April 2002
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Gesellschaft

Ungleiches Rechtssystem in feudaler Zeit
He Shen, der reichste und berüchtigste Beamte in der feudalen Zeit Chinas
Der beliebte, aufrechte Beamte Bao Zheng

Der beliebte, aufrechte Beamte Bao Zheng

Von Huo Jianying

Wenn heute ein Beamter, insbesondere ein Justizbeamter, als „der gegenwärtige Bao Gong“ bezeichnet wird, dann bedeutet das nicht nur, dass seine Tugend und sein Verdienst von den Volksmassen anerkannt und gelobt werden, sondern auch, dass er den höchsten Ruhm der Gesellschaft für sich beanspruchen kann.

Bao Gong (999 - 1062) hieß ursprünglich Bao Zheng, und sein Gelehrtenname war Xiren. Er stammte aus Hefei, Provinz Anhui, diente als Kreisvorsteher, Präfekt und schließlich war er Mitglied des kaiserlichen Kabinetts der Nördlichen Song-Dynastie (960-1127).

Als er im Amt war, setzte er sich energisch für die strenge Kontrolle von Beamten und die Verminderung von Steuern und Abgaben der Volksmassen ein, was ihn bei der Bevölkerung populär machte. Als er das Justiz-Ressort leitete, zeichnete er sich durch seine Aufrichtigkeit, Unbeugsamkeit und Integrität aus. In Geschichtsbüchern steht geschrieben: „Im kaiserlichen Kabinett führte Bao Zheng sein Geschäft mit eiserner Hand. Die Adligen und hohen Beamten zogen sich zurück, und die unredlichen Beamten, die von Bao Zheng hörten, hatten Angst vor ihm. Selbst Frauen und Kinder kannten seinen Namen.“ An dieser Passage kann man ablesen, dass er in der Song-Dynastie als unbestechliche Persönlichkeit einen guten Ruf genoss.

In den vergangenen 1000 Jahren ist sein Name nicht in Vergessenheit geraten,  vielmehr wurde er immer populärer, so dass er eine Symbolfigur für die unbestechlichen Beamten in der chinesischen Geschichte wurde. Sein Leben und seine Taten wurden in verschiedenen literarischen Werken dargestellt, die zum Teil auch verfilmt und zu  Opernstücken bearbeitet wurden. Den Bao Gong, den man heute kennt, ist in Wirklichkeit ein Typus, der durch künstlerische Gestaltung entstanden ist. Es gibt viele volkstümliche Überlieferungen über ihn, manche davon tragen eine geheimnisvolle Färbung.

Bao Gong verkörperte das Ideal der unbestechlichen Beamten in Chinas alter Zeit und wird seit jeher verehrt, ja sogar vergöttlicht. Der Hauptgrund besteht wohl darin, dass die Herrschaft in der feudalen Gesellschaft nicht auf einem Rechtssystem, sondern auf einer Art feudaler Gesellschaftsordnung der Abhängigkeit von den Herrschern beruhte. In der herrschenden Schicht gab es entweder unbestechliche Beamte oder korrupte, außer diesen zwei Kategorien bestand keine Alternative. Im Vergleich zur letzteren vertrat die erstere immerhin die Interessen der Bevölkerung, wenn auch nur in gewissem Grad.

In den historischen Quellen sind nicht viele Rechtsfälle, die von Bao Zheng entschieden wurden, aufgezeichnet. Ein bekannter Fall ist der, über den er als Kreisvorsteher von Tianchang, Provinz Anhui, entscheiden musste.

Bei diesem Fall geht es darum, dass eines Morgens ein Bauer bei seinem auf dem Boden liegenden Zugochsen feststellte, dass diesem die Zunge abgeschnitten worden war. Der   Bauer erstattete Anzeige und bat die Kreisverwaltung, nach dem Täter zu fahnden.

Bao Zheng sagte zu dem Bauern, dass er die Sache nicht an die große Glocke hängen und den Ochsen schlachten lassen sollte. Nach dem Gesetz der Song-Dynastie war es strafbar, einen Zugochsen eigenmächtig zu schlachten. Als der Bauer aber sah, dass der Ochse im Sterben lag, ließ er den Ochsen schlachten, zumal ihm das vom Kreisvorsteher nahe gelegt wurde.

Am darauffolgenden Tag erstattete ein Mann eine Anzeige, dass der Bauer gesetzwidrig einen Ochsen hatte schlachten lassen. Nachdem Bao Zheng das zur Kenntnis genommen hatte, setzte er eine ernsthafte Miene auf und fragte: „Sie haben dem Ochsen die Zunge abgeschnitten und erstatten nun eine Anzeige gegen seinen Besitzer. Welche böse Absicht hegen Sie eigentlich?“ Der Mann wurde vor Schreck sprachlos und musste gestehen, dass er wegen tief sitzenden Grolls den Bauern hereinlegen wollte.

Aus der Historiographie ist außerdem noch zu erfahren, dass sich Bao Zheng als Präfekt von Kaifeng zum Zweck der Errichtung eines Damms gegen Hochwasser gegen den Widerspruch vieler Machthaber durchgesetzt hatte, viele gesetzwidrige Bauten abreißen ließ und politische Wirrköpfe und korrupte Beamten absetzte.

