März 2002
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Kultur und Kunst

Aus Schnurringen bestehende Schlingen als chinesisches Glückssymbol
Zhang Qian, ein Pionier der Seidenstrasse

 

Anmerkungen zum chinesischen Glückssymbol Fledermaus

Von Huo Jianying

Auf chinesischen antiquarischen Vasen ist ein Motiv häufig zu sehen, wie ein Kind mit gehobenem Kopf  eine in der Luft fliegende Fledermaus beobachtet. Das alte Motiv ist  eine wahre Beschreibung des Alltagslebens in der alten Hauptstadt Beijing.

Verschwundene Bilder des Alltags von Beijing

Alte Beijinger können sich heute noch deutlich an eine Szene aus ihrer Kindheit erinnern: An einem Sommerabend setzten sich die Bewohner des Wohnhofs nach einem anstrengenden Arbeitstag unter den Bäumen des Wohnhofs zusammen, trinken gemütlich Tee und plaudern, wobei sie die Fächer in ihrer Hand schwenkten, um die schwüle Luft zu vertreiben.

Dämmerungsaktive  Fledermäuse flogen, flatterten in niedriger Höhe und brachen damit die Stille des Abends. Spitzbübische Kinder jagten laufend ihnen nach. Manche zogen noch ihre Schuhe aus und warfen sie in die Luft, um die Fledermäuse zu erbeuten, die jedoch beim Fangen von Insekten mal hoch und mal niedrig flogen,  als ob sie absichtlich mit den Kindern Spaß machten. Diese Szene gab es einmal vor langer Zeit.

Von der Mitte des 20. Jahrhunderts an machten immer mehr alte Wohnhöfe in der Stadt Plattenbauten und anderen Betongebäuden Platz, hinzu kamen noch viele niedrige Erdbeben-Schuppen. (Kurz nach dem Erdbeben in Tangshan in der Nähe von Beijing 1976 hausten viele Einwohner in Beijing sicherheitshalber in den eilig gebauten primitiven Schuppen, die auch lange Zeit danach nicht abgebaut wurden.) Geräumige, luftige und mit Pflanzen geschmückten Wohnhäuser verschwanden fast völlig. Die Bewohner haben keine Höfe mehr, und die Fledermäuse verloren ihre Lebensräume. So sind die Fledermäuse auch nicht mehr zu sehen.

Heute haben viele in der Stadt aufgewachsene Jugendliche in ihrem Leben noch keine Fledermaus zu Gesicht bekommen. Ihre Kenntnisse über die Fledermaus sind weitaus geringer als die über Batman. Nach ihrer Vorstellung sind Fledermäuse nicht mehr die fliegenden Tiere in der Luft, nach denen die Kinder noch vor einigen Jahrzehnten am Sommerabend liefen, sondern sie sind nun ein in einen schwarzen Mantel gehüllter „Supermann“. Er hat einen wundersamen Fledermaus-Wagen und Fledermaus-Kampfflugzeuge und sie bilden eine Fledermaus-Form vor dem Mond als Hintergrund.

Das Auftauchen von Batman verlieh jedoch den Fledermäusen eine mystische Färbung. Die Fledermaus ist eigentlich ein weltliches Geschöpf ,  lebt und pflanzt sich in ihrer Art fort. Aber die Menschen haben sie zu einem symbolhaften Wesen gemacht, das Verehrung und Verachtung in sich birgt.

Urteile und Vorurteile über Fledermäuse

In China galt die Fledermaus in alter Zeit als außerordentlich verdächtig, insbesondere hinsichtlich ihres ungewöhnlichen Aussehens und ihrer Lebensgewohnheit. Die Menschen damals konnten nicht herausfinden, woher diese besonderen Mäuse mit den Flügeln kommen. Lange Zeit verbreitete sich eine volkstümliche Erzählung, dass die Mäuse, nachdem sie Salz, Kroton oder Öl gefressen hatten, zu Fledermäusen geworden seien. Da die Mäuse berüchtig waren, hatten die Fledermäuse einen schlechten Ruf.

In der Periode der Drei Reiche (220 – 280) hat der große Dichter Cao Zhi ein Essay über Fledermäuse geschrieben. Der Textanfang lautet: „Oh, aus welcher bösen Luft stammt eigentlich die Fledermaus!“ Der Dichter bemerkt weiter dazu, „dass sich dieses Tier weder in die Tiere mit Fellen noch in die Tiere mit Federflügeln einordnen lässt.“ Dieses negative Urteil steht nicht allein, auch in den Äsopischen Fabeln wird die Fledermaus als armseliger Spekulant beschrieben. In großen Schlachten zwischen Vögeln und vierfüßigen Tieren schmeichelt die Fledermaus immer dem Sieger, indem sie zu den Vögeln sagt: sie sei ein Vogel; zu den vierfüßigen Tieren, sie gehöre zu diesen.

