„China Today" wird 60 – Teil 2: Mit viel Herzblut zum einflussreichen mehrsprachigen Magazin – Ein Gespräch mit Zeitzeuge Lu Ping
Notiert von Shen Hai
Sung Tjing-Ling, die Witwe Sun Yat-sens, war die Begründerin von „China Reconstructs". Durch ihr Engagement leistete Sung, die auch als „Madame Sun Yat-sen" bekannt ist, einen bedeutenden Beitrag für den Aufbau des Neuen China.
Sung legte besonderes Augenmerk auf die Bekanntmachung und den Vertrieb des Magazins. Sie drängte deshalb ihre Freundin Talitha Gerlach aus den USA nach China zurückzukehren. Gerlach sollte die Verantwortung für Verbreitung und Vertrieb der Zeitschrift übernehmen. Sung bestand außerdem darauf, in Sachen Distribution einen ganz eigenen Weg einzuschlagen: Damals arbeiteten alle an das Ausland gerichteten Publikationen, Magazine wie Bücher, eng mit dem internationalen Buchhandel zusammen. Sung allerdings bestand darauf, dass „China Reconstructs" seinen Charakter als Kommunikationsorgan zwischen den Völkern auch beim Vertriebsmodell besonders herausstellen sollte. Sie strebte nach einer höheren Effizienz bei der Verbreitung. Die Distribution sollte in Eigenregie erfolgen, vor allem unabhängig von den Regierungskanälen. Sung hielt auch daran fest, weiterhin eigenhändig Artikel für das Magazin zu schreiben sowie Gastbeiträge berühmter Persönlichkeiten zu veröffentlichen. Die Zeitschrift wurde schließlich im Namen von Lin Tai per Post an die ausländische Leserschaft verschickt – Sung leistete damit Pionierarbeit in Sachen Distribution.
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Ausländische Experten und chinesische Mitarbeiter von „China Reconstructs" bei einem Betriebsausflug |
Die Vorteile der Entscheidung, den Vertrieb des Magazins selbst zu übernehmen, lagen auf der Hand: Erstens war es auf diese Weise möglich, einen direkten Kontakt zur Leserschaft herzustellen. Durch die Briefe der Leser hatten wir gleichzeitig die Chance, ihre Wünsche und Vorlieben kennen zu lernen. Das half uns, die Richtung und die Inhalte unserer Berichterstattung besser an die Bedürfnisse der Leser anzupassen. Außerdem galt bei uns die Regel, dass kein Brief unbeantwortet bleiben durfte, innerhalb von höchstens zwei Wochen sollten alle Zuschriften erwidert werden. Wir griffen unseren Lesern dabei auch anderweitig unter die Arme, etwa wenn sie spezielle Anfragen an uns richteten. Wir gaben beispielsweise Reisetipps oder halfen ihnen, bestimmte Waren zu erwerben. Das half uns, den Abstand zu unserem Publikum deutlich zu verkürzen. Letztlich erlaubte es das neue Vertriebsmodell, den gesamten Prozess der Verbreitung und Distribution zu intensivieren. Wir hielten deshalb stets daran fest, selbst die Verantwortung für den Vertrieb unserer Zeitschrift zu übernehmen. So konnten wir in Anlehnung an den spezifischen Charakter des Magazins bestimmte Projekte zu Verbreitung und Distribution planen und etwa Werbeaktionen umsetzen, die die Leserschaft ganz direkt ansprachen. Der ganze Verlag betrachtete diese Arbeit als wichtige Aufgabe, alle waren daran beteiligt, über alle Hierarchiestufen. Ich erinnere mich noch, wie wir damals etwa in Eigenregie Stände bei internationalen Konferenzen aufbauten, um unser Magazin vorzustellen.
Und der Erfolg des Modells gab Sung recht: Damals verfügte „China Reconstructs" über die höchsten Vertriebszahlen. Der Zeitschrift gelang es damals auch als einzigem chinesischen Magazin überhaupt, auf dem amerikanischen Markt mitzumischen. Es schaffte den Sprung in die Buchläden und Zeitungskioske der USA. Der nicht-offizielle Charakter des Magazins spielte dabei eine entscheidende Rolle, betonte Sung immer wieder.
Und auch der damalige Ministerpräsident Zhou Enlai ermahnte uns mehrfach, am Konzept des nicht-offiziellen Magazins festzuhalten. Wir dürften nie aus den Augen verlieren, dass es Sung Tjing-Ling war, die das Magazin herausgab, und „China Reconstructs" von daher kein Sprachrohr der Regierung war, sagte er. Wir dürften deshalb auch keine zu hohen und komplizierten Töne anschlagen. Das Magazin sollte auch in Zukunft Sprache und Stil von „Madame Sun Yat-sen" tragen und keinen hochpolitischen Charakter haben. Man müsse klare Unterschiede bei der Berichterstattung für das In- und das Ausland machen, befand Zhou Enlai. Wir sollten deshalb unseren ganz eigenen Stil und Charakter beibehalten, nämlich den von Sung Tjing-Ling. Auch andere einflussreiche Persönlichkeiten der damaligen Zeit wie Chen Yi oder Liao Chengzhi unterstrichen wiederholt, dass unser Magazin der Welt wahre Nachrichten über das Neue China präsentieren sollte. „Fakten sagen mehr als Worte" gab Chen Yi der Zeitschrift einmal mit auf den Weg – wir sollten den wahren Begebenheiten ins Auge blicken.
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Zhou Enlai, Sun Tjing-Ling und andere führende Persönlichkeiten des Staates besuchen die Redaktion von „China Reconstructs". |
Das „Re" im Titel „China Reconstructs", den Sung gewählt hatte, stand für das Neue, einen Neuanfang. Das Magazin sollte zum Spiegel der Erfolge des Neuen China werden, das war das Ziel der Publikation. Darüber waren wir uns stets bewusst.