September 2002
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Kultur und Kunst

Angefangen bei Ronaldos Frisur…
Deutsche Literatur in China
Holzbildhauerei

Angefangen bei Ronaldos Frisur...

Von Huo Jianying

Neben seinem fußballerischen Können leistete Ronaldo einen anderen wichtigen Beitrag zur Fußball-WM 2002, und zwar durch sein neues Haarstyling, das nun Mode geworden ist – auch wenn viele Leute seine seltsame Frisur lange nicht so hoch schätzen wie seine Spieltechnik.

Ronaldos neue Frisur ist Chinesen nicht fremd

Ein brasilianischer Friseur sagte, seitdem Ronaldo seine Haare bei der WM 2002 bis auf einen Büschel scheren ließ, verlangten viele Leute nach dem gleichen Haarschnitt. Eine solche Frisur kostet einen US-Dollar – ein recht hoher Preis in Brasilien.

Eine 25-jährige Brasilianerin bemerkte darauf leicht entnervt: „Mein Gott! Warum hat Ronaldo ein solches Haarstyling. Mein Freund hatte das gleiche, aber ich hielt es einfach nicht aus und ließ ihn kahl scheren.“

Ronaldos Frau sagte zu seiner Frisur nicht viel. Sie meinte bloß, wenn die Frisur ihm Glück bringe, dann solle er sie so lassen.

Es scheint, dass diese Frisur bei vielen Frauen wenig Gefallen fand. Es wurde berichtet, dass Ronaldo sich bei den Müttern entschuldigte, weil ihre Kinder nun das gleiche Büschel auf ihrem Kopf tragen.

Obwohl die Frisur weltweit große Aufmerksamkeit erregt hat, gibt es bis jetzt keine einheitliche Benennung. Die Chinesen nennen sie gewöhnlich „A Fu“ (fu bedeutet Glück).

Nach der Meinung von Beijinger Friseuren unterscheidet sich Ronaldos neue Frisur kaum vom traditionellen chinesischen „A Fu“-Haarschnitt. Jeden Sommer lassen viele Kinder ihre Haare zu „A Fu“ schneiden, damit ihr Kopf  kühl bleibt und sie gleichzeitig ihre Haare leichter waschen können. In diesem Jahr haben viele Friseure „A Fu“ ein wenig nach Ronaldos Frisur geändert und dabei viel Geld verdient.

Traditionell ist der „A Fu“-Schnitt in China für Kinder bestimmt, deshalb lassen sich viele junge Fußballfans lieber nach Beckhams „Hahnenkamm“ frisieren.

A Fu ist eine Kinderfigur aus Lehm. Das handwerkliche Produkt aus Huishan bei Wuxi, Provinz Jiangsu, hat eine Geschichte von über 400 Jahren. In der Ming-Zeit (1368–1644) wurden in Huishan viele Tempel gebaut. Um die Wünsche nach Glück, Fruchtbarkeit und Langlebigkeit auszudrücken, wurden Lehmfiguren wie der Gott des langen Lebens, die Bodhisattwa der Fruchtbarkeit oder rundliche Kinder geformt. Die bekannteste davon ist A Fu.

Der Überlieferung nach war A Fu ein Junggeselle in alter Zeit, der für die Bändigung der bösen Geister sein Leben geopfert hatte. Um dessen zu gedenken, formten seine Landsleute mit heimatlichem Lehm eine Statue für ihn, aus der sich später zwei rundliche Kinderfiguren, eine männliche und eine weibliche, entwickelten. Die beiden Kinderfiguren sind lieblich und sollen Glück bringen und böse Geister vertreiben. Die männliche Kinderfigur hat auf dem Scheitel nur ein pfirsichförmiges Büschel, während die weibliche Kinderfigur links und rechts je einen Haarknoten trägt. Der „A Fu“-Haarschnitt wird in China auch „Ponyfrisur“ genannt. Damit gemeint sind Haare, die vorne auf dem Scheitel oder vor der Stirn hängen.

Im alten China hatten die Mädchen normalerweise kurzes Haar und trugen zwei Haarknoten oder zwei geflochtene Zöpfe. Die Knaben hatten eine Ponyfrisur. Nur das Haarbüschel war entweder vorn oder hinten auf dem Scheitel. Manche Knaben hatten auch einige Haarbüschel ringsum auf dem Scheitel.

