Auf der Grundlage ihrer langen Praxis haben die tibetischen Künstler eine ganze Reihe von Prinzipien für Farbabstufungen und Systemen für die Farbkombinationen erforscht. Betrachten wir die farbenprächtigen Wandgemälde und Tangkas. Obwohl alle Farben benutzt werden, sind Hellblau, Rot, Gelb und Grün besonders häufig. Das sind die lebhaften Farben in der tibetischen Wandmalerei. Vielleicht haben die Harmonie der Farben und zugleich ihr Kontrast auf dem Qinghai-Tibet-Plateau – tiefblauer Himmel, grüne Steppen und weiße Berge – die auf dem Hochplateau lebenden Künstler zur so eigenartigen Farbassoziation und zu dieser spezifischen Farbanwendung angeregt. Harmonie und Kontrast bei „kalten“ und „warmen“ Farben sowie bei mehr oder weniger „satten“ Farben kennzeichnen eine perfekte Verbindung von Inhalt und Form, zeigen das relativ hohe Niveau und eine ganz eigene Ästhetik der Künstler.
Bei Buddhas und Bodhisattwas werden die Farben angemessen eingesetzt, übertrieben wird nur, um Kontrastwirkungen zu erzielen. Die Figuren sollen ernst und freundlich wirken, den Buddhas ist anzusehen, dass sie frei von allen Begierden sind, und die Bodhisattwas wirken barmherzig und freundlich. Bei den Diamantenkönigen und den Dharmaschutzgottheiten sind die Farben stärker aufgetragen, wobei man großes Gewicht auf die Verwendung kontrastierender Farben gelegt wurde. Man gebrauchte in der Regel kalte Farben, um den Unterschied zu den überwiegend mit warmen Farben dargestellten Buddhas hervorzuheben. Zugleich wurde so die Macht und Unberechenbarkeit der Diamantenkönige und Dharmaschutzgottheiten unterstrichen. Das Rot in der Glorie beispielsweise wirkt im Kontrast zu den klaren Linien der Kräutermuster wie lodernde Flammen. Mit weit aufgerissenen runden Augen, schwingenden Armen und sprungbereiten Beinen werden die Diamantenkönige und Dharmaschutzgottheiten als außergewöhnlich robuste, fest entschlossene, harte und würdevolle Erscheinungen gezeigt, die in der Lage sind, das Dharma zu schützen und alle bösen Dämonen zu überwinden.