Die Gemeinde veröffentlichte daraufhin nicht nur alle Finanzausgaben im Detail auf der örtlichen Regierungswebsite. Auch wurde eine Liste der Ausgaben am Eingang der Gemeinderegierung ausgehängt, damit auch den Bürgern ohne Internetzugang eine Prüfung möglich war. Seit nunmehr einem Jahr hängt die Gemeinde jeden Monat eine solche Liste aus. Und die Aktion zeigt Wirkung: Machten beispielsweise die Bewirtungskosten im Januar 2010 noch rund 4500 Yuan, also mehr als die Hälfte der monatlichen Gesamtausgaben aus, lagen sie im Januar 2011 bei nur noch 750 Yuan, nur etwas mehr als einem Prozent der Monatsausgaben. „Dieser Wandel ist eindeutig auf die Veröffentlichung der Zahlen zurückzuführen“, ist sich Zhang sicher. Im Vergleich zu 2009 konnten so die Bewirtungskosten im Jahr 2010 um mehr als 20 000 Yuan, die Reisekosten um über 10 000 Yuan und die Finanzausgaben um mehr als 30 000 Yuan reduziert werden. „Das mögen zwar für sich genommen keine riesigen Summen sein, aber in Anbetracht dessen, dass unser Haushaltsbudget 2010 nur 120 000 Yuan betrug, ist es ein großer Erfolg“, so Zhang.
Ein Vorbild für das ganze Land?
Die Transparenzinitiative Baimiaos hat landesweit für Aufsehen gesorgt. Viele Chinesen befürworten den Vorstoß der Gemeinde. Im Juni 2010 weitete der Bezirk Bazhou die Aktion, wie im Plan „Regierung im Sonnenlicht“ vorgesehen, auf alle 48 Gemeinden und drei Straßenkomitees des Bezirks aus. Dutzende Medienanstalten berichteten über das Vorgehen. Man hoffte sogar, dass die Gemeinde Baimiao ein Muster für die politische Umstrukturierung werden konnte.
 |
Die Gemeinde Baimiao arbeitet mit einem Pharmaunternehmen für TCM in Chengdu zusammen. Das Bild zeigt Setzlinge des Wohlriechenden Geißblattes, ein chinesisches Heilkraut, in Baimiao, für deren Ankauf und Vertrieb das Pharmaunternehmen zuständig ist. |
Bei Recherchen vor Ort in Bazhou mussten unsere Journalisten von „China heute“ allerdings feststellen, dass es durchaus noch Verbesserungspotential gibt. So veröffentlichten beispielsweise manche Gemeinderegierungen lediglich die Gesamtsumme der Ausgaben eines jeweiligen Postens, zum Beispiel die Gesamtsumme der Verwaltungs-, Bewirtungs- oder Verkehrskosten. Auf Nachfrage hieß es, dass die genauen Aufschlüsselungen in einem Büro des Regierungsgebäudes auslägen, angeblich weil das Anschlagbrett „zu klein“ ist.
Die Gemeinde Qingjiang folgte dem Beispiel Baimiaos und veröffentlichte ihre Ausgaben zunächst regelmäßig auf ihrer Internetseite. Allerdings wurden auch hier keine Einzelheiten genannt. Auch waren nur Informationen bis Oktober 2010 zugänglich. Auf Nachfrage erklärte man uns, der für das Hochladen zuständige Mitarbeiter arbeite mittlerweise nicht mehr dort. Ob die Ausgaben zukünftig weiterhin im Internet veröffentlicht werden könnten, stehe noch nicht fest.
In Liulin versuchten unsere Journalisten vergeblich, einen detaillierten Einblick in die Finanzausgaben der Gemeinde zu bekommen. Ein Mitarbeiter verwies an den Büroleiter der Gemeinderegierung. Dieser reagierte jedoch nicht auf unsere Anfragen.
Konfrontiert mit unseren Rechercheergebnissen erklärte ein Beamter der Bezirksregierung Bazhou: „Das Volk kümmert sich nicht besonders darum, wo und wie die Gelder der Regierung ausgegeben werden.“ Die Bevölkerung interessiere sich für die Angelegenheiten, die mit ihren Interessen in engem Zusammenhang stünden. Zum Beispiel die Begünstigungspolitik für Landwirte und die Umsetzung verschiedener Subventionsprogramme. Darauf liege auch der Schwerpunkt der Arbeit, was die Transparenz der Regierungsarbeit angehe. Und hier habe man gute Arbeit geleistet. „Wir können nicht verstehen, warum alle ihren Blick nur auf die Gemeinde Baimiao richten“, sagte man uns.
Die Offenlegung der Finanzausgaben trifft nicht nur auf Zustimmung, es gibt auch kritische Stimmen. Die Wirtschaft des ganzen Bezirks Bazhou sei unterentwickelt und die Gemeinden hätten jedes Jahr Finanzlücken. Allein der Geldmangel würde Korruption praktisch ausschließen, so die Kritiker. Es mache von daher keinen Unterschied, ob die Finanzausgaben veröffentlicht würden oder nicht. Kritiker zweifeln auch an der Notwendigkeit, die Finanzausgaben einer Gemeinde nicht nur den eigenen Einwohnern, sondern der Bevölkerung des ganzen Landes offen zu legen. Das setze die jeweilige Gemeinde unnötig unter Druck. Außerdem sei es fraglich, ob eine derartige generelle Offenlegung der Finanzausgaben lokaler Regierungen nicht das Staatsgeheimnis verletze.
Für Wang Guoqi sind solche Kontroversen völlig unverständlich: „Die Handlungsweise der Gemeinde Baimiao entspricht nicht nur den politischen Bestimmungen, sie wird auch von der breiten Bevölkerung begrüßt. Alles hat seine Richtigkeit. Ich kann die ganze Kritik nicht verstehen.“ Die Verantwortlichen der Regierungen des Bezirks Bazhou und der Stadt Bazhong standen leider nicht für ein Interview zur Verfügung. Man sei „sehr beschäftigt“ und habe keine Zeit für Interviewanfragen, so ein Sprecher gegenüber „China heute“.
 |
Ein Mitarbeiter lädt in diesem schlichten Büro die Regierungsinformationen ins Internet hoch. |