Schon der berühmte chinesische Militärstratege Sun Zi erkannte die Wichtigkeit langfristiger Strategien: „Ohne langfristige Planung ist kurzfristiger Erfolg unmöglich, und ohne Berücksichtigung der Gesamtlage ist die Betrachtung einer Region nicht praktikabel.“ Die Ausbildung und Rekrutierung talentierter Menschen wird somit nicht nur zu einer Aufgabe des Bildungsministeriums, sondern zu einer Mission für die ganze Nation. Die Regierung hat durch die Errichtung von Servicestellen für chinesische Studierende im Ausland, die Gründung des Staatlichen Büros für Angelegenheiten ausländischer Experten, die Einführung individueller Anreize und eine Reform des Bildungssystems bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Trotzdem gibt es noch immer viel zu tun, um das Land zu einer echten Talentschmiede zu machen. Nun gilt es, ein Langzeitkonzept zu entwickeln. Hierfür setzt die chinesische Regierung unter anderem auf die Ausarbeitung ihrer Strategie zur „Stärkung des Landes durch Fachkräfte“, die Durchführung des „Tausend-Experten-Plans“ zur Rekrutierung von Fachkräften und die Bekanntmachung des „Grundrisses des nationalen Plans für die mittel- und langfristige Entwicklung von hoch qualifizierten Arbeitskräften“.
Vor allem mit ihrem „Tausend-Experten-Plan“ hat die Regierung jüngst national wie international große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ist im globalen Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte mutig nach vorne geprescht. Der Plan, mit dem die Regierung aktiv um in- und ausländische Talente buhlt und sie mit entsprechenden Privilegien lockt, ist auch ein wichtiger Schritt hin zur generellen Förderung talentierter Menschen, sowohl was ihre Ausbildung als auch die von ihnen entwickelten Innovationen angeht. Der „Tausend-Experten-Plan“ ist eine Langzeitstrategie, der mehr als die bloße Rekrutierung von einigen tausend hoch qualifizierten Spitzenkräften, die Gründung einiger hundert High-Tech-Unternehmen oder die Vollendung einiger wichtiger wissenschaftlich-technischer Projekte bedeutet. Mit dem Aufbau erstklassiger Forschungseinrichtungen allein ist es nicht getan. Ein akademisches und berufliches Umfeld für talentierte Menschen zu schaffen, in dem sie ihre Fähigkeiten voll zur Geltung bringen können, ist eine große Herausforderung, die die chinesische Regierung nun meistern muss. Der „Tausend-Experten-Plan“ ist sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es noch Nachbesserungsbedarf gibt.
Chinas Strategie ähnelt letztlich derjenigen der USA, dem derzeit größten Einwanderungsland für talentierte Arbeitskräfte und Fachleute aus aller Welt. Zwar setzen die Vereinigten Staaten nicht wie China auf ein Rekrutierungsprogramm, ihr berufsbegleitendes Einwanderungssystem aber funktioniert nach ähnlichen Prinzipien. Es gewährt Spitzenkräften bei der Vergabe von Einwanderungsvisa eine Vorzugsbehandlung, das gilt vor allem für außergewöhnliche Talente aus Wissenschaft, Technik, Kunst und Handel. Die US-Regierung räumt dabei Green-Card-Inhabern im Wesentlichen die gleichen Rechte und Privilegien ein wie den US-Bürgern. Lediglich das Wahlrecht wird ihnen verwährt und sie dürfen nicht für politische Ämter kandidieren. Aber davon ließen sich die Fachkräfte aus aller Welt bisher nicht abschrecken.
In China hingegen fehlt derzeit ein national einheitliches Einwanderungssystem. Bisher müssen bei der Anstellung ausländischer Fachkräfte individuelle Bestimmungen etwa bei der Unterkunft oder für Nachzugsregelungen von Familienangehörigen ausgehandelt werden. Es bestehen zwar meist bereits Bestimmungen auf nationaler oder regionaler Ebene, oft sind sie jedoch unvereinbar oder sogar widersprüchlich. In einigen Teilen des Landes erteilen die lokalen Regierungen qualifizierten Fachleuten Einwanderungsvisa. Diese Art chinesischer „Green Card“ ist bisher allerdings nur in denjenigen Städten gültig, die unter Verwaltung dieser Lokalregierungen stehen.
Angesichts der Größe der öffentlichen Institutionen und staatlichen Unternehmen in China wird der chinesischen Regierung wohl auch in Zukunft eine aktive Rolle bei der Ausbildung und Rekrutierung von Fach- und Führungskräften zukommen. Das Buhlen um kluge Köpfe auf dem internationalen Arbeitsmarkt gestaltet sich dabei viel komplizierter als der Wettkampf um materielle Ressourcen. China muss deshalb von der Einführung kurzfristiger Maßnahmen zum Aufbau eines Systems umschwenken, das der langfristigen Förderung talentierter Menschen dient. Hierfür besteht nicht nur Nachbesserungsbedarf, was die bestehenden Gesetze und Regelungen betrifft, sondern es muss auch ein fairer, transparenter, objektiver und demokratischer Mechanismus für den gesamten Ausbildungs-, Rekrutierungs- und Auswahlprozess internationaler Fach- und Führungskräfte geschaffen werden. China muss für internationale Spitzenkräfte noch attraktiver werden und ein verlässliches und personenunabhängiges System von Regelungen schaffen. So wird China nicht nur kluge Köpfe aus dem Ausland ins Land holen können, sondern zukünftig auch in der Lage sein, die eigenen intellektuellen Ressourcen voll auszuschöpfen.
*Wang Huiyao ist Direktor des Forschungszentrums für China und die Globalisierung, stellvertretender Vorsitzender der China Western Returned Scholars Association (WRSA) und Chef der Wirtschaftsabteilung der Beratenden Kommission für überseeische Experten im Büro für Angelegenheiten von Auslandschinesen beim Staatsrat. Außerdem ist Wang beratendes Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz der Stadt Beijing und Forscher an der Harvard Kennedy School. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen unter anderem „Contending for Talents“ und „Strategy: Talents Change the World“.
 |
Park für Existenzgründung für chinesische Heimkehrer, die im Ausland studiert haben |