Freund
des Menschen und furchterregendes Ungeheuer
Von Atze Schmidt
Es gab
eine Zeit, in der die Menschen felsenfest an die Existenz
von Drachen glaubten. Sie wähnten sie entweder in weit
in die Erde hineinreichenden Höhlen oder, wie vor allem
in China, in prächtigen Palästen tief unten im Meer
oder auf dem Grund von Seen. Angst und Respekt vor diesen
Wesen lieferten Stoff für eine Unzahl von Geschichten. Doch
während der Drache im Abendland meist gleichgesetzt wurde
mit dem Bösen, verschlang er doch nicht nur das friedlich
grasende Vieh auf der Weide, sondern raubte auch liebliche
Jungfrauen, so dass wackere Ritter zum Kampf gegen ihn ausziehen
mussten, so stellte sich die Sache in China ganz anders dar.
Hier wurde der Drache schon früh als Totem verehrt. Bernstein
galt als hartgewordenes Drachenblut, gefundene Knochen von
Dinosauriern waren natürlich Knochen von Drachen und wurden
entsprechend heilig gehalten, die Kaiser hatten aufgestickte
Drachen auf ihren Gewändern, und überhaupt war der Drache
eher ein Freund und Beschützer des Menschen als ein furchterregendes
Ungeheuer, auch wenn er gleichwohl oft wie ein solches dargestellt
wurde.
Der faszinierenden
Geschichte des Drachen vor und nach seiner Entmystifizierung
sind Ditte und Giovanni Bandini mit erkennbarer Entdeckerfreude
am unerschöpflichen Thema nachgegangen. Was sie an frühgeschichtlichen
Spuren, an Volkserzählungen und literarischen Funden
zusammengetragen haben, gestalteten sie, angereichert mit
vielen Illustrationen, zu einem Buch, das man gern und mit
Gewinn liest.
Ditte
und Giovanni Bandini: „Das Drachenbuch“, 264 Seiten, Deutscher
Taschenbuch Verlag, 15 Euro