Der
beliebte, aufrechte Beamte Bao Zheng
Von
Huo Jianying
Wenn
heute ein Beamter, insbesondere ein Justizbeamter, als „der
gegenwärtige Bao Gong“ bezeichnet wird, dann bedeutet das
nicht nur, dass seine Tugend und sein Verdienst von den Volksmassen
anerkannt und gelobt werden, sondern auch, dass er den höchsten
Ruhm der Gesellschaft für sich beanspruchen kann.
Bao Gong (999 - 1062) hieß ursprünglich
Bao Zheng, und sein Gelehrtenname war Xiren. Er stammte aus
Hefei, Provinz Anhui, diente als Kreisvorsteher, Präfekt
und schließlich war er Mitglied des kaiserlichen Kabinetts
der Nördlichen Song-Dynastie (960-1127).
Als er im Amt war, setzte er sich energisch
für die strenge Kontrolle von Beamten und die Verminderung von
Steuern und Abgaben der Volksmassen ein, was ihn bei der Bevölkerung
populär machte. Als er das Justiz-Ressort leitete, zeichnete
er sich durch seine Aufrichtigkeit, Unbeugsamkeit und Integrität
aus. In Geschichtsbüchern steht geschrieben: „Im kaiserlichen
Kabinett führte Bao Zheng sein Geschäft mit eiserner Hand.
Die Adligen und hohen Beamten zogen sich zurück, und die unredlichen
Beamten, die von Bao Zheng hörten, hatten Angst vor ihm.
Selbst Frauen und Kinder kannten seinen Namen.“ An dieser Passage
kann man ablesen, dass er in der Song-Dynastie als unbestechliche
Persönlichkeit einen guten Ruf genoss.
In
den vergangenen 1000 Jahren ist sein Name nicht in Vergessenheit
geraten, vielmehr wurde er immer populärer, so dass
er eine Symbolfigur für die unbestechlichen Beamten in der chinesischen
Geschichte wurde. Sein Leben und seine Taten wurden in verschiedenen
literarischen Werken dargestellt, die zum Teil auch verfilmt
und zu Opernstücken bearbeitet wurden. Den Bao Gong, den
man heute kennt, ist in Wirklichkeit ein Typus, der durch künstlerische
Gestaltung entstanden ist. Es gibt viele volkstümliche Überlieferungen
über ihn, manche davon tragen eine geheimnisvolle Färbung.
Bao Gong verkörperte das Ideal der unbestechlichen
Beamten in Chinas alter Zeit und wird seit jeher verehrt, ja
sogar vergöttlicht. Der Hauptgrund besteht wohl darin,
dass die Herrschaft in der feudalen Gesellschaft nicht auf einem
Rechtssystem, sondern auf einer Art feudaler Gesellschaftsordnung
der Abhängigkeit von den Herrschern beruhte. In der herrschenden
Schicht gab es entweder unbestechliche Beamte oder korrupte,
außer diesen zwei Kategorien bestand keine Alternative.
Im Vergleich zur letzteren vertrat die erstere immerhin die
Interessen der Bevölkerung, wenn auch nur in gewissem Grad.
In
den historischen Quellen sind nicht viele Rechtsfälle,
die von Bao Zheng entschieden wurden, aufgezeichnet. Ein bekannter
Fall ist der, über den er als Kreisvorsteher von Tianchang,
Provinz Anhui, entscheiden musste.
Bei
diesem Fall geht es darum, dass eines Morgens ein Bauer bei
seinem auf dem Boden liegenden Zugochsen feststellte, dass diesem
die Zunge abgeschnitten worden
war. Der Bauer erstattete Anzeige und bat die Kreisverwaltung,
nach dem Täter zu fahnden.
Bao Zheng sagte zu dem Bauern, dass er die
Sache nicht an die große Glocke hängen und den Ochsen
schlachten lassen sollte. Nach dem Gesetz der Song-Dynastie
war es strafbar, einen Zugochsen eigenmächtig zu schlachten.
Als der Bauer aber sah, dass der Ochse im Sterben lag, ließ
er den Ochsen schlachten, zumal ihm das vom Kreisvorsteher nahe
gelegt wurde.
Am darauffolgenden Tag erstattete ein Mann
eine Anzeige, dass der Bauer gesetzwidrig einen Ochsen hatte
schlachten lassen. Nachdem Bao Zheng das zur Kenntnis genommen
hatte, setzte er eine ernsthafte Miene auf und fragte: „Sie
haben dem Ochsen die Zunge abgeschnitten und erstatten nun eine
Anzeige gegen seinen Besitzer. Welche böse Absicht hegen
Sie eigentlich?“ Der Mann wurde vor Schreck sprachlos und musste
gestehen, dass er wegen tief sitzenden Grolls den Bauern hereinlegen
wollte.
Aus der Historiographie ist außerdem
noch zu erfahren, dass sich Bao Zheng als Präfekt von Kaifeng
zum Zweck der Errichtung eines Damms gegen Hochwasser gegen
den Widerspruch vieler Machthaber durchgesetzt hatte, viele
gesetzwidrige Bauten abreißen ließ und politische
Wirrköpfe und korrupte Beamten absetzte.
Aber in den volkstümlichen Überlieferungen
wurde Bao Zheng in wahrstem Sinne des Wortes vergöttlicht.
