Angefangen
bei Ronaldos Frisur...
Von Huo
Jianying




Neben seinem fußballerischen Können
leistete Ronaldo einen anderen wichtigen Beitrag zur Fußball-WM
2002, und zwar durch sein neues Haarstyling, das nun Mode geworden
ist – auch wenn viele Leute seine seltsame Frisur lange nicht
so hoch schätzen wie seine Spieltechnik.
Ronaldos neue Frisur ist Chinesen nicht
fremd
Ein
brasilianischer Friseur sagte, seitdem Ronaldo seine Haare bei
der WM 2002 bis auf einen Büschel scheren ließ, verlangten
viele Leute nach dem gleichen Haarschnitt. Eine solche Frisur
kostet einen US-Dollar – ein recht hoher Preis in Brasilien.
Eine 25-jährige Brasilianerin bemerkte
darauf leicht entnervt: „Mein Gott! Warum hat Ronaldo ein solches
Haarstyling. Mein Freund hatte das gleiche, aber ich hielt es
einfach nicht aus und ließ ihn kahl scheren.“
Ronaldos Frau sagte zu seiner Frisur nicht
viel. Sie meinte bloß, wenn die Frisur ihm Glück bringe,
dann solle er sie so lassen.
Es scheint, dass diese Frisur bei vielen Frauen
wenig Gefallen fand. Es wurde berichtet, dass Ronaldo sich bei
den Müttern entschuldigte, weil ihre Kinder nun das gleiche
Büschel auf ihrem Kopf tragen.
Obwohl die Frisur weltweit große Aufmerksamkeit
erregt hat, gibt es bis jetzt keine einheitliche Benennung.
Die Chinesen nennen sie gewöhnlich „A Fu“ (fu bedeutet
Glück).
Nach
der Meinung von Beijinger Friseuren unterscheidet sich Ronaldos
neue Frisur kaum vom traditionellen chinesischen „A Fu“-Haarschnitt.
Jeden Sommer lassen viele Kinder ihre Haare zu „A Fu“ schneiden,
damit ihr Kopf kühl bleibt und sie gleichzeitig ihre Haare
leichter waschen können. In diesem Jahr haben viele Friseure
„A Fu“ ein wenig nach Ronaldos Frisur geändert und dabei
viel Geld verdient.
Traditionell ist der „A Fu“-Schnitt in China
für Kinder bestimmt, deshalb lassen sich viele junge Fußballfans
lieber nach Beckhams „Hahnenkamm“ frisieren.
A Fu ist eine Kinderfigur aus Lehm. Das handwerkliche
Produkt aus Huishan bei Wuxi, Provinz Jiangsu, hat eine Geschichte
von über 400 Jahren. In der Ming-Zeit (1368–1644) wurden in
Huishan viele Tempel gebaut. Um die Wünsche nach Glück, Fruchtbarkeit
und Langlebigkeit auszudrücken, wurden Lehmfiguren wie der Gott
des langen Lebens, die Bodhisattwa der Fruchtbarkeit oder rundliche
Kinder geformt. Die bekannteste davon ist A Fu.
Der
Überlieferung nach war A Fu ein Junggeselle in alter Zeit,
der für die Bändigung der bösen Geister sein Leben
geopfert hatte. Um dessen zu gedenken, formten seine Landsleute
mit heimatlichem Lehm eine Statue für ihn, aus der sich später
zwei rundliche Kinderfiguren, eine männliche und eine weibliche,
entwickelten. Die beiden Kinderfiguren sind lieblich und sollen
Glück bringen und böse Geister vertreiben. Die männliche
Kinderfigur hat auf dem Scheitel nur ein pfirsichförmiges
Büschel, während die weibliche Kinderfigur links und rechts
je einen Haarknoten trägt. Der „A Fu“-Haarschnitt wird
in China auch „Ponyfrisur“ genannt. Damit gemeint sind Haare,
die vorne auf dem Scheitel oder vor der Stirn hängen.
Im alten China hatten die Mädchen normalerweise
kurzes Haar und trugen zwei Haarknoten oder zwei geflochtene
Zöpfe. Die Knaben hatten eine Ponyfrisur. Nur das Haarbüschel
war entweder vorn oder hinten auf dem Scheitel. Manche Knaben
hatten auch einige Haarbüschel ringsum auf dem Scheitel.
