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Umweltschutz mit Wissen, Liebe und Taten: Mensch und Wildtier in der tibetischen Kultur

2022-05-16 15:33:00 Source:China Heute Author:
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Von Khenpo Tashi Zangpo (མཁན་པོ་བཀྲ་ཤིས་བཟང་པོ།)


Wir Tibeter leben im höchsten Teil Chinas und nennen uns selbst „Gangtschempa“ (གངས་ཅན་པ། / Gangs Can Pa) – die, „die an Schnee verdeckten Orten leben“. Mein Name ist Tashi Zangpo und ich stamme aus Nyanpo Yutse (གཉན་པོ་གཡུ་རྩེ / gNyan Po gYu rTse). Das ist der höchste Gipfel im Bayan-Har-Gebirge (བ་ཡན་ཧ་རི། Ba Yan Ha Ri), der Wasserscheide des Gelben Flusses und des Jangtse. Das Tal von Nyanpo Yutse wird nicht nur von verschiedensten Wildtieren wie Schneeleoparden bevölkert, sondern ist auch die Heimat der Hirten meiner Heimatstadt und ihres Viehs. 

  

Tibeter und Raubtiere 

  

Wir Tibeter glauben, dass in den Nyanpo-Yutse-Bergen nicht nur wilde Tiere und Menschen beheimatet sind, sondern auch Berggötter, die für uns Sterbliche allerdings unsichtbar sind. Doch sind sie der menschlichen Gesellschaft wohlgesonnen, erscheinen wie Familie oder Freunde. Der Vater des Berggottes von Nyanpo Yutse ist Gangrenboqi von Ngari (གངས་རིན་པོ་ཆེ། / Gangs Rin Po Che; in der indischen Mythologie auch bekannt als Kailash), seine Mutter ist Mapang Yongcuo (མ་ཕམ་གཡུ་མཚོ། / Ma Pham gYu mTsho). 

 

  


Nyanpo Yutses Verehrung des Berggottes 

  

Sprichwörtlich kennen wir Tibeter „siebe wichtige Bergarten“, nämlich schneebedeckte Berge (གངས་རི། / Gangs Ri), Felsberge (བྲག་རི། / Brag Ri), Kiesberge (རྡེའུ་རི། / rDe’u Ri), Sandsteinberge (བྱེ་རྡོའི་རི། / Bye rDo’e Ri), Grasberge (རྩྭ་རི། / rTswa Ri), Waldberge (ནགས་རི། Nags Ri) und Sandberge (བྱེ་རི། Bye Ri). In diesen verschiedenen Umgebungen lebt eine Vielzahl von Wildtieren, darunter das, was die tibetische Tradition „Tschen-san-tsche-gu“ (གཅན་གཟན་ཆེ་དགུ། / gCan gZan Che dGu) nennt, die „neun Arten von Raubtieren”, nämlich Tiger, Leoparden, Nebelparder, Schneeleoparden, Luchse, Schwarzbären, Braunbären, Schakale und Wölfe. Auch Tiger sind an einigen Orten auf dem Qinghai-Tibet-Plateau zu finden. Es gibt zahlreiche Aufzeichnungen über die Tiger in tibetischen historischen Werken. Heute wird man sie jedoch wohl nur in der Gegend rund um Medog in Südtibet finden. Auch auf Leoparden und Nebelparder zu stoßen, ist heutzutage eine Seltenheit. Menschen, die in Weidegebieten leben, berichten eher über gelegentliche Begegnungen mit größeren Raubtieren wie Wölfen, Braunbären und Schneeleoparden. 

  

Raubtiere stehen traditionell nicht auf dem Speiseplan der Tibeter. Bei uns werden vier Arten von Tieren nicht verzehrt: solche mit Krallen wie Raubtiere; Geflügel wie Vögel; Tiere mit Schneidezähnen oder Rundhufen wie Pferde und Esel; und kleinere Tiere wie Fische oder Insekten. Diese alte Tradition hat sich über die Jahrtausende fortgesetzt. 

  

Menschen und Wildtiere  

  

Nyanpo Yutse ist eine Oase der Artenvielfalt. Die Gegend zählt insgesamt 47 Säugetier- und 176 Vogelarten, aber nur eine einzige Reptilienart, nämlich die Schlangenart „Gloydius strauchi“ aus der Gruppe der Tempelviper. Zudem tummeln sich hier neun Amphibienarten und mindestens fünf Fischarten. Hinzu kommen 221 Insektenarten und 673 Arten höherer Pflanzen, die bisher verzeichnet wurden, einschließlich der „Meconopsis barbiseta“ (ein Typ des hiesigen Scheinmohns), eine Pflanze, die es nur in Nyanpo Yutse gibt. Außerdem findet man in Höhen von 3000 bis über 5000 Metern zahlreiche Pilze, bisher wurden 238 Arten entdeckt. 

