Individualität ist in Mode

Seit den 90er Jahren haben die meisten städtischen Familien keine Nähmaschinen mehr zu Hause. Die Konfektionsgeschäfte haben sich stark entwickelt. Die meisten Schneider machen jetzt nur noch Änderungs- oder Reparaturarbeiten. China ist bereits das weltweit größte Produktions- und Verbraucherland von Kleidung. In den Städten gibt es sowohl Boutiquen für kostenspielige Markenkollektionen als auch preisgünstige Bekleidungsgeschäfte. „Ich ziehe mich so an wie ich will“ ist die allgemeine Ansicht bei Kleidung. Die gleichen Kleidungsstücke oder sogar die gleiche Farbe zu tragen, bringt die modebewusste Frau in Verlegenheit. In einem Artikel eines Modejournals war zu lesen: „Seien Sie nicht erstaunt, wenn eine Frau in Beijing oder Shanghai ein Kleidungsstück trägt, dessen Design erst einen Tag zuvor in Mailand oder Paris präsentiert wurde.“

Heutzutage haben die Chinesen beim Kleiden keine Bedenken mehr. Für Jugendliche ist der Kleidungsstil der Stars in der Unterhaltungsindustrie ihr Vorbild. Die Farben der Kleidung für Männer sind nicht mehr eintönig, sie werden immer farbenfreudiger. Die Veränderung bei der Kleidung für Frauen ist so groß, dass frühere Generationen ganz sprachlos wären. Ein Trägerkleid, zum Beispiel, trug man zuerst mit einem Jäckchen darüber, das immer kürzer und durchsichtiger wurde. Schließlich wurden die Trägerkleider im Jahr 1998 populär und werden heute noch gern von Chinesinnen getragen, aber ohne Jäckchen.

Die Kleidung ist heute sehr individuell. Neben Designs spielen die Stoffe beim Kleidungskauf eine wichtige Rolle. Baumwolle und teure Kaschmire sind sehr gefragt. Auch Ethik beeinflusst neuerdings die Kaufentscheidung. Der populäre Filmstar Sun Li meinte: „Für mich ist es eine Schande, wenn man sich auf Kosten des Lebens der Tiere schmückt.“ Dafür wurde sie von der PETA (Menschen für den ethischen Umgang mit Tieren) mit dem Preis „2008 Best Dressed“ ausgezeichnet.

Mit wachsendem nationalen Selbstbewusstsein nahm auch das kulturelle Selbstvertrauen und der Stolz der Chinesen ständig zu. Im Film „In the Mood for Love“ trug die Hauptdarstellerin Maggie Cheung mehr als 20 Qipaos, was die Schönheit der Chinesinnen im Qipao zeigte und das chinesische Etuikleid wieder populär machte. Aber das heutige Qipao unterscheidet sich stark von dem in der Qing-Dynastie (1644–1911) und betont Zärtlichkeit, Anmut und Körperform. Die modifizierten traditionellen chinesischen Jacken (Tangzhuang) erfreuen sich ihrer erneuten Beliebtheit bei den chinesischen Männern, nachdem die Staats- und Regierungschefs aus verschiedenen Ländern und Gebieten im Jahr 2001 auf der APEC-Konferenz in Shanghai im Tangzhuang vor den Kameras standen.

Liebhaber der klassischen chinesischen Literatur setzen sich für die Aktion „Han-Chinesen-Kleidung“ ein. Sie sind der Meinung, dass die Kleidung im chinesischen Stil, die jetzt in Mode ist, die Besonderheiten der nordchinesischen Minderheiten verkörpert und nicht die originale „Han-Chinesen-Kleidung“ in der Han-Dynastie (206 v. u. Z. –220 n. u. Z.) ist, in der man sich unbefangen und elegant fühlt. Die Teilnehmer an der Aktion sind meist junge Leute, die in den 80er und 90er Jahren geboren wurden.