Was
essen und wie?
– Veränderungen in den chinesischen Essgewohnheiten nach
SARS
Von Zhang Hua
Im
Mai und Juni dieses Jahres sorgten Berichte über das Auftreten
von Vipern in vier Wohnvierteln quer durch Beijing für einige
Aufregung unter den örtlichen Bewohnern. Die Polizei
musste verständigt werden, um die Reptilien einzufangen.
Es stellte sich heraus, dass Restaurants, die Wildfleisch
anboten, die als Spezialität gehaltenen Tiere freigesetzt
hatten, nachdem Experten bekannt gemacht hatten, dass Schlangen
den SARS-Virus übertragen könnten. Darauf hatten die
Tiere den Weg in die Innenstadt gefunden.
Allesfresserei
eingeschränkt
Laut
einem alten Sprichwort ist „Essen das Höchste für die
Massen“. Die Chinesen legen viel Wert auf eine große
Vielfalt an Lebensmitteln und Getränken. Dies gilt vor
allem für die subtropische Provinz Guangdong, wo eine reichhaltige
Flora und Fauna gedeiht und man seltenen Arten nachsagt, besonders
nahrhaft zu sein. Das Fleisch und die Gallenblase von Schlangen
z. B. werden gegessen, um den Blutkreislauf anzuregen, Wind
zu vertreiben, das Qi und die Leber zu stärken und die
Sehstärke zu verbessern.
Nach
dem Ausbruch von SARS erließen das Staatliche Chinesische
Forstamt und die Staatliche Industrie- und Handelsverwaltung
(State Administration for Industry and Commerce) dringende
Erlasse, die die Jagd von Wildtieren und den Handel damit
verboten. Sie führten überdies umfassende Kontrollen bei Farmen
für die Zucht und die Zähmung von Wildtieren durch. Mittlerweile
appellierte die Chinesische Vereinigung für Naturschutz an
die Öffentlichkeit, dem ökologischen Gleichgewicht
zuliebe und aus hygienischen Gründen auf den Verzehr von Wildtieren
zu verzichten.
Liang
Haitang, der Leiter des Jangtze-Projekts des WWF, merkt an,
dass die Nutzung von Wildtieren zu Zeiten, als die Natur noch
auf primitive Art ausgebeutet wurde, gängig und gerechtfertigt
war. Doch mit dem heutigen Wissen über unser Tun und dessen
Auswirkungen sollten wir die Natur aus Gründen des Umweltschutzes
und unserer eigenen Gesundheit zuliebe schonen.
Liang
warnt, dass die übermäßige Ausbeutung von Wildbiotopen
wie Wäldern und Feuchtgebieten zur Freisetzung von Viren
führen könnte, die lange im Kreislauf der Natur gefangen
waren und für die Menschheit katastrophal sein könnten.
Zwar ist
der Beweis noch nicht erbracht, dass der Koronavirus, der
als SARS-Erreger identifiziert wurde, von einem Wildtier auf
den Menschen übersprang, doch trotz alledem haben die Chinesen
ihre Essgewohnheiten drastisch umgestellt. Einige gestehen,
dass ihnen der Schreck durch die Glieder fuhr, als sie hörten,
dass SARS mit Wildtieren in Zusammenhang stehen könnte.
Soziologen berichten, dass die Nachricht die Ehrfurcht der
Menschen vor der Natur wiederherstellte. Viele Wildfleisch-Restaurants
reagierten auf diese Trendumkehr damit, dass sie ihre Speisekarte
abänderten.
Man
isst nicht mehr vom gleichen Teller
In einem
Restaurant im Nordwesten Beijings wurde Liu Zhijun und seinen
Kollegen ein Fischgericht serviert. Es wurde ihnen zuerst
vorgeführt, damit sie einen Blick darauf werfen konnten, und
dann aufgeteilt. Jeder der Gäste erhielt eine eigene
Portion. Dasselbe geschah mit den übrigen Gerichten, die sie
bestellt hatten. Das Mahl ging friedlich und geordnet über
die Bühne, ohne das übliche Geklapper, das man von einer chinesischen
Essensrunde gewohnt ist. Liu zeigte sich über die neue Art
des Speisens begeistert. Nach dem Ausbruch von SARS in China
wurde dazu aufgerufen, Gerichte in separaten Portionen zu
servieren. Die Regierung war genauso wie die einzelnen Bürger
zum Schluss gekommen, dass der Brauch, von einem Teller zu
essen, eine mögliche Infektionsquelle darstellt.
Trotz
ihrer offensichtlichen Vorzüge trifft diese neue Art des Speisens
auf den Widerstand von Traditionalisten, die daran festhalten,
gemeinsam von einem Teller zu essen sei ein Ausdruck der Freundschaft
und des guten Willens. Für den chinesischen Geist ist es eine
Freude und ein geselliges Ereignis, gemeinsam an einem Tisch
zu sitzen und aus einem Topf zu essen, denn es bringt die
Leute einander näher.
Andere
weisen darauf hin, dass die neue Art des Speisens der Restaurantbelegschaft
Mehrarbeit aufbürdet. Ein weiterer Nachteil sei, dass nicht
jeder Gast notwendigerweise gleich viel von jedem Gericht
essen wolle und gleichmäßig verteilte Portionen
deshalb unerwünscht und eine Verschwendung seien.
Doch
die Befürworter der Ernährungsrevolution sind in der
Mehrheit. Ein gewisser Herr Hu ist überzeugt, dass die Aufteilung
chinesischer Gerichte funktionieren kann. Er schlägt
vor, chinesische Bankette in der Form von Buffets abzuhalten.
Als Alternative, meint er, könnten die Restaurantgäste
unterschiedliches Besteck für das Servieren und das Essen
verwenden. Auf diese Weise würde das Risiko der Krankheitsübertragung
am Tisch vermindert. Hu berichtet, ihm sei auf seinen Reisen
in die USA aufgefallen, dass die meisten Chinesen dort auf
diese Weise speisten und dies ihre Freude am Essen in keiner
Weise trübe.
Im Bemühen,
das Servieren in Einzelportionen zu verbreiten, wurde in Beijing
das Seminar „Hygiene, Essen und Trinken“ veranstaltet. Chinesische
Köche zeigten verschiedene Arten, ein Mahl in getrennten
Portionen einzunehmen: Chinesische Gerichte im westlichen
Stil serviert, das Portionieren von Gerichten nach der Begutachtung
durch die Gäste und ein Buffet mit chinesischen Gerichten.
„Wir
sollten sowohl auf die Etikette als auch auf die Gesundheit
Wert legen“, sagt Professor Zhao Fengzeng vom Zentrum für
die Vorbeugung und Behandlung von Schwindsucht am Chinesischen
Zentrum für Krankheitsprophylaxe und -therapie. Er besteht
darauf, dass die Chinesen stärker auf Hygiene in der
Ernährung achten sollten.