Nachdem der Frieden geschlossen wurde, wird die Fledermaus jedoch von beiden Seiten geächtet. Sie scheut sich, am Tag zu erscheinen, und kann so nur bei der Abenddämmerung ausfliegen.

In alten chinesischen medizinischen Büchern steht geschrieben: Die Fledermaus sei ein Heilmittel und könne das Leben verlängern sowie kindliche Epilepsie heilen. „Die tausend Jahre alte Fledermaus hat eine schneeweiße Farbe. Man sollte sie nach deren Erbeutung im Schatten trocknen und zu Pulvern zerstoßen. Wenn man diese eingenommen hat, kann man zur Langlebigkeit gelangen.“ Diese Ausführungen sind offensichtlich ein barer Unsinn. In der Welt wird nie über die „schneeweiße Fledermaus“ berichtet. Seither ist weder die Verlängerung des Lebensalters noch die Heilung irgendeiner Krankheit durch die Fledermaus bekannt geworden. Wenn die Fledermaus wirklich solche wundersame Wirkungen hätte, dann wäre sie wohl längstens schon ausgerottet.

Erst in neuer Zeit hat man festgestellt, dass die Fledermaus weder Blutsauger noch wundersames Heilmittel ist. Sie ist nichts weiter als ein Säugetier mit der Fähigkeit zum Fliegen und gehört zoologisch zu Flattertieren. Dass sie in der Nacht fliegen kann, ist auf ihren hochentwickelten Gehörsinn zurückzuführen, der nach dem Prinzip der Echopeilung durch die durch Mund und Nase ausgesandten hochfrequenten Ultraschallwellen ein zugehöriges Raumbild vermittelt. Ihre Sehschärfe ist außerordentlich schwach.

Symbolhafte Wirkung

Die Fledermaus hat in China das Glück gehabt, trotz üblem Leumund  verschiedene Unheile zu überleben, was nicht zuletzt an ihrer Bezeichnung liegt.

Der zweite Teil der aus zwei Schriftzeichen zusammengesetzten Bezeichnung für Fledermaus im Chinesischen ist „fu“ und entspricht in der Aussprache dem Schriftzeichen Glück. Philosophisch gesehen sieht man in der Fledermaus wohl tatsächlich ein Glückssymbol, denn die daoistische Dialektik lehrt den Menschen, dass sich Glück und Unglück in einem ständigen Umwandlungsprozeß befinden. Hinzu kommt noch, dass die Insekten fangende Fledermaus seit jeher still und in rührender Weise für die Menschheit arbeitet. Vor einigen Jahrhunderten hat ein gutherziger Mann die Fledermaus von den Vorurteilen befreit und sie aufgrund des Homophons zu einer sog. „ Image-Trägerin“ des Glücks gemacht. So wurde die unansehnliche Fledermaus zum Symbol des Glücks.

Man hat vermutlich um 17. Jahrhundert angefangen, die Fledermaus als Glück symbolisierendes Motiv zu verwenden. In der mittleren und späten Periode der Qing-Dynastie (1644-1911) wurde dieses Motiv sehr häufig verwendet. Man sieht es auf Bauteilen, Textilmustern, Gemälden, Porzellanen, Möbelstücken und Ziegelsteinen und auf Seidenstickereien. Die Gestaltung des Motivs beruht auf genauer Wiedergabe, manchmal aber auch auf Abstrahierung. Die Fledermaus hat nun ein immer besseres Ausssehen.

Es kommt vor, dass das Motiv allein oder mit anderen Motiven zusammen gestaltet wurde. Wenn beispielsweise fünf einzelne Fledermäuse in einem Bild gezeichnet sind, dann handelt es sich um fünf „fu“(Glück), dieses fünfmaliges Glück bezieht sich auf fünf wichtige Lebensziele der Menschen in alter Zeit: Langlebigkeit, Reichtum, Gesundheit, Tugendhaftigkeit und ein ruhiges Lebensende.

Die fünf Fledermäuse kreisen im Bild um das stilisierte kalligraphische Schriftzeichen „Langlebigkeit“, das Bild trägt den Titel: Fünfmaliges Glück mit Langlebigkeit im Mittelpunkt. Neben der Kombination mit den Schriftzeichen wird das Motiv Fledermaus auch häufig mit dem Motiv Pfirsisch verwendet. Das symbolisiert ebenfalls Glück.

