
Gottfried
Wilhelm Leibniz und der chinesische Kaiser Kang Xi
Der deutsche
Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) ist ein
großer, berühmter Gelehter. Er entwickelte nicht nur
die Infinitesimalrechnung und das Binärsystem, sondern
war auch der Erfinder der ersten manuellen Rechenmaschine
der Welt. Seine hervorragenden Leistungen leiteten in der
Entwicklung der Mathematik eine neue Ära ein. Doch seine
Beziehungen zu dem chinesischen Kaiser Kang Xi (1654-1772)
und seine Beiträge zum Kulturaustausch zwischen China
und Westeuropa sind heute noch weitgehend unbekannt.
Im Alter
von 8 Jahren folgte Kang Xi seinem Vater auf den Thron und
herrschte 60 Jahre lang. Er war einer der großen Kaiserpersönlichkeiten
in der chinesischen Geschichte. Von klein auf leidenschaftlich
Bücher lesend, förderte er Wissenschaft und Forschung
und ließ zahlreiche wissenschaftliche Werke zusammenstellen,
übersetzen und herausgeben.
Er
interessierte sich stark für die westliche Wissenschaft. So
lud er den Missionar Joachim Bouvet (1650-1730), der von Leibniz’s
Freund König Louis XIV nach China geschickt worden war,
an seinen Hof, damit dieser ihm Astronomie, Mathematik, Vermessungskunde
und die Verwendung verschiedener Instrumente lehre.
Während
die Chinesen die westliche Wissenschaft studierten, wurden
andererseits auch Werke der chinesischen Philosophie und Wissenschaften
in westliche Sprachen übersetzt und nach Europa vermittelt.
Z. B. das Yijing, das „Buch der Wandlungen“, wurde
von dem französischen Missionar Jean-Baptiste Régis (1663-1738)
ins Lateinische übersetzt und erregte große Aufmerksamkeit
bei Leibniz.
Er
lernte, dass die 8 Trigramme des Yijing aus Kombinationen
von ganzen und gebrochenen Strichen – also binär – aufgebaut
sind, wobei die gebrochenen Striche Null, die ungebrochenen
der Eins entsprechen. Die 8 Trigramme sind demgemäß
dreistellige Binärzahlen, und die 64 Hexagramme stellen
sechsstellige Binärzahlen dar. Leibniz gewann daraus
Einsichten, die ihm bei der Entwicklung des binären Zahlensystems
von großem Nutzen waren. Er bewunderte Fuxi, den mythischen
Schöpfer der 8 Trigramme, und sagte: „Meine undenkbare
Entdeckungen besteht lediglich darin, dass ich 3000 Jahre
alte Trigramme verstanden habe. Dazu ist das chinesische Volk
zu beglückwünschen. Lasst uns einmal China besuchen.“ Leibniz
sehnte sich schon früh nach China. Im Jahre 1689 hat er vorgeschlagen,
dass ein Missionar von Deutschland nach China geschickt werde,
um die Kontakte zwischen Europa und China zu versärken.
Später meinte er in einem Buch über China, dass der Austausch
zwischen China und Europa für beide große Kulturen vorteilhaft
sei.
Neben
seiner Korrespondenz mit Joachim Bouvet schrieb Leibniz auch
an Kaiser Kang Xi einen Brief und schlug China vor, in Beijing
eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Noch in den 50er
Jahren ist dieser kostbare Brief gesehen worden. Wo er sich
heute befindet, ist leider unbekannt.
Als Leibniz
1671 die Rechenmaschine erfunden hatte, schenkte er eine auch
dem Kaiser Kang Xi. Leider wurde sie bis jetzt noch nicht
wieder gefunden. Aber im Palastmuseum werden 10 manuelle Rechner
aus Gelbkupfer aufbewahrt, die in China hergestellt wurden.
Fachleute meinen, dass diese 10 Rechenmaschinen unter dem
Einfluss der Rechenapparate von Basga und Leibniz hergestellt
wurden.
Zusammenfassend
lässt sich feststellen, dass Leibniz einen großen
Beitrag zur Entwicklung der Freundschaft zwischen China und
Deutschland und des Kulturaustausches zwischen China und Europa
geleistet hat.
Aus „China im Aufbau“, Nr.
5, 1982