Entwicklung
der modernen Industrie
Vor den 50er Jahren bestimmte Naturalwirtschaft die regionale
Wirtschaftsstruktur Tibets. Abgesehen vom Handel und ein wenig
Industrie, die im Besitz von drei großen Lehnsherren war,
konnte von einer modernen Wirtschaftsstruktur nicht die Rede sein.
Das Jahr 1951 kann als Wendepunkt gelten. Erst mit der friedlichen
Befreiung Tibets begann die Umgestaltung der Wirtschaft. Nach
der demokratischen Reform 1959, beim sozialistischen Aufbau, wurde
allmählich eine moderne Industrie errichtet und eine neue
Wirtschaftsstruktur geformt. Von diesem Zeitpunkt an wurden Wirtschaftsbereiche
wie Industrie, Verkehr, Baustoffe, Post- und Fernmeldewesen gemeinsam
mit Wissenschaft, Technik und dem Bildungswesen schrittweise zu
einer vollständigen Grundlage einer neuen Wirtschaftsstruktur
geformt. Heute werden nicht nur die modernen Industriezweige ständig
erweitert, sondern auch die traditionellen Sektoren Land- und
Viehwirtschaft werden vitalisiert und modernisiert.
Eine moderne Industrie entsteht aus dem Nichts
Vor der friedlichen Befreiung existierte in Tibet lange eine
autokratische Herrschaft feudaler Lehnsherren. Dies und die geographische
Abgeschlossenheit bewirkten, dass die gesellschaftlichen Produktivkräfte
über Generationen stagnierten. Die Landwirtschaft im weiteren
Sinne war der einzige Wirtschaftssektor in Tibet. Das zeigte deutlich
die Statistik des Jahres 1952, in der Industrieproduktion überhaupt
nicht ausgewiesen wurde; nur der landwirtschaftliche Produktionswert
von 140 Mio.Yuan wurde genannt. Er betrug pro Kopf nur 124,46
Yuan. Verkehrswesen und Energie erschienen in der Statistik mit
der Größe null. Auf dem eine Million qkm großen
Plateau gab es nicht einmal einen einzigen Kilometer Wirtschaftstraße.
Das einzige Kraftwerk mit 125 PS Leistung wurde bereits kurz nach
seinem Probelauf durch Hochwasser zerstört und blieb lange
eine Ruine. Von moderner Industrie in Tibet kann man erst mit
der Verkehrsübergabe der Straßen Chuanzang und Qingzang
im Jahr 1954 sprechen. Mit der Entwicklung des Verkehrswesens
und der Energieerzeugung nahm ein modernes Industriesystem Gestalt
an. 1956 gab es in der tibetischen Geschichte erstmals statistische
Angaben über den industriellen Bruttoproduktionswert. Obwohl
da nur die Leistungen der in Tibet stationierten Truppen und ihrer
lokalen Dienstleistungsfabriken angezeigt wurden, die nur 1,391
Mio. Yuan betrugen, war es doch ein Zeichen einer veränderten
Wirtschaftsstruktur und die Grundlage für die Entwicklung
einer modernen Industrie. 1958 stieg der industrielle Bruttoproduktionswert
auf gewaltige 45,004 Mio. Yuan. Der landwirtschaftliche und industrielle
Bruttoproduktionswert belief sich in diesem Jahr auf 201,511 Mio.
Yuan und war gegenüber 1953 um 29,2% gestiegen. Der industrielle
Bruttoproduktionswert allein aber verzeichnete eine 30fache Zunahme
im Vergleich zu 1953. 1965 wurde das Autonome Gebiet Tibet gegründet.
Im selben Jahr betrug der industrielle und landwirtschaftliche
Bruttproduktionswert 287,692 Mio. Yuan. Das war eine Steigerung
von 53,3% gegenüber 1959. Die durchschnittliche Jahreswachstumsrate
lag bei 7,5%. 1979 stieg der industrielle und landwirtschaftliche
Bruttoproduktionswert mit 574,83 Mio. Yuan um 75,6% gegenüber
1966, der industrielle Bruttoproduktionswert stieg um 500% im
Vergleich zum selben Jahr und die durchschnittliche Jahreswachstumsrate
lag bei 15,2%.
In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gründete die lokale
Regierung unter Beteiligung britischer Imperialisten eine Kaschmirfabrik,
eine Münzstätte und das Wasserkraftwerk Togdegou im
Vorort von Lhasa. Wegen fehlerhafter Technik und Mangel an Fachkräften
wurde die Produktion oft reduziert oder ganz eingestellt. Nach
der friedlichen Befreiung richteten das Zentralkomitee der KP
Chinas und die zentrale Volksregierung ihre Aufmerksamkeit auf
Tibet. Damit die Entwicklung Tibets mit den übrigen Teilen
Chinas Schritt halten konnte, wurden zahlreiche technische Fachkräfte
nach Tibet geschickt, um die lokale Industrie voranzubringen.
