Leseerziehung

Yummy, ein junger Ankylosaurier, hält einen Tyrannosaurier für seinen Vater und überschüttet ihn mit all seinem Vertrauen, seiner Liebe und Bewunderung. So schmilzt allmählich das Eis im einsamen Herzen des großen Raubtiers, das sein sanftes Wesen hinter einem schrecklichen Äußeren verbirgt. Als Yummy schließlich seine richtigen Eltern findet, beobachtet dies der Tyrannosaurier aus der Ferne, knabbert an den Früchten, die Yummy für ihn gepflückt hat, und murmelt: „Mach´s gut, Yummy, und alles Gute.“

A Jia, der Jungs animieren möchte, elektronischen Spielen am Computer den Rücken zu kehren und sich dem Buch zuzuwenden, hat zu diesem Zweck „Das bist du, schau mal, Yummy“ des japanischen Illustrators Miyanishi Tatsuya ausgewählt. Es gleicht in der Machart der von Jungs heiß und innig geliebten japanischen TV-Serie „Ultraman“ mit Roboterkämpfern und Monstern und stellt deshalb eine geeignete Brücke vom Fernsehen zum Buch dar. Das Yummy-Buch fanden die Jungen so ergreifend, dass viele am Ende Tränen in den Augen hatten. „Wenn die Kids heute in einer Welt aus Stahl und Zement, Fernsehen und Internet aufwachsen, dann sind sie von der Erde und dem Universum abgeschnitten und eingesperrt in ein getarntes, gekünsteltes und formatiertes Leben. Im Vergleich mit den die Aufmerksamkeit teilenden elektronischen Medien ist das Erzählen langsamer, aber entspannender. Es lässt mehr Raum zum Verknüpfen des Erzählten mit der inneren und äußeren Welt. Dieser Prozess ist so, als ob man eine Kartoffel pflanzt und ihr beim Wachsen zuschaut. Der Keimling arbeitet unter der Erde und der Tag der Reife ist nicht sein vordringliches Ziel.“

„Was ist die beste Früherziehung?“, fragte sich A Jia immer wieder und ist zu folgendem Schluss gelangt: „Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Lasst die Kinder von edler Gesinnung umgeben sein. Gute Bücher sind so, gute Musik auch. Sie sind nicht aufdringlich und immer bereit. Sie warten auf Sie, damit Sie ruhig werden, bevor Sie sich ihnen nähern.“ Idealisten sind eigensinnig, in den Augen mancher Leute sogar ein bisschen verrückt. Der Buchladen „Rötliche Erde“ steht seit seiner Gründung am Rande der finanziellen Pleite. A Jia scherzt, es sei nichts geringes als ein Wunder, dass der Buchladen nach zehn Geschäftsjahren immer noch am Leben ist. Anerkennung für sich und seinen Laden trifft aus Nah und Fern ein, sogar von Kinderbuchverlagen aus Hongkong und Taiwan.

Was ist so einzigartig an A Jias Laden und seinem Eigentümer? Zunächst einmal führt A Jia das größte Angebot von Kinderbüchern in Beijing. Zudem leistet er aktiv einen Beitrag zur Förderung des Lesens unter Kindern, indem er regelmäßig Leserversammlungen organisiert, Übersetzer für Bücher in anderen Sprachen findet, Rezensionen schreibt, Verlegern Buchtitel empfiehlt, Reden vor Schülern hält und mit NGOs zusammenarbeitet, um in Grundschulen eine leserfreundliche Umgebung zu schaffen.

A Jia ist der Frontmann einer immer größer werdenden Menge von Leseratten, die sich verpflichtet fühlen, ihre Leidenschaft für das Lesen an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Leseclubs für Eltern und Kinder sowie ähnliche Einrichtungen schießen unter verschiedenen Namen überall im Land aus dem Boden – sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt. Verleger entdecken die finanziellen Möglichkeiten, springen nun auf den Zug auf und bringen immer mehr Bücher einheimischer und internationaler Autoren auf den Markt.