Haarknoten stecken und eine Kopfbedeckung aufsetzen, ein Zeichen der Volljährigkeit für Männer

Wenn junge Adlige im alten China mündig wurden, wurde eine feierliche Krönungszeremonie veranstaltet.

In der Zhou-Dynastie (11 Jh. v.u.Z. – 256 v.u.Z.) wurden Männer im Alter von 20 Jahren mündig. Die Krönungszeremonie fand im Ahnentempel statt, den Vorsitz führte der Vater. Dabei wurden viele Gäste eingeladen. Es gab drei Arten von Kopfbedeckungen, deshalb wurde der Volljährige dreimal gekrönt. Für die erste Krönung wurde eine Kopfbedeckung aus schwarzem Hanf aufgesetzt, welche für die adligen Privilegien stand. Dann kam eine lederne Kopfbedeckung, die ausdrückte, dass der junge Mann fortan wehrpflichtig war. Zuletzt wurde der Volljährige mit einer rotschwarzen Kopfbedeckung aus feinstem Hanf gekrönt. Dies bedeutete, dass er ab diesem Zeitpunkt offiziell an protokollarischen Gesellschaftsaktivitäten teilnehmen durfte.

Für Leute aus dem Volk war alles sehr einfach. Ein volljähriger Mann brauchte nur seine herabhängenden Haare zu einem Knoten zu stecken und ihn dann mit einem Stück Tuch zu umwickeln. Deshalb waren das herabhängende Haar und der Haarknoten wichtige Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen.

Gegenwärtig wird die damalige Kopfbedeckung oft für einen Hut gehalten. In der Tat ist die Kopfbedeckung aus alter Zeit anders als der moderne Hut. Die alte Kopfbedeckung war viel kleiner als moderne Hüte. Sie bedeckte nicht den ganzen Scheitel, sondern umhüllte nur den Haarknoten. Als Material für die Kopfbedeckung wurden Hanf, Bambus, Leder, Jade oder Metall verwendet, je nach Status und wirtschaftlicher Situation des Trägers.  

Erwachsene Frauen trugen eine Haarspange im Knoten

Die Mädchen wurden im alten China normalerweise im 15. Lebensjahr volljährig, denn sie galten mit diesem Lebensalter als heiratsfähig. Als Zeichen dafür steckten sie ihr Haar mit einer Haarspange zu einem Knoten.

Die Frisuren erwachsener Chinesinnen unterschieden sich in alter Zeit hauptsächlich in Höhe, Form und Stelle der Haarknoten. Tonangebend in der Haarmode waren damals vornehmlich adlige Frauen und Konkubinen. In der langen Periode des Wohlstands in der Tang-Dynastie (618–907) spiegelten die Haartracht und der Kopfschmuck Vornehmlichkeit und Würde wider. Die Frauen aus der Tang-Zeit hatten eine besondere Vorliebe für hochgesteckte und dichte Frisuren. Um den Haarknoten zu erhöhen, wurden schon damals Perücken als Kopfschmuck gebraucht. Als Kopfschmuck gab es Accessoires sowohl aus Gold, Silber und Juwelen als auch aus Bambus und Holz.

Kopf und Haar waren gleichbedeutend

Laut konfuzianischer Lehre waren Haut und Haare ein Geschenk der Eltern und durften deshalb auf keinen Fall verletzt werden. Die Haarpflege und der Haarschutz hingen nicht nur mit dem Aussehen, sondern auch mit dem moralischen Charakter zusammen.

Wenn man in alter Zeit unordentlich gekleidet war, wurde das als äußerst unhöflich oder gar als schändlich angesehen. Zilu, einem Schüler von Konfuzius, wurde in einem Kampf im Bürgerkrieg im Königreich Wei die Schnur, die seine Kopfbedeckung festband, durchgeschnitten. Er schrie: „Ein Ehrenmann stirbt nicht ohne Kopfbedeckung!“, setzte seine Waffe ab, um seine Haare und die Kopfbedeckung wieder in Ordnung zu bringen, und wurde getötet.