Haarknoten stecken und eine Kopfbedeckung
aufsetzen, ein Zeichen der Volljährigkeit für Männer
Wenn junge Adlige im alten China mündig wurden,
wurde eine feierliche Krönungszeremonie veranstaltet.
In der Zhou-Dynastie (11 Jh. v.u.Z. – 256
v.u.Z.) wurden Männer im Alter von 20 Jahren mündig. Die
Krönungszeremonie fand im Ahnentempel statt, den Vorsitz
führte der Vater. Dabei wurden viele Gäste eingeladen.
Es gab drei Arten von Kopfbedeckungen, deshalb wurde der Volljährige
dreimal gekrönt. Für die erste Krönung wurde eine
Kopfbedeckung aus schwarzem Hanf aufgesetzt, welche für die
adligen Privilegien stand. Dann kam eine lederne Kopfbedeckung,
die ausdrückte, dass der junge Mann fortan wehrpflichtig war.
Zuletzt wurde der Volljährige mit einer rotschwarzen Kopfbedeckung
aus feinstem Hanf gekrönt. Dies bedeutete, dass er ab diesem
Zeitpunkt offiziell an protokollarischen Gesellschaftsaktivitäten
teilnehmen durfte.
Für Leute aus dem Volk war alles sehr einfach.
Ein volljähriger Mann brauchte nur seine herabhängenden
Haare zu einem Knoten zu stecken und ihn dann mit einem Stück
Tuch zu umwickeln. Deshalb waren das herabhängende Haar
und der Haarknoten wichtige Unterschiede zwischen Kindern und
Erwachsenen.
Gegenwärtig wird die damalige Kopfbedeckung
oft für einen Hut gehalten. In der Tat ist die Kopfbedeckung
aus alter Zeit anders als der moderne Hut. Die alte Kopfbedeckung
war viel kleiner als moderne Hüte. Sie bedeckte nicht den ganzen
Scheitel, sondern umhüllte nur den Haarknoten. Als Material
für die Kopfbedeckung wurden Hanf, Bambus, Leder, Jade oder
Metall verwendet, je nach Status und wirtschaftlicher Situation
des Trägers.
Erwachsene Frauen trugen eine Haarspange
im Knoten
Die Mädchen wurden im alten China normalerweise
im 15. Lebensjahr volljährig, denn sie galten mit diesem
Lebensalter als heiratsfähig. Als Zeichen dafür steckten
sie ihr Haar mit einer Haarspange zu einem Knoten.
Die Frisuren erwachsener Chinesinnen unterschieden
sich in alter Zeit hauptsächlich in Höhe, Form und
Stelle der Haarknoten. Tonangebend in der Haarmode waren damals
vornehmlich adlige Frauen und Konkubinen. In der langen Periode
des Wohlstands in der Tang-Dynastie (618–907) spiegelten die
Haartracht und der Kopfschmuck Vornehmlichkeit und Würde wider.
Die Frauen aus der Tang-Zeit hatten eine besondere Vorliebe
für hochgesteckte und dichte Frisuren. Um den Haarknoten zu
erhöhen, wurden schon damals Perücken als Kopfschmuck gebraucht.
Als Kopfschmuck gab es Accessoires sowohl aus Gold, Silber und
Juwelen als auch aus Bambus und Holz.
Kopf und Haar waren gleichbedeutend
Laut konfuzianischer Lehre waren Haut und
Haare ein Geschenk der Eltern und durften deshalb auf keinen
Fall verletzt werden. Die Haarpflege und der Haarschutz hingen
nicht nur mit dem Aussehen, sondern auch mit dem moralischen
Charakter zusammen.
Wenn man in alter Zeit unordentlich gekleidet
war, wurde das als äußerst unhöflich oder gar
als schändlich angesehen. Zilu, einem Schüler von Konfuzius,
wurde in einem Kampf im Bürgerkrieg im Königreich Wei die
Schnur, die seine Kopfbedeckung festband, durchgeschnitten.
Er schrie: „Ein Ehrenmann stirbt nicht ohne Kopfbedeckung!“,
setzte seine Waffe ab, um seine Haare und die Kopfbedeckung
wieder in Ordnung zu bringen, und wurde getötet.
In den Kriegswirren der Drei Reiche (220 –
280) wollte Cao Cao die Herrschaft übernehmen. Um die Bevölkerung
auf seine Seite zu bringen, befahl er, dass die Truppen auf
ihren Märschen die Ackerfelder nicht betreten durften.
Jeder, der gegen den Befehl verstieß, würde enthauptet.