Aber in den volkstümlichen Überlieferungen wurde Bao Zheng in wahrstem Sinne des Wortes vergöttlicht. Demnach war er ein Gott unter den Menschen und ein Mensch unter den Göttern. Er verfügte über übermenschliche Fähigkeiten und konnte zwischen Menschheit und Hölle vermitteln. Sein Scharfsinn löste die verwickeltsten Rechtsfälle, und er fahndete gnadenlos nach den Übeltätern. Mit seinem phänomenalen Können schützte er, von der Götterwelt weit entfernt, die Interessen des Fußvolkes, indem er zähe Kämpfe gegen die verkommenen Verwandten des Kaisers und die hohen Beamten, die Verbrechen begangen hatten, führte, so dass er in seiner Karriere mehrmals einen Auf- und Abstieg erlebte. Er verkörperte das Ideal der Gerechtigkeit, und so wurde auf ihn die Sehnsucht der Menschen in alter Zeit nach einer Gesellschaft mit einem gerechten Rechtssystem übertragen. Gerade unter diesem Aspekt trat Bao Zheng  als Symbolfigur in verschiedenen Theater- und Opernstücken sowie literarischen Erzählungen immer wieder auf.

Die traditionellen Theater- oder Opernstücke handelten meistens von der Entscheidung von Rechtsfällen durch Bao Zheng. Die Täter waren ausnahmslos hochgestellte Personen: Verwandte des Kaisers und hohe Beamten, die jedoch unter dem Schutz der Justiz in der feudalen Zeit standen. In der Gesellschaft der alten Zeit konnten die Justizbehörden nicht ohne Weiteres etwas gegen diese privilegierten gesellschaftlichen Schichten unternehmen, geschweige denn die Volksmassen. So wurde Bao Zheng zu einer Symbolfigur für Gerechtigkeit und Macht gemacht, er soll auf der Bühne stelltvertretend das Gute schützen, das Böse bestrafen, die ungleichen Gesetze der feudalen Zeit verachten und die Stimme der sich auflehnenden Volksmassen zum Ausdruck zu bringen.

In den Opernstücken über Bao Zheng ging es oft höchst dramatisch zu. Beispielsweise ließ sich Bao Zheng zur Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit auf große Risiken ein, überwand verschiedenste Schwierigkeiten, um die Interessen der Volksmassen zu schützen und die Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, so dass selbst der Schwiegersohn und nahe Verwandte des Kaisers nach einem von ihm geführten  Prozess enthauptet wurden. Der Altruist nahm  außerdem auch keine Rücksicht auf eigene Verwandte, ein korrupter Neffe wurde von ihm ebenfalls hingerichtet. In einem Opernstück ging er soweit, dass er einmal den Kaiser wegen dessen Vergehens strafen wollte. Im alten China unterlag der Kaiser keiner juristischen Kontrolle, symbolisch wurde er doch noch von Bao Zheng gestraft, indem man seine Kaiserrobe schlug.

Der idealisierte Jurist sprach oft auf der Bühne: „Heute verhelfe ich in Kaifeng der Gerechtigkeit zum Erfolg, indem ich die korrupten Beamten und Despote beseitige und ungerecht verurteilte Menschen rehabilitiere. Selbst die Kinder und Enkelkinder des Kaisers haben keine Sonderbehandlung zu erwarten.“ Es liegt auf der Hand, dass derartige Äußerungen keineswegs von einem Würdenträger der feudalen Herrschaft stammen konnten, vielmehr stellen sie den Wunschtraum nach der gesellschaftlichen Gerechtigkeit des Fußvolkes dar.

In der chinesischen Geschichte war nicht nur Bao Zheng für seine Gerechtigkeit bekannt, es gab noch Hai Rui in der Ming-Dynastie (1368-1644) und Yu Chenglong in der Qing-Dynastie (1644-1911). Ihnen gemeinsam war, dass sie loyal dem Kaiserhof dienten , ihrem Amt fleißig und unbestechlich nachgingen und unbeugsam das Recht vollstreckten. Gerade wegen dieser Charakteristika waren sie sehr beliebt, einige von ihnen waren von dem obersten Herrscher, dem Kaiser, hochgeschätzt. Zweifelsohne trug die Ausübung der Ämter durch die aufrechten Beamten zur gesellschaftlichen Stabilität, zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Konsolidierung der Macht des Kaiserhofs bei.

Zhao Guangyi (939-997), ein Kaiser der Song-Dynastie, hat eigenhändig ein aus 16 Schriftzeichen bestehendes Mahnwort geschrieben: „Ihr Gehalt besteht aus sauer geernteten Früchten. Es ist leicht, das Fußvolk zu misshandeln, aber es ist schwer, den Himmel zu betrügen.“ Dieses Mahnwort ließ er in Steintafeln einhauen, die in den Amtssitzen der Verwaltungsbehörden des ganzen Landes standen, um die Lokalbeamten zu mahnen.

Dieses Mahnwort war bis in die Qing-Dynastie überliefert und stand auf dem Torbogen am Eingang der Verwaltungsbehörde, damit es die Beamten oft sehen konnten. Auf der anderen Seite des Torbogens standen die Schriftzeichen für „Gerechtigkeit“. Diese Torbögen kann man beispielsweise heute noch im alten Amtssitz der Lokalverwaltung der Präfektur Huozhou, Provinz Shanxi, sehen. 

      

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