September 2003
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Gesellschaft

Was essen und wie? – Veränderungen in den chinesischen Essgewohnheiten nach SARS

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Was essen und wie?

– Veränderungen in den chinesischen Essgewohnheiten nach SARS

Von Zhang Hua

Im Mai und Juni dieses Jahres sorgten Berichte über das Auftreten von Vipern in vier Wohnvierteln quer durch Beijing für einige Aufregung unter den örtlichen Bewohnern. Die Polizei musste verständigt werden, um die Reptilien einzufangen. Es stellte sich heraus, dass Restaurants, die Wildfleisch anboten, die als Spezialität gehaltenen Tiere freigesetzt hatten, nachdem Experten bekannt gemacht hatten, dass Schlangen den SARS-Virus übertragen könnten. Darauf hatten die Tiere den Weg in die Innenstadt gefunden.

Allesfresserei eingeschränkt

Laut einem alten Sprichwort ist „Essen das Höchste für die Massen“. Die Chinesen legen viel Wert auf eine große Vielfalt an Lebensmitteln und Getränken. Dies gilt vor allem für die subtropische Provinz Guangdong, wo eine reichhaltige Flora und Fauna gedeiht und man seltenen Arten nachsagt, besonders nahrhaft zu sein. Das Fleisch und die Gallenblase von Schlangen z. B. werden gegessen, um den Blutkreislauf anzuregen, Wind zu vertreiben, das Qi und die Leber zu stärken und die Sehstärke zu verbessern.

Nach dem Ausbruch von SARS erließen das Staatliche Chinesische Forstamt und die Staatliche Industrie- und Handelsverwaltung (State Administration for Industry and Commerce) dringende Erlasse, die die Jagd von Wildtieren und den Handel damit verboten. Sie führten überdies umfassende Kontrollen bei Farmen für die Zucht und die Zähmung von Wildtieren durch. Mittlerweile appellierte die Chinesische Vereinigung für Naturschutz an die Öffentlichkeit, dem ökologischen Gleichgewicht zuliebe und aus hygienischen Gründen auf den Verzehr von Wildtieren zu verzichten.

Liang Haitang, der Leiter des Jangtze-Projekts des WWF, merkt an, dass die Nutzung von Wildtieren zu Zeiten, als die Natur noch auf primitive Art ausgebeutet wurde, gängig und gerechtfertigt war. Doch mit dem heutigen Wissen über unser Tun und dessen Auswirkungen sollten wir die Natur aus Gründen des Umweltschutzes und unserer eigenen Gesundheit zuliebe schonen.

Liang warnt, dass die übermäßige Ausbeutung von Wildbiotopen wie Wäldern und Feuchtgebieten zur Freisetzung von Viren führen könnte, die lange im Kreislauf der Natur gefangen waren und für die Menschheit katastrophal sein könnten.

Zwar ist der Beweis noch nicht erbracht, dass der Koronavirus, der als SARS-Erreger identifiziert wurde, von einem Wildtier auf den Menschen übersprang, doch trotz alledem haben die Chinesen ihre Essgewohnheiten drastisch umgestellt. Einige gestehen, dass ihnen der Schreck durch die Glieder fuhr, als sie hörten, dass SARS mit Wildtieren in Zusammenhang stehen könnte. Soziologen berichten, dass die Nachricht die Ehrfurcht der Menschen vor der Natur wiederherstellte. Viele Wildfleisch-Restaurants reagierten auf diese Trendumkehr damit, dass sie ihre Speisekarte abänderten.

Man isst nicht mehr vom gleichen Teller

In einem Restaurant im Nordwesten Beijings wurde Liu Zhijun und seinen Kollegen ein Fischgericht serviert. Es wurde ihnen zuerst vorgeführt, damit sie einen Blick darauf werfen konnten, und dann aufgeteilt. Jeder der Gäste erhielt eine eigene Portion. Dasselbe geschah mit den übrigen Gerichten, die sie bestellt hatten. Das Mahl ging friedlich und geordnet über die Bühne, ohne das übliche Geklapper, das man von einer chinesischen Essensrunde gewohnt ist. Liu zeigte sich über die neue Art des Speisens begeistert. Nach dem Ausbruch von SARS in China wurde dazu aufgerufen, Gerichte in separaten Portionen zu servieren. Die Regierung war genauso wie die einzelnen Bürger zum Schluss gekommen, dass der Brauch, von einem Teller zu essen, eine mögliche Infektionsquelle darstellt.

Trotz ihrer offensichtlichen Vorzüge trifft diese neue Art des Speisens auf den Widerstand von Traditionalisten, die daran festhalten, gemeinsam von einem Teller zu essen sei ein Ausdruck der Freundschaft und des guten Willens. Für den chinesischen Geist ist es eine Freude und ein geselliges Ereignis, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und aus einem Topf zu essen, denn es bringt die Leute einander näher.

Andere weisen darauf hin, dass die neue Art des Speisens der Restaurantbelegschaft Mehrarbeit aufbürdet. Ein weiterer Nachteil sei, dass nicht jeder Gast notwendigerweise gleich viel von jedem Gericht essen wolle und gleichmäßig verteilte Portionen deshalb unerwünscht und eine Verschwendung seien.

Doch die Befürworter der Ernährungsrevolution sind in der Mehrheit. Ein gewisser Herr Hu ist überzeugt, dass die Aufteilung chinesischer Gerichte funktionieren kann. Er schlägt vor, chinesische Bankette in der Form von Buffets abzuhalten. Als Alternative, meint er, könnten die Restaurantgäste unterschiedliches Besteck für das Servieren und das Essen verwenden. Auf diese Weise würde das Risiko der Krankheitsübertragung am Tisch vermindert. Hu berichtet, ihm sei auf seinen Reisen in die USA aufgefallen, dass die meisten Chinesen dort auf diese Weise speisten und dies ihre Freude am Essen in keiner Weise trübe.

Im Bemühen, das Servieren in Einzelportionen zu verbreiten, wurde in Beijing das Seminar „Hygiene, Essen und Trinken“ veranstaltet. Chinesische Köche zeigten verschiedene Arten, ein Mahl in getrennten Portionen einzunehmen: Chinesische Gerichte im westlichen Stil serviert, das Portionieren von Gerichten nach der Begutachtung durch die Gäste und ein Buffet mit chinesischen Gerichten.

„Wir sollten sowohl auf die Etikette als auch auf die Gesundheit Wert legen“, sagt Professor Zhao Fengzeng vom Zentrum für die Vorbeugung und Behandlung von Schwindsucht am Chinesischen Zentrum für Krankheitsprophylaxe und -therapie. Er besteht darauf, dass die Chinesen stärker auf Hygiene in der Ernährung achten sollten.

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