„China heute": Was hat Sie persönlich denn nach Afrika geführt?
Xue: Ich bin bereits zu Beginn meiner diplomatischen Karriere nach Afrika gekommen; zunächst arbeitete ich in Ostafrika, später dann im Westen des Kontinents. Nach meinem Studienabschluss Ende 1974 wurde ich erst nach Madagaskar geschickt, wo ich 13 Jahre arbeitete und die Landessprache studierte. Nach meiner Rückkehr nach China war ich in der Afrika-Abteilung des Außenministeriums tätig und für die Angelegenheiten Ostafrikas zuständig. Danach arbeitete ich vier Jahre als Botschafter in Gabun. Jetzt bin ich hier in Kamerun.
„China heute": Wie erleben Sie die Kultur des Landes und den Austausch mit den Einheimischen?
Xue: Da fällt mir ein sehr passendes Zitat ein, das ich einmal gehört habe und dem ich nur zustimmen kann: „Bevor Sie das erste Mal nach Afrika kommen, mögen Sie vielleicht Angst haben. Aber wenn Sie erst einmal da sind, werden Sie sich in Afrika verlieben, und den Kontinent schmerzlich vermissen, sobald Sie ihn wieder verlassen." Afrika ist eine große Bühne für Ambitionierte. Die Afrikaner sind China und den Chinesen sehr wohl gesonnen und man kommt gut mit ihnen aus. Sowohl als Student in Madagaskar als auch als Botschafter in Kamerun habe ich diese Erfahrung gemacht. In den 1970er Jahren wurden die Werke Mao Zedongs „Über den Widerspruch" und „Über die Praxis" in den Lehrplan der Mittelschulen Madagaskars aufgenommen. Und noch heute gibt es viele Afrikaner, die den Vorsitzenden Mao lieben und verehren.
Afrika ist reich an Ressourcen, besitzt eine einzigartig Tradition und Kultur. Aus historischen Gründen konnte Afrika sein Potential noch nicht voll entfalten und liegt heute in vielen Bereichen zurück. Aber ich halte die Afrikaner für sehr intelligent. Viele meiner Studienkollegen aus Madagaskar haben heute wichtige Positionen in ihrem Land inne.
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Unabhängigkeitsdenkmal in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé |
„China heute": Wie beurteilen Sie das chinesische und das afrikanische Entwicklungsmodell im Vergleich?
Xue: Verglichen mit anderen Kontinenten ist Afrika noch etwas rückständiger. In den 1960er und 1970er Jahren gewannen die afrikanischen Länder eines nach dem anderen ihre Unabhängigkeit. Sie legten danach großen Wert auf die Erforschung neuer wirtschaftlicher und politischer Entwicklungsmodelle. Das war eine Phase, in der die Verstaatlichung sehr populär war. In den 1990er Jahren wurden Demokratisierung, Privatisierung und das Mehrparteien-System eingeführt. Afrika hat in den letzten 50 Jahren große Fortschritte gemacht, obwohl der Kontinent viele Aufruhre erlebt hat. Ich glaube, in den nächsten 50 Jahren wird sich der Kontinent weiter entwickeln und ausreifen. Die Afrikaner wissen selbst, dass sie ihr politisches und wirtschaftliches System verbessern und gleichzeitig nach ihren ganz eigenen, für sie geeigneten Wegen für die Entwicklung suchen müssen.
Auch China hat sein ganz eigenes, spezifisches Entwicklungsmodell, das an den Verhältnissen des eigenen Landes orientiert ist. Die Größe unserer Bevölkerung führt dazu, dass wir eine arbeitsintensive Wirtschaft haben. Chinas Entwicklungsmodell ist nicht auf Afrika übertragbar, obwohl einige Erfahrungen für Afrika sicherlich wertvoll sind. Hinzu kommt, dass der afrikanische Kontinent viele Staaten hat; in vielen afrikanischen Ländern herrschen ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren und ein einziges Modell blindlings anwenden. In Westafrika garantieren reichhaltige Ressourcen und die stabile politische Lage eine viel versprechende Zukunft, aber das braucht noch Zeit. Ich glaube, durch unermüdliche Anstrengungen wird es den afrikanischen Ländern gelingen, einen für sie geeigneten Entwicklungsweg zu finden. Ich bin mir sicher, dass wir ein afrikanisches Wunder erleben werden.
„China heute": Wir danken Ihnen für das Gespräch.