März 2002
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Gesellschaft

 

Yunling – Eine Stadt in den Bergen

Von  Qi Juan

Yunling ist eine kleine Stadt im nördwestlichen Teil des Kreises Jingxian in der Provinz Anhui. Zwischen dem Sigu- und dem Yunling-Gebirge eingebettet, besticht sie durch eine reizvolle Landschaft. Yunling ist jedoch weniger für seine Schönheit als für einen Namen bekannt: Ye Ting – der berühmte General im antijapanischen Widerstandskrieg. Vor 60 Jahren haben Ye Ting und seine Truppen in diesem Gebiet gegen die Aggressoren gekämpft. Zahlreiche Kriegsschauplätze zeugen von seinen Heldentaten. Im Mai 2000 stattete Staatspräsident Jiang Zemin der Stadt einen Besuch ab, was dieser Entwicklungsperspektiven bescherte. Anfang 2002 besuchte unser Reporter Qi Juan die Stadt und schildert im Folgenden Leben und Arbeit der Bauern.

Das Dorf, in dem ich wohnte, erwachte zum Leben, als die Sonne hinter den Bergen aufging. Mehrere kräftige Männer standen am Tor des Hauses vom Alten Zhang. „Beeil dich, Alter Zhang. Wir werden heute deine Parzelle als erste bearbeiten“. Der Alte Zhang zieht sich seine Jacke an, knöpft sie sich im Gehen zu und sie gehen ins Gespräch vertieft in Richtung der Felder.

Yunling ist eine dörflich geprägte Stadt, in der vorwiegend Reis angebaut wird. In den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ging man von der kollektiven Landwirtschaft zum vertraglichen System der Eigenverantwortung über und die Bauern erhielten eigene Parzellen.

Das neue System stimulierte den Unternehmungsgeist der Bauern, hatte aber auch eine Schattenseite: kleinere Familien konnten in der Erntezeit die anfallende Arbeit kaum bewältigen. Man löste das Problem, indem man Dorfgruppen bildete. In dem aus neun Dörfern bestehenden Yunling bildete man aus den mehr als 3000 Haushalten 84 Dorfgruppen, die sich gegenseitig in der Hauptsaison mit Arbeitskräften und Maschinen aushalfen.

Die Mechanisierung der Landwirtschaft hat sich in Yuling stetig entwickelt und vielen Arbeitskräften zu Nebenerwerbsquellen wie die Zucht von Seidenraupen, Enten und Fischen verholfen. Überschüssige Arbeitskräfte werden von einer eigens gegründeten Arbeitsvermittlungsgesellschaft an andere Stellen weitervermittelt.

Yunling liegt in einem schmalen Landstreifen zwischen zwei Gebirgen, anfällig gegen Überflutung und Dürre. In der Vergangenheit konnten sich die Bauern nur auf die menschliche Arbeitskraft und Nutztiere stützen, die Arbeitsproduktivität war sehr gering. Der Lebensstandard in zwei Drittel der Dörfer lag mit weniger als 1000 Yuan jährlichem Durchschnittseinkommen unter der Armutsgrenze. Heute haben zweistöckige Häuser die ehemals kleinen und einstöckigen Lehmgebäude ersetzt. Die Bauern haben sich von der Armut verabschiedet und blicken voller Zuversicht in ein Leben im Wohlstand.

Früher brauchte man drei Stunden für den drei Kilometer langen Bergpfad zur Kreisstadt. Die schmutzigen Pfade zwischen den Dörfern waren uneben und holprig, in Staub gehüllt an schönen Tagen, schlammig an Regentagen.

Die Bevölkerung begrüßte mit Begeisterung die Entscheidung der Stadtregierung, in einer konzertierten Aktion neue Strassen zu bauen und alte auszubessern. Man erzählt sich immer noch die Geschichte eines alten Bauern, der an einem Bergabhang lebte und einhändig, tagein und tagaus, nur mit Hacke und Spaten die Bergstrasse verbreiterte und einebnete.

Heute sind zwei wichtige Gebirgsstraßen fertiggestellt und Asphaltstraßen verbinden die meisten Dörfer. In den nächsten beiden Jahren wird die Stadtregierung diese Infrastrukturmaßnahmen fortsetzen und damit die Grundlage für eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung schaffen.

Für die Bevölkerung von Yuling steht außer Frage, dass es keine Stabilität ohne Landwirtschaft gibt, aber auch keinen Wohlstand ohne Industrie. Deshalb hat die Stadtregierung in den letzten Jahren die Industrialisierung der Stadt gefördert, so dass sieben staatseigene und 22 private Unternehmen Arbeitsplätze im Kunsthandwerk, in der Papierherstellung, im mechanischen und elektrischen Gerätebau, in der Goldförderung und der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse geschaffen haben.

Ich besuchte die Yuling Fabrik für Kunsthandwerk und sprach mit ihrem Direktor. Dieser war früher Bauer und das Leben meinte es nicht immer gut mit ihm. Angeregt vom Erfolg von Bauern aus Nachbargemeinden startete er 1992 seine Unternehmung. Anfangs konnte er nur ein Dutzend Arbeiter beschäftigen, doch inzwischen ist die Belegschaft auf 400 angewachsen, die in sechs verschiedenen Werkhallen arbeiten. Seit 1997 exportiert das Unternehmen in die USA und kürzlich konnte ein langfristiger Liefervertrag mit einer amerikanischen Gesellschaft abgeschlossen werden.

Der Sohn des Alten Zhang besucht die Mittelschule. Als ich ihn fragte, was er machen wird, wenn er erwachsen ist, antwortete er stolz: „Auf die Universität gehen und die Welt hinter den Bergen sehen.“ Viele Kinder in dieser Gegend träumen von der Welt jenseits der Berge.

Die Yunling Mittelschule, die einzige Mittelschule der Stadt, wurde 1972 für weniger als 50 Schüler gegründet. Heute hat sie 11 Klassen mit fast 600 Schülern, die von 37 Lehrern (früher 7) unterrichtet werden. Die Lehrkräfte haben mindestens einen Abschluss an einer höheren Lehranstalt. Im letzten Jahr waren die Prüfungsergebnisse der Schüler dieser Schule die besten im ganzen Kreis und eine steigende Anzahl von Kindern haben auf weiterführende Schulen gewechselt.

Als ich die Schule besuchte, lernten die Schüler noch in ihren heruntergekommen Klassenräumen, ausgestattet mit wackeligen Stühlen und Pulten, der kalte Wind zog durch die undichten Fenster. Aber in diesem Frühjahr werden sie in das neue Schulgebäude umziehen, das neben dem alten errichtet wurde.

Finanziert wurde das neue Gebäude von der Stadtregierung, die in einer guten Bildung eine langfristige Investition in die Zukunft sieht. Wann immer ich durch Yunling ging, sah ich Menschen, die hart an der Entwicklung der lokalen Wirtschaft und der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen arbeiteten. Ich wünsche ihnen aus ganzem Herzen Erfolg. 

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