Die Schweiz – das schönste Land, das ich gesehen habe

Interview mit Wu Chuanfu, dem chinesischen Ex-Botschafter in der Schweiz

Von Ma Xinjing und Zhao Li

Journalist: Sie waren von 2000 bis 2004 der chinesische Botschafter in der Schweiz. Wie ist die Schweiz in Ihren Augen?

Wu: Ich bin in vielen Ländern gewesen. Die Schweiz ist das schönste Land, das ich gesehen habe. Es ist schwer vorstellbar, dass ein ganzes Land, von Ost nach West, von Süd nach Nord, so schön ist. Ich glaube, dass in der Welt kaum ein zweites Land vergleichbar mit der Schweiz zu finden ist. Schönheit gibt es in der Schweiz überall. Ich wurde von Mitgliedern einer chinesischen Delegation gefragt, wo es in der Schweiz schöne Landschaften gibt. Meine Antwort war, dass jede Fotografie der Schweiz so schön ist wie ein Gemälde. Was mich am tiefsten beeindruckt, ist die Reinheit des Wassers. Der Genfer See ist der größte See der Schweiz. Darauf fahren zwar viele Touristenboote, aber das Wasser des Sees ist so klar, dass man den Boden sehen kann. Nichts Schmutziges ist hier zu finden.

Journalist: Ist die Schweiz nach wie vor so schön? Hatte sie nicht auch Umweltschutzprobleme?

Wu: In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich die Chemieindustrie in der Schweiz schnell. Es entstand eine große Anzahl von kleinen und mittelständigen Betrieben. Das Problem der Umweltverschmutzung wurde immer kritischer. Unter diesen Umständen hat die schweizerische Regierung strenge Maßnahmen zum Umweltschutz getroffen, denen man die heutige bildschöne Schweiz zu verdanken hat.

Journalist: Im Jahr 2005 betrug das schweizerische BIP pro Kopf 50 158 US-Dollar. Die Regierung dieses reichen Landes hat das nötige Geld zur Verfügung, um verschiedene Maßnahmen zum Umweltschutz zu ergreifen. Aber in China gibt es noch viele Menschen, die in Armut leben. Welche Anstrengungen sollen wir mit dem Aufbau einer harmonischen Gesellschaft als Hintergrund unternehmen, um die Beziehungen zwischen Umwelt und Mensch zu entspannen?

Wu: Die Idee über die Harmonie ist eine langfristige und wissenschaftliche Entwicklungsstrategie, die unsere Regierung nach der Zusammenfassung der Erfahrungen aus der Reform und Öffnung unseres Landes bzw. der weltweiten Entwicklung vorgebracht hat. Eine grundlegende Frage ist, wem die Entwicklung dient. Die Entwicklung ist nicht nur für uns selbst, sondern vielmehr für unsere Nachkommen. Ohne diesen Gesichtspunkt ist die Entwicklung sinnlos.

Zwar ist China heute mit vielen Problemen konfrontiert, aber es gibt immer mehr Chinesen, die sich der Bedeutung des Umweltschutzes bewusst geworden sind. Meiner Meinung nach soll man zuerst die Beziehungen zwischen Partikular- und Gesamtinteressen gut behandeln. Dann ist das Rechtssystem an der Reihe. In der Tat hat man in China schon ein Umweltschutzgesetz in Kraft gesetzt. Aber die Durchsetzung des Gesetzes ist nicht zufriedenstellend. Wenn der Umweltschutz erst einmal ins Bewusstsein gedrungen ist und man den Umweltschutz als lebenswichtig empfindet, können bessere Resultate erzielt werden.

Journalist: Was war die größte Herausforderung für Sie, als Sie in der Schweiz als chinesischer Botschafter fungierten?

