Die alten chinesischen Philosophen

Dong Zhongshu: Metaphysiker und Konfuzianer

von Hou Jueliang

Das erste, was man gewöhnlich mit dem Namen des Philosophen Dong Zhongshu (176–104 v. Chr.) assoziiert, ist seine Arbeitswut. Das ist zumindest das erste, was ich über ihn gehört habe. So hat er z. B. angeblich drei Jahre lang studiert, ohne auch nur einen Blick in den schönen Garten seiner wohlhabenden Familie zu werfen. In dieser Zeit schrieb er ein Buch mit dem Titel „Üppiger Tau auf den Frühlings- und Herbstannalen“, eines der beiden wichtigsten philosophischen Werke aus der Zeit der Westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr.–24 n. Chr.). In diesem Buch entfaltet und interpretiert Dong seine eigene Theorie über die Frühlings- und Herbstannalen, eine von Konfuzius zusammengestellte Chronik.

Die meisten Exemplare der klassischen konfuzianischen Schriften waren in der voraufgegangenen Qin-Dynastie verbrannt worden, und die Gelehrten der Han-Zeit arbeiteten mit Versionen, die nach mündlichen Überlieferungen in zur Han-Zeit gebräuchlichen Schriftzeichen abgefasst waren. Manch ein Gelehrter fand in diesen „neuen Texten“ versteckte Interpretationen und Prophezeiungen. Als nun Exemplare von den vor-Qin-zeitlichen Originalschriften gefunden wurden, formierte sich die so genannte „Alte Textschule“, eine rationalistische Gruppierung, um der „Neuen Textschule“, zu der auch Dong Zhongshu als führender Vertreter gehörte, ihre eigene Theorie entgegenzusetzen.

Von Dong Zhongshu heißt es oft, dass er es war, der aus dem Konfuzianismus eine große Philosophie gemacht und damit nicht unwesentlich zur Erhaltung der Han-Herrschaft beigetragen habe. Er ging davon aus, dass das Denken nicht vereinheitlicht werden könnte, solange noch andere philosophische Schulen existierten. Und so wurde nicht der Legalismus der Qin-Zeit oder irgendeine andere der hundert Schulen, sondern der Konfuzianismus zur einzig gültigen Philosophie gekürt, und Dong wurde sein wichtigster zeitgenössischer Vertreter.

Sein Konfuzianismus-Verständnis allerdings verband die Denkmodelle von Konfuzius und Menzius mit den Ansätzen einiger sehr früher Philosophen zur Yin-Yang-Lehre von den Fünf Elementen. Yin und Yang repräsentieren das Negative und das Positive, und verhalten sich komplementär zueinander. Die Fünf Elemente oder die sich wechselseitig bedingenden Kräfte sind Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Ein jedes bringt das nächste hervor und wird gleichzeitig von ihm überwunden. So bezwingt das Feuer das Holz usw. Dieser Kreislauf wiederholt sich immer wieder aufs neue. Dies war ein sehr früher Versuch, eine Geschichtsphilosophie zu formulieren, die den Prozess von Wachstum, Verfall und Wandlung des Universums zu erklären versucht. Dong verband diese metaphysische Erklärung mit einem konfuzianischen Moral- und Gesellschaftsverständnis. Von dieser Struktur her versuchte er die Jahreszeiten (der Frühling stand für Holz und alle Dinge, die wachsen, Winter, Wasser etc.) und auch den hierarchischen Aufbau der Gesellschaft zu erklären.

Für Dong waren Himmel (manchmal gleichbedeutend mit Natur bzw. der Gottheit, die sie lenkt) und Mensch eine Einheit, wobei der Mensch als Miniaturausgabe seines göttlichen Ebenbildes verstanden wurde. Dennoch war der Mensch nicht, wie Menzius es formuliert hatte, „an sich gut“, vielmehr war er „noch nicht gut.“ Um die Menschen auf den richtigen Weg zu bringen, hat der Himmel ihnen einen Herrscher gegeben.

