„Wichtig ist die familiäre Atmosphäre“

Zu Besuch bei Expo-Familien

Von Zhang Man, Gong Han und Li Yue

Während der Expo 2010 werden in Shanghai voraussichtlich 70 Millionen Gäste erwartet. Für ausländische Besucher ist neben dem Besuch des Expo-Geländes die Unterkunft in einer „Expo-Familie“ sicher eine gute Gelegenheit, dem Leben der Shanghaier näher zu kommen.

Aufgrund der erfolgreichen Erfahrungen der „Olympia-Familien“ in Beijing vor zwei Jahren und auf der Basis der Community stellen die „Expo-Familien“ den Gästen nicht nur Verpflegungs- und Unterkunftsmöglichkeiten sowie touristische Beratung zur Verfügung, sondern tragen auch zum Kulturaustausch bei, wodurch man das Alltagsleben der Einheimischen in Shanghai unter dem Motto „Better City, Better Life“ besser kennen lernen kann.

Die ausgewählten 500 „Expo-Familien“ leben hauptsächlich in den Bezirken Zhabei, Jing’an, Luwan und Huangpu und weisen jeweils ihre eigenen Besonderheiten auf: Sie sind u. a. Opernliebhaber, Sammler oder Hobbyfotografen.

Kurz vor der Eröffnung der Expo haben die Journalisten von „China heute“ einige „Expo-Familien“ in den Bezirken Jing’an und Zhabei besucht.

Li Zongrong: „Wir zeigen ihnen eine wahrhafte Shanghaier Familie.“

Dass sich seine Familie bei der Auswahl der „Expo-Familien“ von den anderen tausend Familien in der Community Caojiadu im Bezirk Jing’an abheben konnte, so Li Zongrong, sei die Liebe seiner Familie zum Sport zu verdanken.

Der fast 70-jährige Li war vor seinem Ruhestand Mittelschulrektor und seine Frau Sportlehrerin an einer Mittelschule. Sie sind beide aktive Sportliebhaber. In ihrer Wohnung ist eigens ein Fitnessraum eingerichtet: In der Mitte steht ein Tischtennistisch, an der Wand hängt eine Dartscheibe mit Pfeilen, in der Ecke befindet sich ein kleiner Basketballständer neben anderen Sportgeräten.

Besonders auffallend ist im Zimmer ein großes Regal an einer Wand, in dem eine Sammlung von fast 100 Fahrzeugmodellen ausgestellt ist, darunter Modelle ausländischer klassischer Autos, aber auch chinesische Fahrzeuge wie der Militärtransporter Jiefang und der in Shanghai produzierte Santana von VW. Neben den Fahrzeugmodellen sind auch die Modelle der von China selbst entwickelten Raketen „Langer Marsch“ und des einstrahligen, allwetterfähigen Mehrzweckkampfflugzeuges Jian-10 zu sehen.

Seinen Ruhestand will der heitere Li Zongrong nicht müßig verbringen. Er ist nun als Kontrolleur in Sachen polizeiliche Moral und Disziplin im Bezirk Jing’an tätig und besucht oft Ausstellungen. „Shanghai ist eine Stadt, in der verschiedene Kulturen miteinander verschmelzen. Hier finden oft Ausstellungen von allgemeinem Interesse statt, die ich gern besuche. Denn dadurch kann ich nicht nur meine Kenntnisse erweitern, sondern als Hobbyfotograf auch Motive zum Fotografieren finden. Darüber hinaus sehe ich den Besuch auch als Beitrag zu meiner körperlichen Fitness an.“

Zum 300-Tage-Countdown der Expo begann das Straßenkomitee von Li Zongrong mit der Auswahl der „Expo-Familien“. Mit voller Unterstützung seiner Familienmitglieder meldete er sich sofort an und seine Familie wurde erfolgreich ausgewählt. Von da an setzte er seine ganze Kraft für die Empfangsvorbereitungen ein.

Ein großes Hindernis für ihn war die Sprache. Er nannte sich scherzhaft einen „Englisch-Analphabeten“, da er an der Uni nur Russisch gelernt hatte. Daher bat er seine Tochter, die in einem ausländischen Unternehmen arbeitet, ihm ein paar englische Wörter beizubringen, und nahm zudem auch an einem Englisch-Kurs teil. Die Mühe hat sich gelohnt: Es ist ihm gelungen, sich mit Gesten und den gelernten englischen Wörtern mit den bei ihnen untergebrachten ausländischen Gästen zu verständigen.

Parallel zum Englischlernen hat Li Zongrong zahlreiche Expo-Berichte in den Zeitungen und auf den Webseiten gelesen und sich über die Sitten und Gebräuche anderer Länder informiert. Seine Frau fertigt zu Hause mit kleinen Perlen Haibao- Figuren, das offizielle Expo-Maskottchen.

Als eine „Expo-Familie“ hat Lis Familie schon ein paar Mal ausländische Gäste empfangen. Besonders tief beeindruckt hat sie eine gemeinsame Journalistendelegation aus Europa. Die Journalisten aus Griechenland, Österreich und der Schweiz haben ihn und seine Familienmitglieder intensiv interviewt.

Auf die Frage „Was halten Sie von der Vergangenheit und Gegenwart Chinas?“ antwortete Li kurz und bündig: „Abgeschlossenheit, Rückständigkeit, Reform und Öffnung, wirtschaftliche Entwicklung“. Das um 20 Minuten verlängerte Interview war von Freude und Weisheit erfüllt.

Vor kurzem war der spanische staatliche Fernsehsender bei ihnen zu Gast. Lis Frau hat der Moderatorin ein von ihr handgemachtes Haibao geschenkt, was die Spanierin besonders gefreut hat. Gemeinsam standen sie dann in der Küche und bereiteten mit großer Lust chinesische Speisen zu.

Als wir davon sprachen, zeigte Li Zongrong ein fröhliches Lächeln: „Wir zeigen ihnen zwar nicht eine perfekte, aber eine wahrhafte Shanghaier Familie.“

In den nächsten Monaten während der Expo wird sich die ganze Familie auf den Empfang der Gäste konzentrieren: „Das ist das Allerwichtigste in unserer Familie.“