China für ausländische Unternehmen weiter attraktiv
Von Liu Qiong
„In den kommenden zehn Jahren werden wohl etliche US-Unternehmen China den Rücken kehren und in die USA zurückziehen“, so heißt es in einem vor kurzem von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) veröffentlichten Bericht. Einst hatte China vor allem im Bereich der Fertigungsindustrie enorme Standortvorteile gegenüber den Vereinigten Staaten aufweisen können, zahlreiche US-Unternehmen bauten deshalb Produktionsstandorte in China auf. Doch seit einiger Zeit scheint es hier einen Wandel zu geben. Vor allem eines der schlagendsten Argumente, Chinas konkurrenzlos niedrige Produktionskosten im Vergleich zu den USA, werde in den kommenden zehn Jahren an Zugkraft verlieren, heißt es in dem Bericht von BCG. Steigende Lohnkosten für chinesische Arbeitskräfte, hohe Arbeitseffizienz in den USA und die Dollar-Abwertung – all das werde erheblich zur Verkleinerung der Kostenschere zwischen beiden Staaten beitragen, so die Experten.
Verliert die chinesische Fertigungsbranche für ausländische Unternehmen ihre Kostenvorteile? Wie schätzen europäische und amerikanische Unternehmen angesichts solcher Prognosen die Zukunft ihrer Investitionen und Unternehmensgründungen in China ein? Lohnt es sich noch, in China zu investieren?
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Starbucks Coffee in Qianmen, Beijing |
Vermögensreduzierung oder auch kompletter Ausstieg
Nicht nur die steigenden Lohnkosten, auch die Vermögensreduzierung vieler ausländischer Unternehmen in China lässt das Ausland am Investitionswert und -umfeld des chinesischen Marktes zweifeln.
Im September 2011 verkaufte die amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone Group ihre 95-prozentigen Aktienrechte am Shanghaier Einkaufszentrum Channel one an das Hongkonger Unternehmen New World Development. Es galt als der erste Abzug von Investitionen der Gruppe aus der chinesischen Immobilienbranche.
Im November dann verkaufte die Goldman Sachs Group 1,75 Milliarden H-Aktien der Chinesischen Industrie- und Handelsbank (ICBC) zu einem Durchschnittspreis von 4,88 Hongkong-Dollar; es war bereits die dritte Reduzierung an ICBC-Aktien des Unternehmens. Alles in allem hatte Goldman Sachs damit Aktien im Gesamtwert von 5,7 Milliarden Dollar abgestoßen, die Investitionsrentabilität betrug über 300 Prozent. Am 14. des gleichen Monats verkündete auch die Bank of America, 10,4 Milliarden H-Aktien der Chinesischen Aufbaubank (CCB) durch private Transaktionen verkaufen zu wollen. Auch die Bank of America stieß damit bereits zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten CCB-Aktien ab. Ihr Aktienanteil sank damit von 10,23 Prozent auf 1 Prozent.
Yi Xianrong, Forscher am Institut für Finanzwesen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, sieht allerdings keinen Grund zur Panik. Sowohl bei den Rückzügen aus dem Immobilienmarkt als auch den Aktienverkäufen handele es sich um normales Marktverhalten, das man nicht überbewerten solle, so Yi. „Wann man in den Markt einsteigt und wann wieder aussteigt, das entscheiden die Unternehmen letztlich je nach eigenem Bedarf“, so der Experte.