Paläste (1)
Paläste sind neben Tempeln und Klöstern die wichtigsten Bauten in Tibet, die in der Architekturgeschichte von Bedeutung sind. Es sind drei Stadien in der Entwicklungsgeschichte dieser Bauwerke zu unterscheiden: der Burgenbau, der Palastbau und schließlich die Kombination von Palast und Kloster.
Der Palast Yungbolhakhang im Kreis Nedong in Shannan ist der älteste dieser Art in Tibet. Er wurde zur Zeit Nyatri Tsanpos, des ersten Königs des Tubo-Reiches, etwa zu Beginn unserer Zeitrechnung, gebaut. Der majestätische Palast Yungbolhakhang steht auf einer schroff abfallenden Felswand. Abgesehen vom Dach, einer Erde-Holz-Konstruktion, ist der Palast ein massiver Steinbau. Er steht oberhalb einer Ebene, wo bereits in früher Zeit Ackerbau betrieben wurde. Eine einzige Steintreppe führt von der Ebene nach oben zur Burg, so dass sie sehr schwer zu erobern war. Man sagt, zehntausend Mann hätten sie nicht einmal einnehmen können, wenn ein guter Soldat sie zu verteidigen hätte. Dieser Palast ist eine typische Burg der alten Zeit, die durch die absolute Macht des Königtums charakterisiert ist.
Im 7. Jahrhundert ließ Songtsan Gampo, nachdem alle Stämme auf dem Qinghai-Tibet-Plateau im Tubo-Reich vereint waren, einen großen Palast bauen. Es handelt sich um den Vorläufer des weltbekannten Potala-Palastes. Da dieser im Jahr 1645 gründlich um- und ausgebaut wurde, wissen wir heute nur aus der überlieferten Literatur etwas über sein ursprüngliches Aussehen. Der Palast wurde auf dem Roten Berg erbaut, der auf der Lhasa-Ebene emporragt. Er hatte die typischen Merkmale einer Burg – war also leicht zu verteidigen, aber schwer einzunehmen. Die Palastgebäude waren von einer Mauer umgeben, in der sich vier Tore befanden. Vor jedem Tor stand ein Ehrenbogen, der mit Gebetsfahnen aus Seide mit Ochsenschwanz-Motiven geschmückt war. Der Palast ist ein neunstöckiges Bauwerk, in dem es 999 Räume und ein Dachgeschoss gibt; dazu zählen auch das Königsschloss und die Frauengemächer. Ein silberne Brücke verband Königsschloss und Frauengemächer. Auf dem Dach lagerten Speere und andere Waffen sowie zahlreiche Banner, die mit bunten Seidentroddeln geschmückt waren. Vor dem Osttor lag die herrlich ausgestattete Reitbahn des Königs.