zu hören, bei einem guten Roman dagegen lässt sich das Pochen des Herzschlags vernehmen“, sagt Mai. „Wie kommt es, dass uns bis heute Romane wie ,Der Traum der roten Kammer‘, ,Anna Karenina‘ oder ,Pfingstrosen-Pavillon‘ zu Tränen rühren? Es liegt daran, dass wir heute genau die gleichen Gefühle von Freud und Leid, Liebe und Hass empfinden, wie die Menschen vor 500 Jahren. Gute Werke überschreiten zeitliche Grenzen und berühren die Herzen der Menschen, damals wie heute“, so der Bestsellerautor.

 

Ein chinesischer Autor, den man gelesen haben muss



Mai Jia


Bei einer Reise nach Paris besuchte Mai Jia einmal eine Buchhandlung namens „Shakespeare Books“. Ihr Besitzer George Whitman hatte sie in einen Kultursalon verwandelt. Mai war fasziniert von dieser Idee und dem freien und reinen Ambiente des Salons.

 

Mai Jia kam 1964 zur Welt und wuchs in einer ländlichen Gegend Chinas auf. Seine schriftstellerische Karriere verlief alles andere als glatt. Die Qualen der heutigen literarischen Jugend kann er von daher gut nachspüren.

 

Er sagt: „Jeder junge Mensch, der für Literatur brennt, empfindet letztlich Einsamkeit und Not, wenn er zu schreiben beginnt. Ich wusste früher beispielsweise nicht, ob das, was ich geschrieben hatte, gut oder schlecht war. Noch weniger wusste ich, wohin ich meine fertigen Manuskripte senden sollte“, erinnert sich Mai. „Ich werde mein Leben lang nicht vergessen, wie viel mir die Literatur persönlich gegeben hat. Von daher möchte ich nun etwas zurückgeben, besonders an junge Schriftsteller.“ So sei in ihm die Idee gereift, in Hangzhou eine Buchhandlung nach dem Vorbild von „Shakespeare Books“ zu gründen, um noch mehr Menschen kostenlos an das Lesen heranzuführen.

 

Die englische Übersetzung von „Decoded“ erschien erstmals im März 2014 im britischen Verlag Penguin Books sowie bei FSG Books in den USA. Sie wurde in insgesamt 35 englischsprachigen Ländern einschließlich den USA und Großbritannien verkauft. Innerhalb von nur 24 Stunden avancierte das Werk zum meistverkauften Roman eines chinesischen Autors im Ausland aller Zeiten. Darüber hinaus wurde das Buch in die Liste der „Penguin Classics“ aufgenommen. Anderen chinesischen Autoren gibt Mai mit auf den Weg, dass sie Themen wählen sollten, die einem ausländischen Publikum zugänglich sind, wenn sie im Ausland erfolgreich seien wollen.

 

Nach dem großen Erfolg der englischen Version des Spionagethrillers haben insgesamt 21 weitere ausländische Verlage aus den USA, Großbritannien, Spanien, Frankreich, Russland, Deutschland, Israel, der Türkei, Polen, Ungarn, Schweden und der Tschechischen Republik begonnen, Mais Romane, darunter nicht nur „Decoded“, sondern zum Beispiel auch „In the Dark“ zu übersetzen und so dem ausländischen Publikum zugänglich zu machen. Bis heute wurde „Decoded“ in 33 Sprachen übersetzt.

 

„Während ausländische Werke in China große Erfolg feiern, ist der Einfluss chinesischer Literatur in der Welt noch immer überschaubar“, sagt Mai. Umso größere Aufmerksamkeit hat deshalb der Erfolg von „Decoded“ erregt und damit selbst die Erwartungen des Autors selbst weit übertroffen. „Es gehörte sicher auch eine Portion Glück dazu“, sagt Mai rückblickend. Seinen enormen Erfolg habe er letztlich vor allem auch seiner englischsprachigen Übersetzerin Olivia Milburn zu verdanken, sagt der Chinese. „Der Übersetzer ist stets der zweite Schöpfer des Originals“, sagt er.

 

Die britische Sinologin Olivia Milburn, die an der Seoul National University arbeitet, widmet sich hauptsächlich der Erforschung der chinesischen Geschichte vor der Qin-Dynastie (der Periode zwischen dem 21. Jahrhundert v. Chr. und 221 v. Chr.). Dass das Werk überhaupt ins Englische übersetzt wurde, ist letztlich einem Zufall zu verdanken. Als Milburn am Shanghaier Flughafen auf ihre verspätete Maschine wartete, fiel ihr in einer Buchhandlung „Decoded“ in die Hände. Sie kaufte das Buch und verschlang große Teile noch während des Rückflugs in die Heimat. Nach ihrer Rückkehr begann sie aus reiner Freude, einige Kapitel ins Englische zu übersetzen. Eine Studienkollegin, die Sinologin Julia Lovell, zeigte die Übersetzung einem der Herausgeber von Penguin Books, und dieser bekundete sofort großes Interesse an dem Roman.

 

Milburns Übersetzung diente später auch als Vorlage für die Übersetzung in sieben bis acht weitere Sprachen. Doch Autor Mai betont: „Eine gute Übersetzung sollte letztlich vom Original ausgehen. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der ursprüngliche Stil des Romans bereits bei der ersten Übersetzung in gewissem Maße geändert wurde.“

 

Laut Mai geht der Erfolg seines Romans im Ausland jedoch nicht nur auf die gelungene Übersetzung und den guten Vertrieb durch große ausländische Verlage zurück. „Viel wichtiger ist, dass das Thema, das ich behandele, keine Landesgrenzen kennt. Selbst Menschen, die praktisch nichts über China wissen, können mit der Geschichte etwas anfangen“, sagt Mai.

