Chinas Museen brauchen neue Vitalität
Von Zhang Xueying
Der 16-jährige Chen Feng besucht in nur 40 Minuten das Beijinger
Naturmuseum, das dreistöckig und 8000 qm groß ist.
Dazu sagte er: Als ich zehn Jahre war, organisierte die
Grundschule einen Besuch. Heute sieht das Museum genauso aus wie
damals. Die Gegenstände bleiben ,tot, und bei der Besichtigung
wird es außerdem langweilig erläutert. In der
Tat ist Chen Feng, der nun auf der Treppe außerhalb des
Museums mit seinem Handy spielt, nicht der erste Schüler,
der vor dem Museumsbesuch flüchtet. Da gab es vor ihm schon
fünf bis sechs Schüler, die vor dem Tor des Museums
miteinander plauderten. Manche von ihnen betraten das Museum gar
nicht erst.
Das im Jahr 1958 gegründete Beijinger Naturmuseum ist das
erste Museum seiner Art in China. Es ist gleichzeitig die Ausstellungsstätte,
in der die Naturentwicklung Chinas am besten protokolliert ist,
und bekannt für seine wertvollen und seltenen Exponate: Präparate
einer Gruppe von Tieren aus der Zeit vor 530 Millionen Jahren,
die älteste Blume des chinesischen Festlandes, der gefiederte
Dinosaurier, der Peking-Mensch (Sinanthropus pekinensis), ein
Großer Panda, ein Stumpfnasenaffe usw.
Laut Statistik des Beijinger Naturmuseums kamen in den letzten
Jahren die meisten Besucher von Grund- und Mittelschulen, weil
es Teil des Unterrichts ist. Die Ergebnisse einer kürzlich
vorgenommenen Untersuchung zeigen, dass nur 20% der 20- bis 50-jährigen
Befragten häufig ein Museum besuchen und 8% noch nie ein
Museum betreten haben. 37% der Befragten sagten aus, dass sie
weniger als drei unterschiedliche Museen besucht haben, und 48%
der Befragten waren in drei bis fünf Museen. 79% der Befragten
gehen nur ins Museum, wenn sie die Eintrittskarte geschenkt bekommen
oder einer Einladung eines anderen folgen. 23% der Befragten erklärten,
dass sie kein Museum besuchen, weil sie keine Zeit dafür
haben; 21% der Befragten meinten, dass es kaum Veränderungen
in den Museen gibt, jeder Besuch sei folglich gleich. 45% der
Befragten wissen überhaupt nicht, wo sich Museen befinden.
Ein Beamter des Staatlichen Amtes für Denkmalschutz sagte:
Gegenwärtig gibt es in China insgesamt mehr als 2300
Museen. Die Besucherzahl beträgt jährlich 150 Millionen.
Diese Zahl scheint sehr hoch zu sein. Aber im Vergleich mit anderen
Ländern ist der Unterschied ganz deutlich. Beispielsweise
ist die Zahl der jährlichen Museumsbesucher in den USA dreimal
so hoch wie die Bevölkerungszahl.
Von bekannt zu unbekannt
Das Banpo-Museum in Xian, Provinz Shaanxi, ist mit dem
Beijinger Naturmuseum vergleichbar. Dieses Museum wurde in den
60er Jahren des vorigen Jahrhunderts errichtet und ist das erste
seiner Art in China. Es zeigt Ruinen aus der vorgeschichtlichen
Zeit: Die Banpo-Ruinen, die typisch für die matriarchalische
Gesellschaft in der Jungsteinzeit vor 5600 bis 6700 Jahren im
Einzugsgebiet des Gelben Flusses sind.
Vor 1989 war unser Museum ein beliebtes Reiseziel. Es gab
viele ausländische Touristen. Außerdem liegen die weltberühmte
Terrakotta-Armee und das Huaqing-Bad ebenfalls in derselben Region.
Die Einnahmen des Banpo-Museums durch den Verkauf von Eintrittskarten
stiegen ständig, stellte Zhang Lizhi, der Direktor
des Banpo-Museums, heraus. Damals befand sich die Entwicklung
des Banpo-Museums auf ihrem Höhepunkt. Als ein landesweit
bekanntes Museum empfing es jährlich ca. eine Million Besucher
und zählte damit zu den zehn meistbesuchten Museen Chinas.
Aber seit dem Jahr 2000 stockten die Einnahmen des Banpo-Museums
und im Jahr 2005 wurde ein Tiefpunkt erreicht. Zunächst
einmal gilt es zu berücksichtigen, dass es eine größere
Auswahl von touristischen Angeboten gibt. Touristen haben die
Auswahl aus einer wachsenden Zahl von Sehenswürdigkeiten,
während wir im Gegenteil dazu immer weniger zu bieten haben.
Unser Museum hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht mehr verändert.
Darüber hinaus müssen wir die Arbeit der Museumsleitung
modernisieren, sagte Zhang Lizhi. Das heutige Banpo-Museum
sieht im Großen und Ganzen so aus wie in seinem Gründungsjahr
1958. Unser Museum ist wirklich zu alt für Besucher.
Aber seine archäologische Bedeutung lässt sich nicht
bezweifeln.
Die finanzielle Lage ist schwierig geworden
Das Museum für die Ruinen der Xianyang-Palastanlage der
Qin-Dynastie (221207 v. Chr.) liegt ebenfalls in der Provinz
Shaanxi. Anfang diesen Jahres stand es unter Wasser, eine Folge
der seit vielen Jahren ausbleibenden Renovierungsarbeiten. In
allen drei Ausstellungshallen sickerte Regenwasser durch. Die
Wasserflecke waren an den Decken, Balken und Wänden zu sehen.
