Dank den Bemühungen der drei Meister wurde die Nyingma-Sekte zu einer selbständigen Glaubenslehre mit festen Einrichtungen, einem systematischen Schriftenkanon und Mönchsorganisationen. Damals genoss die Nyingma-Sekte hohes Ansehen. Die Überlieferung ihrer Glaubensgrundsätze über das Studium der klassischen Schriften wird noch heute praktiziert und gilt in den Regionen der Tibeter als besonders orthodox und autoritativ.
Eine weitere Person, die wegen ihres Beitrags zur Entwicklung der Nyingma-Sekte eine wichtige Stellung in ihrer Geschichte einnahm, war Lungchen Rabshanpa, mit eigentlichem Namen Drimeotser. Er wurde im Jahr 1308 geboren. Mit 12 trat er ins Kloster ein und studierte bei mehreren Meistern die esoterische Lehre der Nyingma-Sekte und anderer Sekten. Im Sangphu-Kloster studierte er überdies die Kanons der exoterischen Lehre. Deshalb war er sowohl in der esoterischen als auch in der exoterischen Lehre bewandert, wofür er in den damaligen Kreisen des tibetischen Buddhismus sehr bekannt war. Er verfasste zahlreiche Werke, unter denen besonders das Werk über die 35 Arten von Nyingthig und die sieben Werke, die die Doktrin der großen Vollkommenheit interpretierten, hervorzuheben sind. In seinen letzten Jahren predigte er außerdem eine Lehre über akasa-anantya-ayatana (mystische Leere), eine schwer zu ergründende Lehre der Nyingma-Sekte, und machte sich um ihre Verbreitung verdient.
Darüber hinaus bildete Lungchen Rabshanpa zahlreiche Mönche aus, wodurch die Nyingma-Sekte an Stärke zunahm. Er hielt sich eine Zeit lang in Bhutan auf und ließ dort ein Kloster der Nyingma-Sekte errichten, was ihre Verbreitung nach Nepal begünstigte. In der Neuzeit kamen viele Mönche aus Bhutan und Nepal ins Gebieb Kang, wo sie im Dzogchen-Kloster die Lehre der Nyingma-Sekte studierten. Lungchen Rabshanpa verschied im Jahr 1363 mit 56 Jahren.
Im 17. Jahrhundert erlebte die Nyingma-Sekte mit der Unterstützung des fünften Dalai Lama einen weiteren Aufschwung in Tibet. Während das Dorje-Drak- und das Mindroling-Kloster ausgebaut wurden, ließ der fünfte Dalai Lama ein neues Kloster, das Kloster des Langlebigen Kontinents, bauen, in dem ausschließlich die Lehre der Nyingma-Sekte unterrichtet wurde. Daneben veranlasste er die Umwandlung des Lalung-Klosters, das von Dusumchenpa, dem Begründer der Garma Gagyu, in Lozhag, Bezirk Shannan, gebaut wurde, in ein Nyingma-KLoster umwandeln. Von der Zeit des fünften Dalai Lama an bat die tibetische Lokalregierung hochgebildete Mönche aus dem Samye-Kloster um ein Orakel oder darum, Verschonung vor dem Unheil zu erbitten, wenn es zum Krieg, zu einer Naturkatastrophe oder zu einer Epidemie kam. Dadurch erhöhte sich die soziale Stellung der Nyingma-Sekte in Tibet, und sie durchlebte in der Zeit des fünften Dalai Lama eine glänzende Periode ihrer Geschichte.