Wu: Es ist nicht nur für mich, sondern für alle chinesischen Diplomaten in der Schweiz die größte Herausforderung, was man tun kann, damit die Schweizer China kennen lernen und insbesondere unsere Regierung in manchen sensiblen politischen Fragen verstehen können. Die Verhältnisse in China und in der Schweiz sind sehr unterschiedlich. Große Unterschiede gibt es auch bei Werten und den politischen Systemen. So ist es sehr wichtig, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz in den Bereichen Wirtschaft und Kultur. Dabei haben wir viel zu tun.

Man muss sagen, dass die Schweizer nur wenig Möglichkeit haben, China kennen zu lernen. Zwar sind die Programme der chinesischen Fernsehanstalten CCTV-9 und CCTV-10 weltweit zu empfangen, aber die Schweizer schauen sich das eher selten an. Was sie über China wissen, stammt vor allem aus ihren eigenen Zeitungen und Zeitschriften. In meinen Augen ist der Tourismus ein gutes Mittel. Reist ein Schweizer nach China, kann er viel mehr über China erfahren als zu Hause, denn einmal sehen ist besser als hundertmal hören.

Journalist: China und die Schweiz liegen zwar in weiter Entfernung zueinander, aber der Austausch nimmt Jahr für Jahr zu. 2002 wurden das Jungfraujoch und das Huangshan-Gebirge „Schwesterberge“. 2005 finanzierten beide Regierungen gemeinsam die teilweise Renovierung des Ramoche-Klosters in Lhasa, der Hauptstadt des chinesischen Autonomen Gebiets Tibet. Was haben Sie während Ihrer Amtszeit getan, um den Austausch zwischen beiden Ländern zu fördern?

Wu: Um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Schweiz zu entwickeln, haben wir sowohl für chinesische als auch für schweizerische Unternehmer Informationsreisen in die beiden Länder organisiert, um Absatz- und Investitionsmöglichkeiten aufzuzeigen. Viele weitsichtige Großbanken und Unternehmen aus der Schweiz gründeten bereits kurz nach Chinas Einführung der Reform- und Öffnungspolitik ihre Vertretungen in China. Im Vergleich dazu ist es für chinesische Unternehmen schwerer, in der Schweiz ein Bein auf die Erde zu bekommen. Denn erstens ist alles in der Schweiz teuer, zweitens müssen die Waren, die man in die Schweiz exportieren will, von sehr guter Qualität sein. Heute sind auf dem schweizerischen Markt Textilien, Kleidung, Schuhe, Koffer und Taschen sowie Spielzeug aus China schon ein fester Bestandteil des Warenangebots. Strategisch größten Wert auf die Qualität zu legen, ist für die Vergrößerung des Exports in die Schweiz besonders wichtig.

Journalist: Am 3. Februar 2004 schenkten Sie im Namen des chinesischen Bildungsministeriums der Universität Zürich Bücher. In Ihrer Rede bedankten Sie sich bei dieser Universität für ihre Anstrengungen und Beiträge für den Chinesischunterricht zum Zwecke des Austausches und der Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz sowie der Föderung der Freundschaft zwischen beiden Völkern. Könnten Sie uns den Chinesischunterricht in der Schweiz vorstellen?

Wu: Es gibt immer mehr Schweizer, die Chinesisch lernen. Die Schweiz zählt zu den ersten westlichen Ländern, die die Volksrepublik China anerkannten, und nahm bereits im September 1950 diplomatische Beziehungen mit China auf. Nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik haben wir unser erstes Joint Venture mit der Schweiz gegründet. Das ist das heutige Unternehmen Schindler. Der damalige Vertreter von Schindler vor Ort wurde später Botschafter der Schweiz in China. Er ist heute der größte Sammler von zeitgenössischer chinesischer Kunst. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas haben mehrere kleine und mittelgroße schweizerische Betriebe in China investiert. Unter diesen Umständen wollen immer mehr Schweizer China kennen lernen und die chinesische Sprache lernen. Viele schweizerische Universitäten haben eine Fakultät für Sinologie eingerichtet und viele junge Schweizer lernen Chinesisch als erste wahlfreie Fremdsprache.

Auszug aus der Zeitschrift „International Communications“, Nr. 6, 2007

 
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