 Ein Bild mit Fledermäusen und Münzen mit einem viereckigen Loch bildet eine Variation der Gestaltung des Fledermaus-Motivs aufgrund des Homophons und lässt sich ebenfalls symbolisch auslegen: Das Schriftzeichen für das Loch in der Münze entspricht im Chinesischen in der Aussprache dem Yan (Auge), und die Münze etwa der Präposition „vor“. Diese ausgeklügelte Motivkombination bedeutet letzten Endes „Glück ist vor den Augen“, es ist also in greifbarer Nähe.

In den Frühlingsfestbildern wird Zhongkui als unsterbliche mystische Figur verehrt. Nach der volkstümlichen Überlieferung kann er sowohl böse Geister vertreiben, als auch Glück herbeizaubern. In einem Bild mit Zhongkui ist über seinem Schwert eine kleine fliegende Fledermaus gezeichnet. So sind seine beiden Funktionen veranschaulicht.

 Wenn die Fledermaus rot bemalt ist, dann bedeutet das, dass das große Glück kommt, - „Hong“ (rot) wird im Chinesischen gleich ausgesprochen wie „Hong“ (gewaltig, groß).

Bleibende Magie im Homophon

Literaten in alter Zeit machten gern Wortspiele unter Verwendung von Redensarten in literarischen Werken, Malerei, aber auch im Alltagsleben. Im Roman Traum der Roten Kammer  machte beispielsweise Shi Xiangyun einen Scherz mit ihren Dienstmädchen, als sie einen gekochten Entenkopf speiste: „Dieser Yatou (Entenkopf) ist doch anders als jener Yatou (Dienstmädchen), darauf gibt es kein Haaröl.“  Heute ist eine derartige von Literaten erfundene Wortspielerei vom modernen Leben weit entfernt, doch der Einfluss der durch Homophon geprägten Wortspielerei ist immer noch deutlich spürbar. Beispielsweise möchte man heute in Telephonnummern und auf Autonummernschildern gern die Ziffer 8 haben,  denn diese bevorzugte Ziffer entspricht in ihrer Aussprache dem Verb in den Wendungen „faji“ (Karriere machen), „facai“ (reich werden). Die Ziffer 8 gilt also als Glücksziffer.

Auf den Glück symbolisierenden Bildern ist häufig die Motivkombination von einer Fledermaus und einem Hirsch zu sehen. Sie bedeutet, dass Glück und Beamtensalär gleichzeitig kommen, weil Hirsch im Chinesischen wie Beamtensalär gleich ausgesprochen wird. Auf den Frühlingsfestbildern sieht man am häufigsten einen Jungen mit einem großen Fisch im Arm vor einem Lotushintergrund. Neben der fröhlichen Stimmung im Bild bringt es in symbolischer Weise zum Ausdruck, dass man in den kommenden Jahren hintereinander Überschuss hat, wobei wieder das Homophon im Spiel ist: „Lian“ (Lotus) wird wie „lian“ (hintereinander), „yu“ (Fisch) wie „yu“ (Überschuss) ausgesprochen wird.

Es gibt über einhundert derartige Wortspiele, manche sind volkstümlichen Ursprungs, manche wurden von Literaten ersonnen. Manche sind literarisch stilisiert, manche klingen wiederum vulgär. Im Lauf der Zeit wurden vulgäre Wortspiele ausgeschieden.

Glückssymbole verkörpern die Vorstellung der Menschen vom Glück. Die Glücksvorstellung der Völker hat sowohl Gemeinsamkeiten als auch Eigenheiten. Im Grunde stellt sie ein Streben nach einem glücklichen Leben dar. Glückssymbole tragen das Gepräge der jeweiligen Zeit und die kulturellen Charakterzüge verschiedener Völker. Die Geschichte der Glückssysmbole ist genauso alt wie die Geschichte der chinesischen Zivilisation und ist ein aus der Vergangenheit überliefertes Kulturerbe. Dabei sind manchmal Spreu und Weizen vermischt, im Lauf der Zeit hat sich die Spreu allerdings meistens vom Weizen geschieden. Viele Symbole werden heute noch verwendet. Sie erfreuen die Seele und verschönen das Leben.

Aus der Vergangenheit sind viele Bildmuster mit dem Fledermaus-Motiv überliefert, viele werden heute noch verwendet. Dabei können die Fledermäuse beruhigt sein, selbst wenn sie den göttlichen Altar nicht erreicht haben, können sie in Sicherheit leben, denn immer mehr Menschen gelangen zur Erkenntnis, dass die Menschheit mit den anderen Geschöpfen der Welt in Harmonie leben muss. Mit ihnen vernünftig umzugehen, bedeutet, vernünftig mit sich selbst umzugehen - das bringt der Menschheit Glück. 

 

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