„Aus großem Druck entsteht auch große Triebkraft“ – Familie Hao wagt den Umzug vom Land nach Beijing

Von Hou Ruili

Am 3. Februar begann das chinesische neue Jahr – das Jahr des Hasen. Ein besonderer Tag auch für die kleine Hao Lele. Zum ersten Mal nahm das Mädchen mit ihren eineinhalb Jahren in diesem Jahr an der traditionellen Neujahrszeremonie im Ahnentempel ihrer Familie im Dorf Shengli, in einer abgelegenen Gemeinde in der Provinz Anhui, teil. Ihr Vater Hao Liuyan und die Mutter Hu Ying wollten, dass die Kleine schon früh die Wurzeln ihrer Familie und die Verwandtschaft kennen lernt. Aus Shengli ist der Name Hao nicht wegzudenken – alle Bewohner des Dorfes tragen diesen Familiennamen. Stolz erzählten die Großeltern der kleinen Lele von der langen Familiengeschichte. Lele, ihre Eltern und auch die Großeltern haben das kleine Dorf mittlerweile verlassen und leben nun in Chinas Hauptstadt Beijing.

Hao Liuyan ist ein Einzelkind und heute 36 Jahre alt. Nachdem er ein Studium an der Anhuier Fachhochschule für Rundfunk und Fernsehen absolviert hatte, ging er vor sechs Jahren nach Beijing und arbeitet seither bei der GmbH Elane, einer Firma, die sich auf Anlagen zur Erschließung von Ölfeldern spezialisiert hat. Mit seiner Ehefrau Hu Ying, die aus einem Nachbardorf Shenglis stammt, hat er eine gemeinsame Tochter. Das Paar gab dem Kind den Namen Lele (zu Deutsch: doppelte Freude). Um sich um die Enkeltochter zu kümmern, sind schließlich auch Hao Liuyans Eltern nach Beijing gezogen; sie haben ihren Haushalt in Shengli aufgelöst. Auch die Enkeltochter ist, entsprechend der chinesischen Politik der Familienplanung, ein Einzelkind. Den Großeltern lag es deshalb besonders am Herzen, eine Zeremonie im Ahnentempel in ihrer Heimat zu veranstalten, damit dieser jüngste Abkomme der Familie den Ahnen der Sippe ihre Ehre erweisen und die Verwandtschaft kennen lernen konnte. Die Feierlichkeiten waren sehr aufwendig. Neben der Ausführung von Ritualen der Ahnenverehrung wurden Knallfrösche angezündet und es gab ein großes Festmahl mit der ganzen Verwandtschaft. Die Kosten beliefen sich alles in allem auf mehr als 10 000 Yuan, die Herr Hao komplett übernahm. Als Produktionsinspekteur verdient er gerade etwas mehr als 5 000 Yuan im Monat. Seine Frau, Kauffrau bei einer Handelsfirma für High-Tech-Produkte, steuert etwas mehr als 3 000 Yuan zum Familienbudget bei.

Die Haos träumen von einer eigenen Wohnung

Nach den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel kehrte die fünfköpfige Familie wieder nach Beijing zurück. Familie Hao wohnt dort in einer Mietwohnung mit 50 Quadratmetern außerhalb der vierten Ringstraße, ziemlich weit von der Stadtmitte Beijings entfernt. Die Jahresmiete beträgt 16 000 Yuan und macht etwa 20% des Jahreseinkommens des Ehepaars aus. Um Geld zu sparen, haben die Haos alle Renovierungsarbeiten selbst vorgenommen und in Eigenregie notwendige Haushaltgeräte wie einen Wasserboiler oder die Dunstabzugshaube für die Küche installiert. Im Sommer planen sie, einen Kühlschrank und eine Klimaanlage zu kaufen.

Zunächst planten Herr Hao und seine Frau, eine Eigentumswohnung zu kaufen. Lange studierten sie die Angebote, besichtigten Wohnungen. Bis zu 700 000 Yuan waren sie bereit, für ein gebrauchtes Apartment zu zahlen. Aber für eine Wohnung in der Stadt reichte dieses Budget hinten und vorne nicht. Für 700 000 Yuan kann man sich gerade mal eine Eigentumswohnung in einem der Vororte Beijings leisten, sehr abgelegen vom Zentrum. In der Innenstadt muss man heute selbst für eine Wohnung aus zweiter Hand mindestens eine Million Yuan hinblättern. „Mein Mann und ich stammen vom Land. Hier in Beijing stellt die Wohnungsfrage für uns das größte Problem dar, denn wir können keine finanzielle Unterstützung von unseren Eltern bekommen“, sagt die 31-jährige Hu Ying „Die Wohnungspreise schnellen heute immer weiter in die Höhe. Es ist unrealistisch, mit unserem Gehalt eine Wohnung in der Stadt zu kaufen.“ Wenn aber die Wohnung sehr weit außerhalb liege, dann gehe täglich viel Zeit für das Pendeln zum Arbeitsplatz verloren. „Das Leben wird dann sehr stressig und man büßt ein gutes Stück Lebensqualität ein“, beschreibt Hu Ying die Situation.

Wie beschäftigt auch immer, versucht Hu Ying möglichst viel Zeit mit dem Kind zu verbringen.

Vor einigen Jahren hat Herr Hao 110 000 Yuan in den Bau eines zweistöckigen Hauses in seinem Heimatdorf investiert. Darin wohnten einst seine Eltern. Diese sind heute noch gegen den Plan ihres Sohnes, eine Wohnung in Beijing zu kaufen, und hoffen, dass er mit Frau und Tochter später ins Dorf zurückkehrt. Aber für das Ehepaar ist das keine Option.

„Früher hatten wir einmal die Idee, eine Eigentumswohnung in Hefei, der Provinzhauptstadt von Anhui, zu kaufen, zumal unsere Heimat nicht weit davon entfernt liegt. Wir brauchen schließlich ein eigenes Zuhause“, erzählt Hu Ying. „Wenn meine Tochter später nicht in Beijing studieren kann, dann könnten wir immerhin nach Anhui zurückkehren“, so die Gedanken der Mutter damals. Nachdem die Haos aber Erkundigungen eingeholt hatten, mussten sie feststellen, dass sie gar nicht berechtigt sind, eine Eigentumswohnung in der Provinzhauptstadt zu erwerben. Nur wer eine Steuerbescheinigung für ein Jahr für diese Stadt vorweisen kann, darf dort ein Apartment kaufen.