Nach 1955 wurden in Lhasa, Qamdo und Golmud eine Wagenreparaturwerkstatt,
eine Holz verarbeitende Fabrik, eine Kalkbrennerei und eine Teppichmanufaktur
gegründet. Im Oktober 1955 wurde das Togde-Wasserkraftwerk
in Lhasa mit einer installierten Leistung von 660 kW in Betrieb
genommen. Dadurch leuchteten erstmals in Tibet elektrische Lampen
auf. Im Juni 1956 wurde das erste Kohlekraftwerk in Xigaze fertiggestellt.
Zur gleichen Zeit gründete die logistische Abteilung des
Militärbezirks Tibet eine Bettzeug- und Uniformfabrik, eine
Leder- und Wolleverarbeitungsfabrik und eine Eisen- und Holzverarbeitungsfabrik.
Alle diese Betriebe waren zwar nicht besonders groß, hatten
aber für die Entwicklungsgeschichte der modernen Industrie
in Tibet entscheidende Bedeutung. 1957 wurde in Nordtibet in geringem
Umfang Borax gefördert und gut verkauft, was das Ministerium
für chemische Industrie sehr beachtete. Nach den 60er Jahren
wurde die Industrie weitgehend reguliert und rationalisiert. Im
Vergleich zu 1958 sank der Anteil des Produktionswerts der Schwerindustrie
im Jahre 1965 von 96,23% auf 62,22%, dagegen stieg der Anteil
der Leichtindustrie. 1965 gab es 80 mittlere und kleine Fabriken
(darunter sieben kollektive Betriebe) in den Bereichen Energieerzeugung,
Kohlebergbau, Maschinenreparatur, chemische Industrie, Baustoffe,
Forstwirtschaft und Leichtindustrie. Diese Betriebe nutzten natürliche
Ressourcen und ihre Produkte deckten den Bedarf für den wirtschaftlichen
Aufbau und den allgemeinen Konsum; die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Effizienz war beachtlich.
Nach jahrzehntelangen Anstrengungen wurden in Tibet mehr als
400 mittlere und kleine Industriebetriebe in den Bereichen Leichtindustrie,
Lebensmittel, Textilien, Elektrizität, Bergbau, Forstindustrie,
Maschinenbau, Gerberei, tibetische Pharmazeutik, chemische Industrie
und Druckerei gegründet. Die staatlichen Betriebe beschäftigen
insgesamt 50 000 Menschen. Sie produzieren mehr als 50 Warengruppen,
von denen einige bereits im In- und Ausland bekannt geworden sind.
Gegenwärtig sind Bergbau, Verarbeitungsindustrie, Reparatureinrichtungen
für den Verkehr und Energiewirtschaft die vier Schlüsselbereiche.
Die Industrie Tibets ist in Lhasa sowie in den Bezirken Xigaze,
Qamdo, Shannan und Nyingchi konzentriert. In Tibet gibt es keine
großen Betriebe. Nur vier können zu mittleren gezählt
werden, die übrigen sind kleine Betriebe. Die dem autonomen
Gebiet unterstellten Industriebetriebe sind zum größten
Teil staatliche Schlüsselbetriebe und haben vergleichsweise
einen größeren Umfang. In den Bezirken Ngari und Nagqu
gibt es zwar nur wenige Betriebe, aber sie haben einen größeren
Umfang. Das trifft auch auf die Betriebe im Bezirk Nyingchi zu.
Die marktorientierte Verarbeitungsindustrie in Lhasa, Shannan,
Qamdo und Xigaze entwickelt sich schwunghaft. Zugleich blüht
das traditionelle Handwerk der Tibeter auf. Hauptsächlich
sind es kollektive Unternehmen und Selbständige auf dem Land,
die zur Steigerung des Produktionswertes der Leichtindustrie beitragen.
In der Schwerindustrie nimmt die Bergbauindustrie die führende
Stellung ein. Für den Aus- und Umbau handwerklicher Betriebe
und die Qualifizierung des Personals gewährt die Regierung
Vorzugsbedingungen und finanzielle Unterstützung.
