In der Abteilung für seltene Bücher sind 270 000 Bände deponiert, darunter 1600 aus der Song- (960 –1279) und Yuan-Dynastie (1279–1368), die meisten davon wertvolle Originale oder seltene Kopien. Die älteste Sammlung umfasst Orakelinschriften auf Tierknochen und Schildkrötenpanzern aus der Shang-Dynastie (16.–11. Jahrhundert v. u. Z.). Daneben aufbewahrt werden bibliophile Schätze wie Inschriften, Steinabreibungen, alte Karten und Atlanten, Bücher und Karten in den Sprachen der ethnischen Minderheiten, Handschriften namhafter Autoren und revolutionäre historische Dokumente. Unter den Ausgaben in Fremdsprachen gibt es wertvolle und seltene europäische Inkunabeln aus den Jahren 1473–1477.
Als sich am 9. September 2009 um 14 Uhr die Türen zum neuen Gebäudekomplex der Chinesischen Nationalbibliothek öffneten, drängten sich viele Leser in langen Schlangen in die neuen Räume. Der Erweiterungsbau war notwendig geworden, weil die Besucherzahl von täglich mehr als 12 000 den alten Bau aus allen Nähten platzen ließ. Der 1,2 Milliarden Yuan teure Komplex vereint auf 80 000 Quadratmetern unter seinem Dach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und soll den steigenden Bedarf für die nächsten 30 Jahre decken. Im Erdgeschoss, das aussieht wie ein gigantisches Buch, sind zum ersten Mal seit 80 Jahren Exemplare des „Siku Quanshu“ ausgestellt. Die „Vollständige Bibliothek der vier Schätze“, ein gewaltiges enzyklopädisches Werk mit 800 Millionen Schriftzeichen auf ca. 2,3 Millionen Seiten, wurde von Kaiser Qianlong (Regierungszeit: 1735–1796) in Auftrag gegeben. Der mittlere Teil dient mit 2900 Arbeitsplätzen als Leseraum, während der modern gestaltete dritte Teil die digitale Bibliothek beherbergt. "Durch die Verbindung der konventionellen Bibliothek und der digitalen Bibliothek können wir unseren Lesern im Inland einen kompetenten und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Service anbieten. Die Digitalbibliothek erlaubt es uns auch, unsere Leser landes- und sogar weltweit zu betreuen", sagt Bibliotheksdirektor Zhan Furui nicht ohne berechtigten Stolz.
An den Feierlichkeiten nehmen mehr als 100 Leiter und Direktoren von Bibliotheken aus über 20 Ländern und Gebieten teil. Dazu zählen beispielsweise der Vorsitzende des Internationalen Verbands der bibliothekarischen Vereine und Institutionen (IFLA) sowie die Direktoren der Library of Congress der Vereinigten Staaten von Amerika und der Britischen Nationalbibliothek.
Obwohl die Bibliothek über einen außerordentlich hohen Bücherbestand verfügt und mit zahlreichen ständigen Aktivitäten sowie wechselnden Ausstellungen eine große Anziehungskraft besitzt, hat sie mit einem weltweiten Trend zu kämpfen. Nach Angaben von Zhan Furui, dem fünften Bibliotheksdirektor, ist die Zahl der Bücherleser in den letzten 10 Jahren von 60,4% auf 48% im Jahr 2007 geschrumpft. Die tägliche Besucherzahl von über 10 000 schrumpft seit dem Jahre 2004. Internet und Online-Books stellen eine zunehmende Konkurrenz für das traditionelle Buch dar.
Die Chinesische Nationalbibliothek hat darauf reagiert und bietet den Besuchern einen umfassenden und einzigartigen Service. Neben dem Zugang zu mehr als 720 000 E-Books können die Leser über ihr Handy und Kabelfernsehen Bücher einsehen und den Bibliotheksservice in Anspruch nehmen. Mit Hilfe moderner Gigabit-Ethernet-Technologie (seit 1999) und des integrierten Bibliotheksmanagement-Systems Alpha 500 (seit Oktober 2003) reiht sich die Chinesische Nationalbibliothek in die vorderste Front der fortschrittlichsten Bibliotheken der Welt ein. Besucher vor Ort können sich die Radiofrequenz-Identifikationstechnologie (RFID) zu Nutze machen, um den Standort des gesuchten Buches schneller und bequemer zu ermitteln. Reservierungen und Verlängerungen sind online, Ausleihe und Rückgabe im Selbstbedienungsmodus möglich. Damit auch das soziale und kulturelle Umfeld stimmt, finden sich im neuen Gebäude auch Freizeiteinrichtungen wie ein Café, eine Konzerthalle, ein Kino und eine Buchhandlung.