Der wirtschaftliche Blickwinkel
Obwohl die Euphorie der Olympischen Spiele langsam verfliegt, noch immer ist das Olympiagelände ein Muss für viele Touristen. Jedoch die Neugier, den Austragungsort der Olympischen Spiele zu sehen, und damit der Tourismus allein, würden für den Unterhalt der olympischen Anlagen nicht ausreichen. Die Tourismusbranche ist aber nur eine Möglichkeit von vielen, die Sportstätten noch effektiv zu nutzen. Laut Schätzungen muss das „Vogelnest“ die nächsten 35 Jahre lang mindestens 30 Millionen Dollar jährlich abwerfen, um die bereits in seinen Bau und Erhalt investierten 3,6 Milliarden Yuan wieder hereinzuholen. Eine Eintrittkarte in das Stadion kostet 50 Yuan pro Person, umgerechnet etwa 5 Euro. Die Besucherzahlen sind jedoch von 80 000 pro Tag zu Spitzenzeiten auf gerade einmal 5 000 bis 6 000 gesunken. Seit Ende der Spiele ging der Gewinn durch Eintrittstickets stark zurück. „Nur wenige Menschen würden immer wieder 50 Yuan bezahlen und diesen historischen Ort mehrfach besuchen“, betont Wang Chun, stellvertretender Geschäftsführer des Verwaltungskomitees für den Olympiapark.
Kommerzielle Shows und Vorstellungen sowie Sportveranstaltungen sind eine weitere große Einnahmequelle. Während der Urlaubsfeiertage zum Nationalfeiertag im Jahr 2008 fand beispielsweise ein Symphonie-Konzert mit dem Titel „Der Traum des Wasser-Würfels“ statt. Das Konzert wurde mit einer Wasser- und Lichtshow kombiniert und im Olympischen Schwimmzentrum uraufgeführt. Damit wurde der „Wasser-Würfel“ erstmals für kommerzielle Zwecke genutzt. „Mit der Grundsteinlegung für den Bau des „Würfels“ haben wir begonnen, über seine Nutzungsmöglichkeiten nach den Spielen nachzudenken“, erklärt Kang Wei, Vorstandsvorsitzender der Schwimmzentrums GmbH. „Nach und nach kam die Idee auf, ihn für Konzerte zu nutzen. Wir hofften, wir könnten die Menschen ins Staunen versetzen, wenn wir Hightech mit gehobener Kunst mischen würden.“ Das Publikum des Konzerts bestand damals hauptsächlich aus Touristen. Diese freuten sich, sowohl eine einzigartige Vorstellung als auch das berühmte molekularförmige Design des Stadions genießen zu dürfen. Kürzlich gastierte der Ballett-Klassiker „Schwanensee“ in der berühmten Schwimmhalle. Auch für die Künstler ist die Arbeit auf der Bühne des „Wasser-Würfels“ eine ganz neue Erfahrung.
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Symphonie-Konzert "Traum des Wasser-Würfels" |
Neben dem Schwimmzentrum setzten auch andere olympische Anlagen wie die Nationale Sporthalle, das Nationale Konferenzzentrum, die Sporthalle der Hauptstadt und das Arbeiterstadion alles daran, Großveranstaltungen an Land zu ziehen. Bis Ende März dieses Jahres hat das Nationalstadion bereits 22 hochkarätige Veranstaltungen festgesetzt, die etwa einen Umsatz von 20 Millionen Yuan eingespielt haben. Der Umbau des Nationalen Kongresszentrums wird erst im November 2009 beendet sein. Dennoch ist das Zentrum bereits jetzt für fast 70 Konferenzen und Ausstellungen im Jahr 2010 gebucht, Buchungsanfragen laufen bereits bis zum Jahr 2016.
Das Management des „Vogelnestes“ hingegen ist in seiner Planung, welche Veranstaltungen darin ausgerichtet werden, etwas vorsichtiger und umsichtiger als die Verwalter der anderen olympischen Anlagen. Am 1. Mai dieses Jahres, acht Monate nach Ende der Olympischen Spiele, wurde dort mit dem Konzert „Jackie Chan and Friends“ das erste große Event veranstaltet. Insgesamt 50 000 Zuschauer besuchten das Konzert, dementsprechend lang war dann auch die Schlange vor dem einzigen Imbiss im 2. Stock des Stadions. Dazu beaufsichtigten an diesem Abend 700 Sicherheitsleute das Stadion. Einen Monat später wurde mit dem Konzert „Charm of China“, zu deutsch etwa „Der Zauber Chinas“, eine Sommerkonzert-Saison eröffnet. Weltstars wie der spanische Tenor Placido Domingo, der chinesische Pianist Lang Lang und der Taiwaner Popstar Jay Chou waren Teil der Veranstaltung. Am 8. August, exakt ein Jahr nach Eröffnung der Olympischen Spiele, gelang dem Management ein weiterer Coup. Im „Vogelnest“ wurde der Fußball-Supercup zwischen den beiden italienischen Spitzenvereinen Inter Mailand und Lazio Rom ausgetragen. Tickets für das Spiel, das die Römer schließlich 2:1 gewannen, waren in kürzester Zeit ausverkauft.