Demnach war er ein Gott unter den Menschen und ein Mensch unter
den Göttern. Er verfügte über übermenschliche Fähigkeiten
und konnte zwischen Menschheit und Hölle vermitteln. Sein
Scharfsinn löste die verwickeltsten Rechtsfälle, und
er fahndete gnadenlos nach den Übeltätern. Mit seinem
phänomenalen Können schützte er, von der Götterwelt
weit entfernt, die Interessen des Fußvolkes, indem er
zähe Kämpfe gegen die verkommenen Verwandten des Kaisers
und die hohen Beamten, die Verbrechen begangen hatten, führte,
so dass er in seiner Karriere mehrmals einen Auf- und Abstieg
erlebte. Er verkörperte das Ideal der Gerechtigkeit, und
so wurde auf ihn die Sehnsucht der Menschen in alter Zeit nach
einer Gesellschaft mit einem gerechten Rechtssystem übertragen.
Gerade unter diesem Aspekt trat Bao Zheng als Symbolfigur
in verschiedenen Theater- und Opernstücken sowie literarischen
Erzählungen immer wieder auf.
Die traditionellen Theater- oder Opernstücke
handelten meistens von der Entscheidung von Rechtsfällen
durch Bao Zheng. Die Täter waren ausnahmslos hochgestellte
Personen: Verwandte des Kaisers und hohe Beamten, die jedoch
unter dem Schutz der Justiz in der feudalen Zeit standen. In
der Gesellschaft der alten Zeit konnten die Justizbehörden
nicht ohne Weiteres etwas gegen diese privilegierten gesellschaftlichen
Schichten unternehmen, geschweige denn die Volksmassen. So wurde
Bao Zheng zu einer Symbolfigur für Gerechtigkeit und Macht gemacht,
er soll auf der Bühne stelltvertretend das Gute schützen, das
Böse bestrafen, die ungleichen Gesetze der feudalen Zeit
verachten und die Stimme der sich auflehnenden Volksmassen zum
Ausdruck zu bringen.
In den Opernstücken über Bao Zheng ging es
oft höchst dramatisch zu. Beispielsweise ließ sich
Bao Zheng zur Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit auf große
Risiken ein, überwand verschiedenste Schwierigkeiten, um die
Interessen der Volksmassen zu schützen und die Gerechtigkeit
aufrechtzuerhalten, so dass selbst der Schwiegersohn und nahe
Verwandte des Kaisers nach einem von ihm geführten Prozess
enthauptet wurden. Der Altruist nahm außerdem auch
keine Rücksicht auf eigene Verwandte, ein korrupter Neffe wurde
von ihm ebenfalls hingerichtet. In einem Opernstück ging er
soweit, dass er einmal den Kaiser wegen dessen Vergehens strafen
wollte. Im alten China unterlag der Kaiser keiner juristischen
Kontrolle, symbolisch wurde er doch noch von Bao Zheng gestraft,
indem man seine Kaiserrobe schlug.
Der idealisierte Jurist sprach oft auf der
Bühne: „Heute verhelfe ich in Kaifeng der Gerechtigkeit zum
Erfolg, indem ich die korrupten Beamten und Despote beseitige
und ungerecht verurteilte Menschen rehabilitiere. Selbst die
Kinder und Enkelkinder des Kaisers haben keine Sonderbehandlung
zu erwarten.“ Es liegt auf der Hand, dass derartige Äußerungen
keineswegs von einem Würdenträger der feudalen Herrschaft
stammen konnten, vielmehr stellen sie den Wunschtraum nach der
gesellschaftlichen Gerechtigkeit des Fußvolkes dar.
In der chinesischen Geschichte war nicht nur
Bao Zheng für seine Gerechtigkeit bekannt, es gab noch Hai Rui
in der Ming-Dynastie (1368-1644) und Yu Chenglong in der Qing-Dynastie
(1644-1911). Ihnen gemeinsam war, dass sie loyal dem Kaiserhof
dienten , ihrem Amt fleißig und unbestechlich nachgingen
und unbeugsam das Recht vollstreckten. Gerade wegen dieser Charakteristika
waren sie sehr beliebt, einige von ihnen waren von dem obersten
Herrscher, dem Kaiser, hochgeschätzt. Zweifelsohne trug
die Ausübung der Ämter durch die aufrechten Beamten zur
gesellschaftlichen Stabilität, zur wirtschaftlichen Entwicklung
und zur Konsolidierung der Macht des Kaiserhofs bei.
Zhao Guangyi (939-997), ein Kaiser der Song-Dynastie,
hat eigenhändig ein aus 16 Schriftzeichen bestehendes Mahnwort
geschrieben: „Ihr Gehalt besteht aus sauer geernteten Früchten.
Es ist leicht, das Fußvolk zu misshandeln, aber es ist
schwer, den Himmel zu betrügen.“ Dieses Mahnwort ließ
er in Steintafeln einhauen, die in den Amtssitzen der Verwaltungsbehörden
des ganzen Landes standen, um die Lokalbeamten zu mahnen.
Dieses Mahnwort war bis in die Qing-Dynastie
überliefert und stand auf dem Torbogen am Eingang der Verwaltungsbehörde,
damit es die Beamten oft sehen konnten. Auf der anderen Seite
des Torbogens standen die Schriftzeichen für „Gerechtigkeit“.
Diese Torbögen kann man beispielsweise heute noch im alten
Amtssitz der Lokalverwaltung der Präfektur Huozhou, Provinz
Shanxi, sehen.