Die Entwicklung der modernen Industrie in Tibet setzte erst nach
der demokratischen Reform ein. Nach jahrzehntelanger Entwicklung
sind nennenswerte Unternehmen im Bauwesen, in der Energieerzeugung,
für die Reparatur von Kraftfahrzeugen, in der Pharmazeutik,
der Lebensmittelindustrie, der Motorradherstellung, in der Textil-
und Forstindustrie, der Gerberei und der Förderung von Bodenschätzen
entstanden. Ein modernes industrielles System mit tibetischem
Gepräge wurde errichtet. Betriebe diverser Wirtschaftssektoren
entwickelten sich und konnten ständig vergrößert
werden. Manche Produkte werden sowohl auf dem in- wie ausländischen
Markt verkauft. 1998 betrug der industrielle Bruttoproduktionswert
des autonomen Gebiets 1,443 Mrd. Yuan, das war eine 31-fache Steigerung
gegenüber 1959. Im Jahr 2001 erreichte der industrielle Wertzuwachs
1,084 Mrd. Yuan und der industrielle Bruttoproduktionswert 1,998
Mrd. Yuan. Die Schlüsselindustrie und andere dominierende
Branchen wie Bergbau, Tourismus, Baustoffe und Pharmazeutik haben
sich relativ rasch entwickelt. Eine Reihe konkurrenzfähiger
und bekannter Produkte wie Motorräder, tibetische Arzneien,
Bier, Qingke-Gerstenflocken und getrocknetes Yakfleisch hat sich
etabliert, wodurch eine moderne Industrie tibetischer Prägung
Gestalt angenommen hat. Das Autonome Gebiet Tibet gewährt
Betrieben politische, finanzielle und technische Unterstützung
und motiviert sie, die Produktion speziell von Markenprodukten
zu vergrößern und sich zu spezialisieren. Die gegenwärtigen
78 Markenprodukte auf der Ebene des autonomen Gebiets sind auf
dem in- und ausländischen Markt durchaus konkurrenzfähig.
Ende 2001 wurden acht Unternehmen und sechs Gesellschaften mit
beschränkter Haftung an der Börse notiert. Die pharmazeutische
Firma Tibets, Nuodikang Pharmazeutik GmbH Tibet, Tibet-Jinzhu
AG, Tibet Yinhe Gaoyuanzhibao GmbH für Yakprodukte, der tibetische
Betrieb für Bergwerksindustrie und die Firma Gaotianlu sind
führende Unternehmen bei Pharmazeutik und Bio-Nahrung.
Die Merkmale der tibetischen Industrie sind: a) Die Produktion
wird ständig vergrößert und die Produktionsmenge
steigt beachtlich. b) Die industrielle Struktur wird allmählich
rationalisiert. Die Wollspinnerei in Nyingchi z. B. ist die größte
in Tibet und erzeugt über 100 verschiedene Produkte wie z.
B. Wollstoffe, Pul-lover und Teppiche. Die Gerberei ist eine Besonderheit
der Leichtindustrie in Tibet. Die Gerbereien in Nagqu, Xigaze,
Qamdo, Ngari und Lhasa stellen über 50 Produkte her, z. B.
Lederwaren, Pelze, Lederkleidung und Lederschuhe. Ein weiteres
Beispiel ist die Gerberei in Lhasa. Diese Fabrik produziert jährlich
60 000 Stück Leder, 40 000 Paar Schuhe und 10 000 sonstige
Lederwaren. Der Bergbau und die Herstellung von nichtmetallischen
Erzeugnissen bilden zwei wichtige Industriezweige und ihr Produktionswert
macht jeweils 23,4% und 19,6% des Industrieproduktionswerts Tibets
aus. Die Energiewirtschaft und die Produktion im Kunstgewerbe
entwickeln sich gleichermaßen schnell. Mit der Entwicklung
der Basisindustrie werden spezielle Industriezweige allmählich
ausgeformt. c) Das industriell-technische Niveau erhöht sich
und die Qualität der Produkte wird verbessert. Da Investitionen
in die technische Umgestalung der Betriebe von Jahr zu Jahr verstärkt
werden und die technische Ausbildung der Arbeiter intensiviert
wird, steigen das Niveau der Produktionstechnik und die Produktionskapazität
ständig. Zugleich wird die Qualität der Produkte verbessert.
Die Zahl der national und international ausgezeichneten bekannten
Markenprodukte steigt von Jahr für Jahr. Die Bierbrauerei
Lhasa hat nach der Refom des Betriebssystems die Qualität
ihrer Erzeugnisse verbessert. Die Fabrik produziert jährlich
13 440 Tonnen Bier, das 1994 mit dem Titel allgemein anerkanntes
Sternenbier Chinas ausgezeichnet wurde.
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