Umweltschutz oder Entwicklung? Aus Sicht der führenden Industrieländer soll China sich entscheiden

Von Lars Mörking

Chinas wirtschaftliche Entwicklung schadet der Umwelt, da gibt es keinen Zweifel. Doch was ist von den an China gerichteten Forderungen der Industrieländer zu halten, die ihre Entwicklung bereits auf Kosten der Natur durchgeführt haben? Wie sehen die Bemühungen der G8-Länder aus und welche Schritte werden in China unternommen, einem Land, welches zu den Hauptleidtragenden der Umweltzerstörungen vergangener Jahrzehnte gehört?

Der Gipfel der G8-Staaten in Heiligendamm hat entgegen anders lautender Medienberichte in Deutschland nur eines gezeigt: Die Partikularinteressen der großen Umweltverschmutzer der wirtschafts-mächtigsten Länder sind trotz aller Einsicht in die Notwendigkeit des verstärkten Umweltschutzes stärker als die Vernunft. Beschlossen wurde – und dies gilt als großer Wurf – die Halbierung des Ausstoßes von Treibhausgasen „ernsthaft in Betracht“ zu ziehen bzw. in der UNO weiter darüber zu verhandeln. Faktisch bedeutet dies, dass weiterhin keine verbindlichen Abkommen mit dem Luftverschmutzer Nr. 1, den USA, existieren. Für die vor allem an die großen Entwicklungsländer China und Indien gerichtete Forderung nach Reduzierung ihrer Emissionen gibt es ein schönes Wort: Heuchelei.

Die VR China ist der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen bei steigender Tendenz. Mit wachsendem Konsum und wachsender Wirtschaft steigt auch die Umweltbelastung, die durch die Volksrepublik verursacht wird. Vergleicht man die Pro-Kopf-Zahlen der USA oder der EU-Staaten mit denjenigen der VR China, dann wird deutlich, dass China nicht für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden kann – pro Kopf und Jahr gerechnet produzieren die USA mit 19,7 Tonnen viermal so viel CO2 wie China – besonders dann nicht, wenn man bedenkt, dass die wirtschaftliche Entwicklung Chinas erst seit etwa 15 Jahren einen zu berücksichtigenden Maßstab erreicht hat.

Doch beruhigt es sicher wenig, dass – gemessen an den durch die G8-Länder verursachten Umweltschäden – China historisch betrachtet durchaus die Berechtigung hätte, seine wirtschaftliche Entwicklung auf Kosten der Natur fortzusetzen. Die globalen Voraussetzungen sind andere und dem wird von Seiten der chinesischen Regierung durch eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen, selbstgesetzten Zielen und auch Forderungen an die entwickelten Länder Rechnung getragen. Die Folgen der von den Industrieländern in den letzten über hundert Jahren verursachten Verschmutzungen haben schon in der Vergangenheit mit dazu beigetragen, dass China vermehrt unter Wüstenbildung, Überschwemmungen und insgesamt unter einem extremer werdenden Klima leidet. Hinzu kommt, dass China in jüngster Vergangenheit als „Werkbank der Welt“ fungiert und damit ein Teil der Verschmutzung durch Warenproduktion einfach aus den USA oder den EU-Staaten nach China verlagert wurde. Ausländische Abnehmer chinesischer Waren interessiert nicht die Umweltverträglichkeit der Produktion, sondern nur der Profit, der erzielt werden kann. Boden, Gewässer und Luft werden in China verschmutzt, ein guter Teil der Wertschöpfung wird allerdings im Ausland realisiert. Die chinesische Zentralregierung will nach eigener Aussage diesem Trend der wachsenden Zerstörung der Umwelt durch Anwendung umweltverträglicher Produktionsmethoden entgegentreten. Dabei hält sie daran fest, dass China sich wirtschaftlich und sozial weiterentwickeln muss, wobei sie diese Entwicklung durch die Zerstörung der Umwelt zunehmend gefährdet sieht.

“Die entwickelten Länder müssen die Führung übernehmen”

China fordert die Führungsrolle im Kampf gegen die globale Erderwärmung von den Ländern ein, die diese im wesentlichen zu verantworten haben plus die Mitarbeit derjenigen, die im Besitz der fortgeschrittensten Technologien zur Bekämpfung von weiteren Umweltschäden sind. Das bedeutet: Teilhabe an moderner Umwelttechnologie steht ganz oben auf der Wunschliste Chinas.