Manche von ihnen nahmen eine ziemlich große Fläche
ein. Die Wasseroberfläche auf dem Boden einer Ausstellungshalle
sah wie ein Spiegel aus. Zu den Opfern gehörten das Modell
von Xianyang, der Hauptstadt der Qin-Dynastie, und manch andere
wichtige Kulturgegenstände der Ausstellung.
Laut Museumsdirektor Li Chaoyang wurde das Museum vor zehn Jahren
errichtet und mangels Geldmittel kaum renoviert. Man habe der
zuständigen Behörde für Denkmalschutz schon mehrmals
berichtet, dass das Regenwasser dem Museum schade, doch entsprechende
Maßnahmen blieben aus. Im Jahr 2005 erreichten unsere
Einnahmen aus den Eintrittskarten nicht einmal 400 Yuan.
95% der Museen in China befinden sich in Staatseigentum, die
Geldmittel setzen sich hauptsächlich aus finanziellen Zuschüssen
der Regierung und selbst erwirtschafteten Mitteln zusammen. Fast
die Hälfte der staatlichen Museen ist bei der selbstständigen
Wirtschaftsführung vor allem von den Einnahmen aus dem Verkauf
von Eintrittskarten abhängig. Der Anteil der Geldspenden
durch Privatpersonen, finanzielle Unterstützung durch Unternehmen
und Einnahmen aus dem Verkauf von Souvenirs ist verschwindend
gering.
Wir haben viele weitere Probleme. Z. B. ist man sich über
den Zustand der aufbewahrten Gegenstände nicht ganz im Klaren.
Die Gegenstände werden nicht zufriedenstellend aufbewahrt.
Als Folge davon sind manche Gegenstände schwer beschädigt.
Außerdem kann ein Teil der aufbewahrten Gegenstände
aufgrund der begrenzten Ausstellungsfläche des Museums nicht
gezeigt werden. Schließlich mangelt es uns an fachlichem
Personal, so dass das Informations- und Serviceangebot für
die Besucher noch nicht sehr ausgereift ist, sagte Li Chaoyang
etwas hilflos.
Museen die Vitalität geben
Die Lehrer, die Schüler zum Beijinger Naturmuseum geführt
haben, sind der Meinung, dass es zu wenig inhaltliches Programm
anbietet, an denen die Schüler mitwirken können. Das
sei sehr wichtig und auch notwendig. Ein Mitarbeiter des Museums,
der für Konzeption der Ausstellung zuständig ist, sagte,
dass der Grund für das Fehlen von interaktiven inhaltlichen
Angeboten darin liegt, dass die Ausstellungsfläche nicht
ausreicht. Beispielsweise nimmt die Rekonstruktion einer
urzeitlichen Szenerie zur Präsentation eines Fundortes von
Dinosaurier-Fossilien eine sehr große Fläche in Anspruch.
Die übrige Fläche reicht für ein Programm, bei
dem die Museumsbesucher die Fußspuren der Dinosaurier messen
können, nicht mehr aus, weil die Dinosaurier-Fußspuren
an sich groß sind und die Darstellung der Lebenswelt von
Dinosauriern eine weitere große Fläche beansprucht.
Die Museumsdirektoren haben eingesehen, dass eine große
Anzahl von interaktiven Angeboten, moderne Beleuchtung, Multimedia-Einrichtungen,
große Ausstellungsräume sowie ein gemütliches
Umfeld sehr wichtig sind. Aber die vorhandenen Bedingungen scheinen
ihnen nicht den nötigen Spielraum zu ermöglichen.
Das Beijinger Naturmuseum hat mit Kenneth E. Behring, einem international
berühmten Philanthropen und Sammler von präparierten
wilden Tieren sowie Gründer der World Wheelchair Foundation,
eine Vereinbarung unterzeichnet. Danach wird Herr Behring einige
hundert Präparate von großen Wildtieren aus Afrika,
Amerika und Eurasien im Wert von 10 Millionen US-Dollar kostenlos
zur Verfügung stellen. Speziell dafür wird das Beijinger
Naturmuseum eine Ausstellungshalle einrichten, die man im Juli
oder August diesen Jahres für Besucher freigeben wird. Diese
Ausstellungshalle wird so entworfen, dass später Besucher
selbst mitzuwirken glauben, stellte ein Mitarbeiter des
Museums vor.
Auch kleine Museen, die weit vom Stadtgebiet liegen und nicht
vielen Leuten bekannt sind, haben begonnen, aktiv und aus eigener
Kraft Geldmittel zu beschaffen. Wang Yanhua, die Zuständige
für das Museum des Yunju-Tempels in Beijing, berichtete,
dass man bei diesem Museum viel versucht hat. Beispielsweise hat
man die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert, wobei man eine
Zeitschrift herausgibt, um Veranstaltungen, Ausstellungen u. a.
rechtzeitig der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Darüber
hinaus sind VCD und Bücher über wertvolle Ausstellungsstücke
oder die Geschichte des Tempels erarbeitet worden. Diese Bemühungen
haben schon erste Erfolge gezeigt. In den letzten zwei Jahren
betrug die Besucherzahl des Museums des Yunju-Tempels jährlich
bereits rund 500 000.
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