
Yunling
– Eine Stadt in den Bergen
Von
Qi Juan
Yunling ist eine kleine Stadt im nördwestlichen
Teil des Kreises Jingxian in der Provinz Anhui. Zwischen dem
Sigu- und dem Yunling-Gebirge eingebettet, besticht sie durch
eine reizvolle Landschaft. Yunling ist jedoch weniger für seine
Schönheit als für einen Namen bekannt: Ye Ting – der berühmte
General im antijapanischen Widerstandskrieg. Vor 60 Jahren haben
Ye Ting und seine Truppen in diesem Gebiet gegen die Aggressoren
gekämpft. Zahlreiche Kriegsschauplätze zeugen von
seinen Heldentaten. Im Mai 2000 stattete Staatspräsident
Jiang Zemin der Stadt einen Besuch ab, was dieser Entwicklungsperspektiven
bescherte. Anfang 2002 besuchte unser Reporter Qi Juan die Stadt
und schildert im Folgenden Leben und Arbeit der Bauern.
Das
Dorf, in dem ich wohnte, erwachte zum Leben, als die Sonne hinter
den Bergen aufging. Mehrere kräftige Männer standen
am Tor des Hauses vom Alten Zhang. „Beeil dich, Alter Zhang.
Wir werden heute deine Parzelle als erste bearbeiten“. Der Alte
Zhang zieht sich seine Jacke an, knöpft sie sich im Gehen
zu und sie gehen ins Gespräch vertieft in Richtung der
Felder.
Yunling ist eine dörflich geprägte
Stadt, in der vorwiegend Reis angebaut wird. In den frühen 80er
Jahren des letzten Jahrhunderts ging man von der kollektiven
Landwirtschaft zum vertraglichen System der Eigenverantwortung
über und die Bauern erhielten eigene Parzellen.
Das
neue System stimulierte den Unternehmungsgeist der Bauern, hatte
aber auch eine Schattenseite: kleinere Familien konnten in der
Erntezeit die anfallende Arbeit kaum bewältigen. Man löste
das Problem, indem man Dorfgruppen bildete. In dem aus neun
Dörfern bestehenden Yunling bildete man aus den mehr als
3000 Haushalten 84 Dorfgruppen, die sich gegenseitig in der
Hauptsaison mit Arbeitskräften und Maschinen aushalfen.
Die Mechanisierung der Landwirtschaft hat
sich in Yuling stetig entwickelt und vielen Arbeitskräften
zu Nebenerwerbsquellen wie die Zucht von Seidenraupen, Enten
und Fischen verholfen. Überschüssige Arbeitskräfte
werden von einer eigens gegründeten Arbeitsvermittlungsgesellschaft
an andere Stellen weitervermittelt.
Yunling liegt in einem schmalen Landstreifen
zwischen zwei Gebirgen, anfällig gegen Überflutung
und Dürre. In der Vergangenheit konnten sich die Bauern nur
auf die menschliche Arbeitskraft und Nutztiere stützen, die
Arbeitsproduktivität war sehr gering. Der Lebensstandard
in zwei Drittel der Dörfer lag mit weniger als 1000 Yuan
jährlichem Durchschnittseinkommen unter der Armutsgrenze.
Heute haben zweistöckige Häuser die ehemals kleinen
und einstöckigen Lehmgebäude ersetzt. Die Bauern haben
sich von der Armut verabschiedet und blicken voller Zuversicht
in ein Leben im Wohlstand.
Früher
brauchte man drei Stunden für den drei Kilometer langen Bergpfad
zur Kreisstadt. Die schmutzigen Pfade zwischen den Dörfern
waren uneben und holprig, in Staub gehüllt an schönen Tagen,
schlammig an Regentagen.
Die Bevölkerung begrüßte mit Begeisterung
die Entscheidung der Stadtregierung, in einer konzertierten
Aktion neue Strassen zu bauen und alte auszubessern. Man erzählt
sich immer noch die Geschichte eines alten Bauern, der an einem
Bergabhang lebte und einhändig, tagein und tagaus, nur
mit Hacke und Spaten die Bergstrasse verbreiterte und einebnete.
Heute
sind zwei wichtige Gebirgsstraßen fertiggestellt und Asphaltstraßen
verbinden die meisten Dörfer. In den nächsten beiden
Jahren wird die Stadtregierung diese Infrastrukturmaßnahmen
fortsetzen und damit die Grundlage für eine weitere Verbesserung
der wirtschaftlichen Entwicklung schaffen.
Für die Bevölkerung von Yuling steht
außer Frage, dass es keine Stabilität ohne Landwirtschaft
gibt, aber auch keinen Wohlstand ohne Industrie. Deshalb hat
die Stadtregierung in den letzten Jahren die Industrialisierung
der Stadt gefördert, so dass sieben staatseigene und 22
private Unternehmen Arbeitsplätze im Kunsthandwerk, in
der Papierherstellung, im mechanischen und elektrischen Gerätebau,
in der Goldförderung und der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher
Erzeugnisse geschaffen haben.
Ich besuchte die Yuling Fabrik für Kunsthandwerk
und sprach mit ihrem Direktor. Dieser war früher Bauer und das
Leben meinte es nicht immer gut mit ihm. Angeregt vom Erfolg
von Bauern aus Nachbargemeinden startete er 1992 seine Unternehmung.
Anfangs konnte er nur ein Dutzend Arbeiter beschäftigen,
doch inzwischen ist die Belegschaft auf 400 angewachsen, die
in sechs verschiedenen Werkhallen arbeiten. Seit 1997 exportiert
das Unternehmen in die USA und kürzlich konnte ein langfristiger
Liefervertrag mit einer amerikanischen Gesellschaft abgeschlossen
werden.
Der Sohn des Alten Zhang besucht die Mittelschule.
Als ich ihn fragte, was er machen wird, wenn er erwachsen ist,
antwortete er stolz: „Auf die Universität gehen und die
Welt hinter den Bergen sehen.“ Viele Kinder in dieser Gegend
träumen von der Welt jenseits der Berge.
Die Yunling Mittelschule, die einzige Mittelschule
der Stadt, wurde 1972 für weniger als 50 Schüler gegründet.
Heute hat sie 11 Klassen mit fast 600 Schülern, die von 37 Lehrern
(früher 7) unterrichtet werden. Die Lehrkräfte haben mindestens
einen Abschluss an einer höheren Lehranstalt. Im letzten
Jahr waren die Prüfungsergebnisse der Schüler dieser Schule
die besten im ganzen Kreis und eine steigende Anzahl von Kindern
haben auf weiterführende Schulen gewechselt.
Als ich die Schule besuchte, lernten die Schüler
noch in ihren heruntergekommen Klassenräumen, ausgestattet
mit wackeligen Stühlen und Pulten, der kalte Wind zog durch
die undichten Fenster. Aber in diesem Frühjahr werden sie in
das neue Schulgebäude umziehen, das neben dem alten errichtet
wurde.
Finanziert wurde das neue Gebäude
von der Stadtregierung, die in einer guten Bildung eine langfristige
Investition in die Zukunft sieht. Wann immer ich durch Yunling
ging, sah ich Menschen, die hart an der Entwicklung der lokalen
Wirtschaft und der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen arbeiteten.
Ich wünsche ihnen aus ganzem Herzen Erfolg.