 

„Im 20. Jahrhundert hinkte China weit hinter der Entwicklung des Westens hinterher. Und wie wir alle wissen, werden Rückständigkeit und Ignoranz in der Literatur oft überspitzt dargestellt. Je übertriebener solche Aspekte Chinas aber gezeigt werden, desto weniger ist das westliche Publikum in der Lage, die Dinge zu verstehen“, sagt Mai. Zum Glück bestehe heute zunehmend die Möglichkeit, dass literarische Werke junger chinesischer Schriftsteller stärker im Einklang mit der übrigen Welt stünden. „Und Chinas rasche wirtschaftliche Entwicklung wird letztlich dafür sorgen, dass auch der Einfluss der chinesischen Sprache stetig wächst“, so Mai weiter. 

 

Ein Trend, der sich schon heute abzeichnet: In den letzten Jahren sahnten chinesische Autoren wie Mo Yan, Gao Wenxuan oder Liu Cixin verschiedene internationale Auszeichnungen ab. Ihre Erfolge, da ist sich Mai sicher, werden als Eisbrecher für den internationalen Erfolg chinesischer Literatur insgesamt dienen. „Mit der Erhöhung des internationalen Status Chinas wird auch die chinesische Literatur weltweit immer mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken“, ist er überzeugt.

 

Ein Buch pro Woche

 

Aus seinen Romanen schließen viele Leser, Mai sei ein überdurchschnittlich intelligenter Zeitgenosse. Darauf angesprochen lacht der Erfolgsautor nur. „Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Im wirklichen Leben bin ich eigentlich ziemlich ungeschickt“, sagt er.

 

„Meine Intelligenz ist durchschnittlich, wohl sogar ein bisschen unter diesem Niveau. Aber das ist nichts, wofür ich mich schämen würde“, sagt Mai. In der heutigen Zeit gebe es sehr viele kluge Menschen und man sei umgeben von schlauen Dingen wie dem Internet und Smartphones. Letztlich aber hätten diese unser Leben nur komplizierter gemacht und unseren Lebensrhythmus beschleunigt. „Aus diesem Grund sage ich oft, dass der Wert von Intelligenz manchmal negativ ist.“

 

Mai bezeichnet sich selbst als „eigensinnigen Schriftsteller“. Auch als er über zehn Jahre schriftstellerisch tätig war, ohne dass sich Erfolg einstellte, gab er nicht auf. Seine Berühmtheit scheint ihm heute eher lästig. „Schriftsteller sollten sich nicht dem Ruhm hingeben. Schreiben ist letztlich eine einsame Angelegenheit“, sagt er.

 

Und diese braucht Zeit, im Falle Mais sogar sehr viel davon. „Ich schreibe sehr langsam, nur ein paar hundert chinesische Schriftzeichen pro Tag“, erzählt er über seine Routine. „Morgens schreibe ich vielleicht eintausend Schriftzeichen, von denen ich dann am Nachmittag wieder die Hälfte streiche.“ In seiner Autobiografie schreibt er dazu: „Früher waren meine Romane für mich wie ein Diplom, das mich von den anderen unterscheiden sollte ... Heute führen sie dagegen eine Art Eigenleben, in dem Freud und Leid spontan aufkeimen. Ich habe das Gefühl, dass meine Romane nichts sind, was mir gehört, sondern vielmehr Objekte, nach denen ich mich sehne.“

 

Seit 2012 engagiert sich Mai nun schon dafür, sein gemeinnütziges Buchhandlungsprojekt voranzutreiben. Es soll ein Ort werden, der dem Lesen Raum gibt, ganz nach dem Vorbild von „Shakespeare Books“ in Paris. Der Autor hat diesen Ort „Mai Jia Literature Ideal Valley“ getauft. Entstanden ist ein Ort, an dem alle Besucher bei einer Tasse kostenlosem Kaffee nach Herzenslust schmökern können. Darüber hinaus hat die Buchhandlung das Programm „Guesthouse Producers“ gestartet, eine Plattform für Nachwuchsautoren. Ihnen stellt der Laden einen kostenlosen Schreibraum zur Verfügung. Unter Buchliebhabern hat sich Mais literarischer Begegnungsort bereits einen Namen gemacht. Jeden Tag zieht er zahlreiche Besucher an.

 

Das „Literature Ideal Valley“ hat außerdem ein Programm gestartet, um noch mehr Menschen zum Lesen anzuspornen. „Ein Buch pro Woche“, lautet das Motto. Die Organisatoren empfehlen, jeden Morgen mindestens 15 Minuten zu lesen. Geübte Leser schaffen so etwa ein Buch pro Woche und 52 Bücher im Jahr. „Für mich ist es eine Tugend, andere zum Lesen anzuspornen“, sagt Mai und fügt zum Abschluss hinzu: „Wenn es ein Paradies gibt, muss es wie eine Bibliothek aussehen. In dieser Hinsicht stimme ich der Aussage von Jorge Luis Borges voll und ganz zu.“

 

*Wang Kuang arbeitet als freiberuflicher Autor.

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