Obwohl sich die Anfertigung der Übersetzung als eine Wissenschaft für sich entpuppte, konnte Zhang Xu von dieser Zeit profitieren und viele Kontakte zu führenden Medizinern auf dem Gebiet der Urologie knüpfen. Heute ist der Atlas auch für die Mehrheit der chinesischen Chirurgen ein Standardwerk.
Von dem Erfolg des Buches ermutigt, begann Dr. Zhang die aktuellen Entwicklungen in der internationalen Medizinwelt noch genauer zu verfolgen. Im März 1987 erfuhr er, dass es dem französischen Arzt Philipe Mouret gelungen war, die erste laparoskopische Gallenblasenentfernung durchzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die laparoskopische Chirurgie zwar bereits zu Testzwecken, aber nie als Behandlungsmethode eingesetzt worden. Zhang Xu wurde bewusst, dass hier eine medizinische Revolution im Gange war; die moderne minimalinvasive Chirurgie würde in den nächsten Jahren die Behandlungsmethoden rund um den Globus verändern. Die minimalinvasive Chirurgie macht die Eingriffe verhältnismäßig weniger schmerzhaft und verkürzt die Genesungszeit wesentlich. Vorteile, auf die nur wenige Patienten verzichten möchten.
Diese Entwicklung voraussehend, investierte Dr. Zhang einen großen Teil seiner Freizeit in das Studium dieser in China noch wenig bekannten Methode und wurde noch einmal zum Medizinstudenten: Vorsichtig, mit Experimenten an plastischen Modellen und Tieren oder durch das Auswerten anatomischer Strukturen durch eine Kameralinse, näherte er sich schrittweise der neuen Technik an. Nachdem er die Anwendungen von laparoskopischer Chirurgie im Ausland hinreichend studiert hatte, begann Zhang schließlich mit der Umsetzung seiner eigenen Versionen: In einem Zeitraum von 2000 bis heute entwickelte er zwei Dutzend lapraskopische Methoden, die in über 5000 operativen Eingriffen eingesetzt wurden. Es brauchte acht Jahre zur Fertigstellung „seines" Atlas der urologische lapraskopischen Chirurgie, ein weiterer Beweis für Zhang Xus Hang zum Perfektionismus.
Auf die Frage nach seiner riskanten Entscheidung, in einem wenig erforschten akademischen Feld zu arbeiten, sagt er knapp: „Man sollte wissen, wann es an der Zeit ist, ein Opfer zu bringen, denn oft muss man erst etwas aufgeben, um etwas anderes zu bekommen." 2008 lud das Allgemeinkrankenhaus der Volksbefreiungsarmee in Beijing Zhang Xu ein, Leiter der Urologie zu werden. „Unter seiner Leitung hat die Abteilung innerhalb von wenigen Jahren Fortschritte gemacht, für die wir andernfalls zwei Jahrzehnte gebraucht hätten", sagt Chen Guangfu, stellvertretender Chef der Abteilung für Urologie. „Bei seiner ersten Vorführung einer Nephrektomie blieb einigen der Mund offen stehen. Die Nephrektomie als offenen Eingriff durchzuführen, ist sehr riskant und kann bis zu zwei Stunden dauern. Dr. Zhang benutzte das Lapraskop und war innerhalb von zwanzig Minuten fertig."
Das Allgemeinkrankenhaus der Volksbefreiungsarmee - eines der renommierten Krankenhäuser Chinas - weiß um den Wert der Arbeit von Dr. Zhang. Seine Anerkennung drückt es mit der Bereitstellung notwendiger Ressourcen für das weitere Wachstum aus. „Alle Ärzte in meiner Abteilung sind ausgezeichnet ausgebildet. Ich hoffe, wir können unsere Stärke nutzen und das PLAGH zu einer Marke für wissenschaftliche Forschung, klinische Theorie und Praxis machen. Meine Rolle dabei verstehe ich als eine Art Brücke oder Sprungbrett für die nächste Generation. Ich helfe, unsere angehenden Ärzte auf den Weg zu neuen Höhen zu bringen."
Sei ein guter Arzt
„Sei ein guter Arzt" lautet das Motto, das Zhang Xu seinen jüngeren Kollegen immer wieder mit auf den Weg gibt. Sein guter Ruf auf dem Gebiet der Urologie führt dazu, dass Patienten aus dem ganzen Land seinen Rat suchen, um sich anschließend in die endlos langen Wartelisten für eine OP bei Dr. Zhang einzutragen. Manchmal nimmt Zhang bis zu acht Eingriffe an einem Tag vor. Den Druck sieht Dr. Zhang optimistisch. „Gute Technologie sollte in der Lage sein, vielen Menschen zu helfen." Außerhalb des Operationssaals reserviert Dr. Zhang Zeit für noch mehr Experimente mit Labortieren und forscht nach weiteren Methoden, die noch schneller, noch sicherer sind. Daneben organisiert er Seminare, Vorlesungen, praktische Demonstrationen und Trainingskurse in medizinischen Hochschulen und Krankenhäusern in ganz China.
Eines der Haupthindernisse für die Verbreitung der laparoskopischen Chirurgie ist ihr Preis: Die für die Eingriffe essentielle Ausrüstung muss importiert werden. Um die Technologie für mehr Patienten zugänglich zu machen, entwarf Zhang Xu daher mehrere ökonomische Modelle, die den Preis für eine Nieren-, Blasen- oder Prostataoperation auf 4500 Yuan (umgerechnet rund 480 Euro) senken. Viele bewundern Zhangs Belastbarkeit und seinen Umgang mit dem außergewöhnlich hohen Stress. Sein Geheimnis, sagt er, sei seine unkonventionelle Herangehensweise an die zu bewältigenden Aufgaben: „Operationen durchzuführen ist mein Hobby. Ich bin bei jedem Eingriff wie neu verliebt und arbeite mich durch die einzelnen Operationsphasen ganz ähnlich wie ein Künstler sein Meisterwerk entstehen lässt. Und ich genieße die Freude, einen Patienten heilen zu können." In den Augen seiner Kollegen ist Zhang Xu der geborene Arzt.