Alles passte gut in Dongs Denkschema: die Abfolge der Jahreszeiten sowie die Herrschaftsformen. Im Frühling wurde alles Lebendige geboren, mit Güte sollte ein Herrscher sein Volk regieren. Der Sommer war die Zeit des Wachstums, zu moralischer Gesinnung sollte ein Herrscher sein Volk erziehen. Mit Frost und Schnee tötete der Himmel alles Leben, und mit der Todesstrafe wurden die Bösewichter bestraft.

Mit Hilfe der Yin-Yang-Theorie erklärte Dong, dass der Himmel alle Dinge nach einem dualistischen Prinzip hervorbringe: Mann und Frau (wobei der Mann selbstverständlich den positiven, den beherrschenden Yang-Faktor verkörperte), Herrscher und Untertan, Vater und Sohn.

Aus den ehemals fünf grundlegenden Beziehungen des Konfuzianismus hatte Dong diese drei herausgegriffen, die später zu den drei Kardinal-Richtlinien werden sollten.

Ausgehend von der Prämisse, dass der Kaiser das Mandat des Himmels innehabe, war Dong Zhongshu der Auffassung, dass der Himmel einem ungerechten Herrscher die Unterstützung versagen werde und dies durch Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben zum Ausdruck bringe. Lässt sich ein Herrscher davon nicht beeindrucken, wird er durch astronomische Phänomene wie z. B. eine Eklipse gewarnt. Bleiben auch dann die Konsequenzen aus, wird ein solcher Herrscher vernichtet. Dies gilt in gleicher Weise für menschliche Güte. Ist sie vorhanden, wird sie belohnt. Ihre Abwesenheit hingegen führt zur Katastrophe. Dongs Lehre geht davon aus, dass Handlungen einer Art zwangsläufig Reaktionen der gleichen Art hervorrufen.

Die Vorstellung von unheilsverkündenden Warnungen und Vorzeichen wurzelt im primitiven Denken und im Aberglauben. Im voraufgegangenen Jahrhundert hatte schon der Rationalist Xun Zi darauf hingewiesen, dass diese Dinge reine Naturphänomene seien. Im ersten Jahrhundert n. Chr. wurde diese abergläubische Auffassung noch einmal vom materialistischen Denker Wang Chong zurückgewiesen, der viele von Dongs Positionen ablehnte. Nichtsdestoweniger hatte die Lehre von Dong Zhongshu die Macht der Westlichen Han-Dynastie gestärkt, deren Begründer Liu Bang, ein herausragender Militärführer, seine Herrschaft nicht durch Abstammung, sondern nur durch eine gute Regierung legitimieren konnte.

Dongs Staatsphilosophie war ein gewisser Fortschritt: Der Herrscher war jetzt dem Himmel und nicht nur sich selbst verantwortlich. Der Himmel hatte nicht das Volk für den Herrscher geschaffen, sondern den Herrscher für das Volk, wie Dong formulierte.

Tatsächlich ging es Dong um das Wohlergehen des Volkes. Die Ordnung aufrecht zu erhalten und dem Herrscher zu gehorchen war seiner Meinung nach der Weg zu diesem Ziel. Er empfand ein tiefes Mitgefühl für das harte Leben des Volkes. Er wollte, dass die Menschen in Zufriedenheit arbeiten könnten, und sprach sich deshalb gegen hohe Steuern und Frondienst aus. Er machte sogar eine Eingabe an den Thron mit der Bitte, den Umfang des Landbesitzes zu beschränken und die Sklaverei abzuschaffen. Er war einer der ersten Verfechter der Idee, hohe Ämter auf der Basis von Prüfungen zu vergeben, statt von Abstammung und Eigentum abhängig zu machen. Obwohl er lehrte, der Himmel wisse schon, was dem Volk zustünde und was nicht, schien ihn dies nicht davon abgehalten zu haben, die Geschicke aktiv in die Hand zu nehmen.

Aus China im Aufbau, Nr. 2, 1988

 
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