Bei einem der Märsche brannte sein Streitross durch und
lief, von Furcht gepackt, in ein Weizenfeld, wo es viele Schösslinge
zertrat. Laut der Verordnung sollte Cao Cao der Kopf abgeschlagen
werden, doch schließlich war er der Oberbefehlshaber und
konnte natürlich nicht geköpft werden. So wurden ihm statt
des Kopfs die Haare abgeschnitten. Aus heutiger Zeit mag dies
geringfügig erscheinen, doch in alter Zeit galt diese Strafe
als sehr hart. Die Tradition, das Haar wie das Leben zu schonen,
bestand bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts fort.
Das Haar oder der Kopf, eine Entscheidung
über Leben und Tod
Die Chinesen hätten sich damals nicht
träumen lassen, dass ihnen die Änderung der Frisur
großes Unheil bringen könnte.
1644 übernahm die Qing-Dynastie die Macht
im Reich der Mitte. Die Herrscher waren keine Han-Chinesen,
sondern Mandschu. Die Männer der Mandschu trugen eine andere
Haartracht als die Han-Chinesen, die genau das Gegenteil von
Ronaldos Haarstyling war. Der vordere Kopfteil war rasiert und
die restlichen Haare wurden zu einem langen Zopf geflochten.
Um die mandschurische Herrschaft zu festigen, wurden die Han-Chinesen
streng kontrolliert. Nach außen riegelte sich die Qing-Dynastie
praktisch ab und nach innen wurden alle Einflüsse der letzten
Dynastie, der Ming, zu beseitigen versucht. Im Juni und Juli
1645 erließ die Qing-Regierung zweimal hintereinander
den Befehl, die Haare nach den Gepflogenheiten der Mandschu
zu schneiden. Außerdem mussten sich alle Männer der
Qing-Dynastie wie die Mandschu kleiden. Wer zuwiderhandelte,
wurde enthauptet. Später prägte der Volksmund den
Spruch: „Wenn man seine Haare behalten will, verliert man den
Kopf; wenn man den Kopf behalten will, dann verliert man seine
Haare.“
Gegen den grausamen Befehl kämpften viele
bis zum Tod. In vielen Gebieten südlich des Yangtse brachen
mehrmals Aufstände aus, die aber alle scheiterten. Die
Aufständischen opferten ihr Leben im Kampf für ihre Würde
und Standhaftigkeit. Beklagenswert ist, dass unter der über
260 Jahre dauernden Qing-Herrschaft die mandschurische Kleidung
und die pferdeschwanzartigen Zöpfe nicht nur Fesseln für
Körper, Haut und Haar der Menschen waren, sondern auch
für ihre Gedanken, und so gesellschaftlichen Fortschritt und
Entwicklung behinderten.
In der späten Qing-Zeit brach der Taiping-Aufstand
aus, der sich über einen großen Teil Chinas ausweitete.
Zum revolutionären Programm zählte, die Frisur der
Mandschu abzulehnen und die der Han-Chinesen zurückzufordern.
Die Taiping-Truppen wurden deshalb vom Qing-Herrscher als „Langhaarige“
bezeichnet. Bedauerlicherweise wurden sie mitsamt ihren Haaren
geköpft. Die Qing-Herrscher dagegen bewahrten ihre Zöpfe,
konnten aber ihre Herrschaft letzten Endes nicht retten.
1911 brach die bürgerlich-demokratische Xinhai-Revolution
aus, die zum Sturz der Qing-Dynastie führte. Allen Männern,
sowohl Mandschu als auch Han-Chinesen, wurden die Zöpfe
abgeschnitten. Die Qing-Herrscher selbst mussten diese schmerzliche
Erfahrung machen und Haare lassen. Das Haarabschneiden gleicht
dem Aufgang und Niedergang einer feudalen Dynastie. Das ist
nur scheinbar ein historischer Zufall, in Tat und Wahrheit jedoch
eine Notwendigkeit.
Im Laufe der Geschichte sind viele einfache
Dinge kompliziert geworden. Selbst die Haare wurden politisch
gefärbt. Doch nun gehören viele veraltete und sogar
lächerliche Ansichten bereits der Vergangenheit an. Verschiedene
Frisuren verschönern nun das Leben.
Für Chinesen stehen seit alters her verschiedene
Ereignisse mit den Haaren in Verbindung. Heutzutage kann man
zum Glück selbst wählen, ob man sich eine modische oder
eine einfache Frisur schneiden lassen will.