Suche nach der eigenen Position in der Stadt
Im Jahr 1997 bauten Zhang Wanxu und seine Frau ein neues Haus in ihrem Heimatdorf. Dieses 200 Quadratmeter große Haus hat alle ihre Einkünfte in den vergangenen sechs Jahren und fast alle Ersparnisse beider Eltern verschlungen. Die vier Mitglieder der Familie Zhang haben keinen eingetragenen ständigen Wohnsitz in der Stadt, so dass sie Anspruch auf ein Grundstück in ihrer Heimat haben, um darauf ein Haus zu bauen. Außerdem hat das Ehepaar noch verschiedene Arten von Versicherungen abgeschlossen. Zhang Wanxu erklärt: „Wir wissen, dass wir nicht wirklich zu den Städtern gehören. Wenn wir alt sind, kehren wir wieder in unser Dorf zurück. In der Stadt dienen wir nur den anderen, und alles ist vorläufig. Aber wir sind froh, dies gemacht zu haben, und bereuen nichts, denn in vielerlei Hinsicht geht es uns hier viel besser als in unserem Heimatdorf.“
Nur 10% der bäuerlichen Wanderarbeiter können sich dank ihres technischen Know-hows oder ihrer Management-Fähigkeiten in der Stadt niederlassen. Das Ehepaar Zhang betreibt eine Schneiderei in Beijing und das Jahreseinkommen erreicht 60 000 bis 70 000 Yuan, das ist zehnmal so hoch wie das Einkommen durch die landwirtschaftliche Arbeit. Die Mehrheit der ersten Generation von bäuerlichen Wanderarbeitern ist in ihre Heimat zurückgekehrt und führt wieder ein einfaches Leben. Zhang Wanxu hofft, dass seine Kinder in der Heimat heiraten, weil er und seine Frau sehr gern bereit sind, den Enkel oder die Enkelin zu betreuen. Aber dieser Traum scheint mehr denn je außer Reichweite zu sein. Die beide beginnen zu bedauern, dass sie ein so großes Haus gebaut haben.
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Zhang Qianru und ihre Eltern vor ihrer Schneiderei in Beijing |
Ein Jahr nach ihrer Ankunft in Beijing hat Zhang Qianru erkannt: „Meine Eltern litten viele Entbehrungen, doch sie sind zufrieden mit ihrem sparsamen Leben. Aber ich kann solche Entbehrungen nicht ertragen. Ich habe keinen Plan für den Aufbau eines eigenen Geschäfts. Aber es ist für mich auch unmöglich, in mein Heimatdorf zurückzugehen und dort ein einfaches Leben zu führen. Daher muss ich meinen eigenen Weg in der Stadt machen.“
Durch die Empfehlung ihrer Schulfreundin bekam Zhang Qianru einen Arbeitsplatz, um den sie viele Hochschulabsolventen sehr beneideten. Sie arbeitet jetzt als Assistentin einer Forscherin in einem Forschungsbüro für Optik an der Chinesischen Akademie für Meteorologie. Weil sie keinen festen Wohnsitz in Beijing hat und auch ihre akademische Bildung nicht ausreicht, um eine bessere Position zu erhalten, verdient sie als Aushilfskraft nur 1500 Yuan pro Monat. Glücklicherweise ist das Büro geräumig und die Arbeit nicht sehr anstrengend. Die Vergünstigungen sind ein kostenloses Mittagessen und die Möglichkeit, am Wissen und den sozialen Erfahrungen der Forscherin zu partizipieren.
Wegen ihres sanguinischen Temperaments und ihrer Klugheit hat sich ihre Chefin – eine promovierte Frau, die 12 Jahre älter als sie ist – schnell mit ihr angefreundet. Die Chefin hat ihr vorgeschlagen, ihr Bachelor-Studium fortzusetzen, was ihr einen Hinweis auf eine bestimmte Karriererichtung gegeben hat. „Obwohl ich meiner Arbeit gewachsen bin, kann ich wegen meiner niedrigeren akademischen Ausbildung meinen Arbeitsvertrag nicht ohne weiteres verlängern. Aber wenn ich das vierjährige Bachelor-Studium abgeschlossen habe und formell bei der Arbeitseinheit angestellt werde, werde ich doppelt verdienen“, sagte Zhang Qianru.
Eine von dem Allchinesischen Gewerkschaftsbund durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Kinder der bäuerlichen Wanderarbeiter, die die Mittelschule absolviert haben, noch keine genügende Fähigkeit zur Festlegung konkreter Karriereziele besitzen, wenn sie mit den zahlreichen fluktuierenden Informationen im komplexen gesellschaftlichen Umfeld konfrontiert sind. Mit einer geringeren Widerstandskraft gegen Rückschläge, die vermutlich durch die Miniaturisierung von Familien verstärkt wurde, haben sie eine viel niedrigere Kapazität zur Planung und Realisierung ihrer beruflichen Ziele. Aber sie haben einen starken Wunsch zur fachlichen Fortbildung. Laut der Umfrage wollen 69,7% der Befragten technisches Know-how erlernen, 54,7% der Befragten haben ihr Interesse an Rechtsfragen zum Ausdruck gebracht und 47,8% wollen ihr Allgemeinwissen verbessern. Solche Fortbildungen werden ihre berufliche Entwicklung positiv beeinflussen.
Auch angesichts der Millionen von Hochschulabsolventen, die eine Beschäftigung in Beijing finden wollen, ist Zhang Qianru selbstbewusst und optimistisch. Im Alter von 15 Jahren, als sie zum ersten Mal als Internatsschülerin in die Stadt Shenyang kam, hat sie schon gelernt, mit den anderen gut zu kommunizieren. Das ist ein wichtiges Mittel zum Überleben. „In dieser Hinsicht sind meine Mitbewerber nicht so qualifiziert wie ich“, meinte sie.