  

Wildtiere und Menschen teilen sich hier auf dem Hochland denselben Lebensraum. Da gibt es unweigerlich manchmal Widersprüche. Unsere Aufgabe ist es, ein Gleichgewicht zu finden, in dem beide - Mensch und Natur - friedlich nebeneinander bestehen können. In der Vergangenheit hatten die Menschen Angst vor großen fleischfressenden Wildtieren. Tatsächlich aber fürchteten diese unsereins nicht minder. Die Menschen leben traditionell in den Dörfern am Fuße des Berges, während die Wildtiere im Gebirge beheimatet sind. Tiere und Menschen kamen sich daher in der Regel nicht in die Quere, weshalb es kaum zu Zusammenstößen kam. Heute sind die Tiere jedoch zutraulicher geworden. Selbst Schneeleoparden, Wölfe und Braunbären zieht es manchmal auf der Suche nach Nahrung in die Siedlungsgebiete des Menschen. 

  

Bären sind Allesfresser und beginnen im Sommer, durch die Berge zu streifen. Die größte Angst der Tibeter ist es daher, einem Braunbären zu begegnen, denn diese können Menschen durchaus verletzen, anders als etwa Schneeleoparden. Man findet auch in und um Nyanpo Yutse Braun- und Schwarzbären, aber sie kommen im Großen und Ganzen friedlich mit den Menschen aus. Am meisten Konfliktpotenzial gibt es zwischen Menschen und Wölfen.  

  

Die Beziehung zu den Schneeleoparden gestaltet sich da deutlich besser. Schneeleoparden leben normalerweise hoch im Gebirge. Sie sind hauptsächlich oberhalb der Schneegrenze aktiv und steigen nur gelegentlich in Richtung Tal hinunter. Es sind auf dem gesamten Qinghai-Tibet-Plateau keine Fälle bekannt, in denen Schneeleoparden Menschen je verletzt hätten. In den letzten Jahren bekommen die Menschen hier aber immer öfter Schneeleoparden zu Gesicht, vielleicht weil die Menschen begonnen haben, auf Schneeleoparden zu achten. Möglich wäre aber auch, dass sich das Verhalten der Raubkatzen verändert hat und neu bewertet werden muss. 

  

Umweltschutz 

  

Die Ökologische Umweltschutzvereinigung von Nyanpo Yutse (Nyanpo Yutse Conservation Association) ist eine nichtstaatliche Umweltschutzorganisation, die 2007 gegründet wurde und sich hauptsächlich dem Schutz der biologischen Vielfalt von Nyanpo Yutse widmet. 

 

Die Philosophie der Organisation besteht in der Harmonisierung von „Wissen, Liebe und Taten“. Um Tiere und Umwelt zu schützen, muss man Tiere, Pflanzen und Umwelt erst einmal kennen, um dann in einem nächsten Schritt eine tiefe Verbundenheit zu ihnen entwickeln zu können. Und was man liebt, das wird man letztlich auch erfolgreich schützen, so der Grundgedanke. Jedes Jahr beobachten wir die lokale Flora und Fauna, führen geologische Monitorings durch und nehmen die Kinder mit in die Natur, um ihnen die Faszination der Natur hautnah und greifbar zu vermitteln. Entscheidend beim Schutz der ökologischen Umwelt hier bei uns im Quellgebiet dreier Flüsse und auch auf dem gesamten Qinghai-Tibet-Plateau ist es, Wissenschaft und Tradition gleichermaßen zu achten. Nur solche Bemühungen sind sinnvoll und fortsetzbar, die unseren langfristigen Zielen entsprechen. 

 

  


Eine ökologische Philosophie, die Wissen und Handeln vereint. 

  

*Der 50-jährige Khenpo Tashi Zangpo, (མཁན་པོ་བཀྲ་ཤིས་བཟང་པོ། / mKhan-po bKra-Shis-bZang-Po) fungiert als Khenpo des Palyul-Klosters in der Präfektur Golog, Qinghai. Der Titel des Khenpo entspricht im tibetischen Buddhismus einem Doktor der buddhistischen Studien. 

 

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