In den Kriegswirren der Drei Reiche (220 – 280) wollte Cao Cao die Herrschaft übernehmen. Um die Bevölkerung auf seine Seite zu bringen, befahl er, dass die Truppen auf ihren Märschen die Ackerfelder nicht betreten durften. Jeder, der gegen den Befehl verstieß, würde enthauptet. Bei einem der Märsche brannte sein Streitross durch und lief, von Furcht gepackt, in ein Weizenfeld, wo es viele Schösslinge zertrat. Laut der Verordnung sollte Cao Cao der Kopf abgeschlagen werden, doch schließlich war er der Oberbefehlshaber und konnte natürlich nicht geköpft werden. So wurden ihm statt des Kopfs die Haare abgeschnitten. Aus heutiger Zeit mag dies geringfügig erscheinen, doch in alter Zeit galt diese Strafe als sehr hart. Die Tradition, das Haar wie das Leben zu schonen, bestand bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts fort.

Das Haar oder der Kopf, eine Entscheidung über Leben und Tod

Die Chinesen hätten sich damals nicht träumen lassen, dass ihnen die Änderung der Frisur großes Unheil bringen könnte.

1644 übernahm die Qing-Dynastie die Macht im Reich der Mitte. Die Herrscher waren keine Han-Chinesen, sondern Mandschu. Die Männer der Mandschu trugen eine andere Haartracht als die Han-Chinesen, die genau das Gegenteil von Ronaldos Haarstyling war. Der vordere Kopfteil war rasiert und die restlichen Haare wurden zu einem langen Zopf geflochten. Um die mandschurische Herrschaft zu festigen, wurden die Han-Chinesen streng kontrolliert. Nach außen riegelte sich die Qing-Dynastie praktisch ab und nach innen wurden alle Einflüsse der letzten Dynastie, der Ming, zu beseitigen versucht. Im Juni und Juli 1645 erließ die Qing-Regierung zweimal hintereinander den Befehl, die Haare nach den Gepflogenheiten der Mandschu zu schneiden. Außerdem mussten sich alle Männer der Qing-Dynastie wie die Mandschu kleiden. Wer zuwiderhandelte, wurde enthauptet. Später prägte der Volksmund den Spruch: „Wenn man seine Haare behalten will, verliert man den Kopf; wenn man den Kopf behalten will, dann verliert man seine Haare.“

Gegen den grausamen Befehl kämpften viele bis zum Tod. In vielen Gebieten südlich des Yangtse brachen mehrmals Aufstände aus, die aber alle scheiterten. Die Aufständischen opferten ihr Leben im Kampf für ihre Würde und Standhaftigkeit. Beklagenswert ist, dass unter der über 260 Jahre dauernden Qing-Herrschaft die mandschurische Kleidung und die pferdeschwanzartigen Zöpfe nicht nur Fesseln für Körper, Haut und Haar der Menschen waren, sondern auch für ihre Gedanken, und so gesellschaftlichen Fortschritt und Entwicklung behinderten.

In der späten Qing-Zeit brach der Taiping-Aufstand aus, der sich über einen großen Teil Chinas ausweitete. Zum revolutionären Programm zählte, die Frisur der Mandschu abzulehnen und die der Han-Chinesen zurückzufordern. Die Taiping-Truppen wurden deshalb vom Qing-Herrscher als „Langhaarige“ bezeichnet. Bedauerlicherweise wurden sie mitsamt ihren Haaren geköpft. Die Qing-Herrscher dagegen bewahrten ihre Zöpfe, konnten aber ihre Herrschaft letzten Endes nicht retten.

1911 brach die bürgerlich-demokratische Xinhai-Revolution aus, die zum Sturz der Qing-Dynastie führte. Allen Männern, sowohl Mandschu als auch Han-Chinesen, wurden die Zöpfe abgeschnitten. Die Qing-Herrscher selbst mussten diese schmerzliche Erfahrung machen und Haare lassen. Das Haarabschneiden gleicht dem Aufgang und Niedergang einer feudalen Dynastie. Das ist nur scheinbar ein historischer Zufall, in Tat und Wahrheit jedoch eine Notwendigkeit.

Im Laufe der Geschichte sind viele einfache Dinge kompliziert geworden. Selbst die Haare wurden politisch gefärbt. Doch nun gehören viele veraltete und sogar lächerliche Ansichten bereits der Vergangenheit an. Verschiedene Frisuren verschönern nun das Leben.

Für Chinesen stehen seit alters her verschiedene Ereignisse mit den Haaren in Verbindung. Heutzutage kann man zum Glück selbst wählen, ob man sich eine modische oder eine einfache Frisur schneiden lassen will.

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