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Ines Brunn – Tänzerin auf dem Velo
Von Dong Ning Mit den Händen Essstäbchen gekonnt balancieren, mit der Zunge chinesische Worte formen, mit dem Fahrrad akrobatische Kunststücke aufführen – für Ines Brunn ist das alles keine große Sache, ein Kinderspiel quasi. Jeden Morgen schlängelt sich die junge Deutsche auf ihrem Lieblingsfahrrad quer durch die Gassen Beijings. Genau in einer solchen typischen Beijinger Gasse in einem Hutong in der Nähe des Lamatempels liegt auch Brunns Fahrradladen.
Feierabend mit Alt-Beijinger Flair: China-Fan Brunn wohnt in einem traditionellen Beijinger Hofhaus (Siheyuan). Früher war die Deutsche in einem transnationalen Unternehmen tätig, besuchte geschäftlich wie auch privat viele chinesische Städte. Aber es war die Hauptstadt, in die sich Brunn letztlich verliebte. Und sie beschloss kurzerhand zu bleiben. „Es sind die vielen kleinen verwinkelten Gassen, die es mir angetan haben und das kulturelle Flair der Stadt", sagt sie. Auch von der Mentalität der Menschen ist Brunn begeistert: „Die Beijinger sind fest überzeugt, dass das Morgen ganz bestimmt besser wird als das Heute. Sie haben eine positive Lebenseinstellung, das gefällt mir."
Wo hätte die junge Fahrradliebhaberin ihren Traum vom eigenen Fahrradladen also eher wahr werden lassen können, als in Beijing – der Stadt der Fahrräder: Gemeinsam mit einem Freund eröffnete sie einen Laden für Eingang-, Starrgang- und Kunsträder. Braucht China – dieses Land, in dem Velos allgegenwärtig sind – noch einen Fahrradladen, mag sich da manch einer fragen. Ja, findet Brunn! Die Deutsche vertritt ihr ganz eigenes Konzept: Sie will die Fahrradkultur des so genannten „starren Ganges" (fixed gear) in China populär machen. Starrgang-Fahrräder sind auch als Eingangfahrräder mit starrem Zahnkranz bekannt. Sobald man nicht mehr in die Pedale tritt, wird das Rad direkt über den starren Zahnkranz gebremst. Das ermöglicht es dem Fahrer, verschiedene Bewegungsabläufe und Kunststücke auszuführen, bei denen es dem Zuschauer schon einmal schwindelig werden kann. Mit dem Starrgang-Fahrrad kann man zum Beispiel Rückwärtsfahren oder seitlich Driften.
Ines Brunn, früher Turnerin, hat ihre Fahrtechnik auf dem Starrgang-Rad zur Perfektion geführt, unter Fans der Nischensportart gilt sie als eine „Königin des Starrgang-Rades". Fast spielerisch wirkt es, wenn Brunn auf ihrem Velo unterschiedlichste komplexe Bewegungsabläufe vollführt. Brunns Laden ist eine feste Anlaufstelle für Fahrradfans der ganzen Stadt. Hier können die Kunden ihr ganz individuelles Fahrrad selbst zusammenstellen: Vom Rahmen, dem Zubehör bis zu den Reifen – vor allem farblich sind der Fantasie dabei kaum Grenzen gesetzt. Jedes Fahrrad wird handmontiert und wird somit zu einem kunstvollen Unikat, das die Individualität und den Geschmack seines Besitzers spiegelt.
Vor allem unter jungen Leuten gelten diese Kunstwerke auf zwei Rädern als trendiges Accessoire. Und dabei sind sie viel mehr als das! Für Brunn ist ein Leben ohne Fahrrad in Beijing undenkbar: „Jedes mal wenn die Sprache auf die angespannte Verkehrslage in Beijing kommt, frage ich die Leute: Warum steigt ihr nicht aufs Rad um?" Für Brunn ist das Radfahren Inbegriff einer umweltbewussten Lebensführung; mit dem grünen Verkehrmittel lässt sich der Ausstoß an Treibhausgasen maßgeblich verringern. Für die Zukunft hofft Brunn, dass immer mehr Menschen ihre Liebe zum Velo wiederentdecken. In Beijing will sie ihren bescheidenen Teil dazu beitragen.
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