China führt seit Jahren in internationaler Zusammenarbeit zahlreiche Klein- und Kleinstprojekte im Bereich regenerativer Energien durch und gewährleistet so die Energieversorgung für abgelegene und dünn besiedelte Regionen. Doch braucht China vor allem Zugang zu Umwelttechnik in den Bereichen Filtersysteme, Recycling und vor allem auch Energieeffizienz, da rasch Erfolge erzielt werden müssen. Unter anderem durch den Einsatz moderner Abgasfilter bei der Kohleverbrennung soll die Umweltbelastung möglichst schnell verringert werden – 2005 lag der Anteil der Kohle unter den primären Energieträgern in China noch bei 68,9 Prozent –, gleichzeitig setzt die Zentralregierung auf Umsteuerung beim „Energie-Mix“. Regenerative Energien sollen gezielt gefördert werden und einen höheren Stellenwert bekommen. Durch die Schließung von Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 5,5 GW in der ersten Hälfte diesen Jahres sollen die jährlichen CO2-Emissionen um 17 Millionen Tonnen gesenkt werden. Dies ist angesichts des wachsenden Strombedarfs in China ein bedeutender Schritt in Richtung einer umweltverträglicheren Energieversorgung.

Länder wie Deutschland, deren Forschung im Bereich der Umwelttechnik relativ fortgeschritten ist und u. a. von Großkonzernen betrieben wird, unterstützen diesen Wandlungsprozess in China nur unzureichend. Umwelttechnik wird in Deutschland offensichtlich nicht entwickelt, um die Klimakatastrophe abzuwenden, sondern um mit etwaigen Patenten Geld zu verdienen (oder sie in der Schublade verschwinden zu lassen, weil sie den konzerneigenen Interessen widersprechen). China hat bereits vor Jahren damit begonnen, eigene Forschungen in diesem Bereich zu finanzieren, doch wäre ein umfassender und internationaler wissenschaftlicher Austausch über Erkenntnisse in diesem Bereich dringend notwendig, um Forschungserfolge zu beschleunigen. Doch wie bei der AIDS-Bekämpfung forschen in vielen Teilen der Welt Wissenschaftler weiterhin isoliert voneinander an für die Menschheit bedeutenden Problemen.

Auf Entwicklung verzichten?

Insgesamt bedeutet die gegenwärtige Situation, dass in China zwar Erfolge bei der Reduzierung von Energieverbrauch und der Emission von Treibhausgasen erzielt werden, Chinas Wirtschaftswachstum diesen positiven Effekt jedoch überdeckt. Die Bestrebung der chinesischen Regierung, die Umweltbelastung pro BIP-Einheit zu verringern, scheint hier der richtige Ansatzpunkt zu sein, um Entwicklung und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Das offizielle Ziel: Der Energieverbrauch soll bis 2010 um 20 Prozent pro BIP-Einheit reduziert werden. Bei anhaltend hohem Wirtschaftswachstum wird so zwar nicht der absolute Emissionswert verringert, das Entwicklungsland China leistet damit aber dennoch einen wesentlichen Beitrag zu den Bemühungen, die Klimakatastrophe abzuwenden.

Es ist kein Geheimnis, dass das Problem als solches ein globales ist, doch führt diese Tatsache meist zu der Erkenntnis, dass bevor auf nationaler Ebene etwas in Sachen Umweltschutz unternommen wird, das Ergebnis internationaler Verhandlungen abgewartet werden muss. Vollkommen ignoriert werden können die seit über 30 Jahren bekannten Auswirkungen der Umweltverschmutzung jedoch nicht mehr, denn der „natur-dialektische Grundwiderspruch“ (H. H. Holz) wird zunehmend erfahrbar, d. h. der Klimawandel wird auch für weite Teile der Bevölkerung der „ersten Welt“ direkt spürbar, und drängt somit in das Bewusstsein der Menschen. Andererseits wird angesichts der weltweiten Reaktionen auf den erfahrbaren Klimawandel immer offensichtlicher, dass innerhalb eines von Partikularinteressen dominierten Weltwirtschaftssystems dessen „ökologische Krise“ nicht mehr rechtzeitig überwunden werden kann.


 
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