„Fettleibiges“ China

Von Qiao Tianbi

„Das Verhältnis zwischen Übergewichtigen und Fettleibigen beträgt in China 3:1. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übergewichtigen zu Fettleibigen werden, ist groß. In den entwickelten Ländern beträgt das Verhältnis 1:1. Die Ernsthaftigkeit der Probleme der Fettleibigkeit in China liegt in der Entwicklungstendenz.“ Diese Ausführung stammt von Herrn Chen Junshi, Mitglied der Chinesischen Akademie für Ingenieurwesen und Direktor des Chinesischen Verhütungs- und Kontrollzentrums für Krankheiten.

Aus der China health and Nutrition Survey CHNS ( Untersuchung über Ernährung und Gesundheit der chinesischen Bevölkerung ) vom Jahr 2002 geht hervor, dass es in China 200 Millionen übergewichtige und über 60 Millionen fettleibige Einwohner gibt, und ihr Anteil an der erwachsenen Bevölkerung jeweils 22,8% und 7,1% beträgt. Nach den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Statistiken gibt es weltweit 1 Milliarde übergewichtige und 300 Millionen fettleibige Erwachsene. Demnach sind ein Fünftel der dicken Menschen Chinesen. Aus der China National Nutrition Survey CNNS (Untersuchung über Ernährung des Landes) vom Jahr 1982 ist zu entnehmen, dass damals der Anteil der Übergewichtigen und der Fettleibigen jeweils nur 6% und 0,6% betrug. Innerhalb von etwas mehr als 20 Jahren sind die Chinesen, die als die Schlankesten galten, schnell dick geworden.

Viele Gelehrte führen die schnelle Entwicklung der Fettleibigkeit von Chinesen auf die rasche Veränderung der Struktur der Nahrungsmittel und der Lebensweise, der das rapide Wirtschaftswachstum Chinas zugrunde liegt, zurück. Einer von ihnen, der sich seit langem mit der Ernährung und der Sicherheit von Nahrungsmitteln beschäftigt, sagt, dass die von der WHO empfohlene Lebensweise eine rationale Einnahme von Nahrungsmitteln und angemessene Bewegung vorsieht. Gerade in diesem Punkt haben Chinesen Probleme.

Entfremdung von den traditionellen Essgewohnheiten

Eine Untersuchung zeigt, dass ein Chinese gegenwärtig pro Monat im Durchschnitt zwei- bis dreimal ausländisches Fastfood zu sich nimmt. Es ist jedoch nicht richtig, dem ausländischen Fastfood die Schuld für die Fettleibigkeit der Chinesen zuzuschieben. Die ständige Vermehrung von McDonalds- und Kentucky Fried Chicken-Filialen in China zeigt jedoch deutlich, dass die Nahrungsaufnahme der Chinesen einem starken Wandel unterliegt. Die Veränderung der Nahrungszusammensetzung und insbesondere die Entfremdung von traditionellen Essgewohnheiten bilden wichtige Gründe für die Fettleibigkeit der Chinesen.

Die traditionelle chinesische Nahrung besteht hauptsächlich aus Korngetreide und Gemüse, Fleisch spielt eher eine untergeordnete Rolle. Diese Nahrungsstruktur gilt als geeignet für Chinesen und kommt ihrer Gesundheit zugute. Aber diese fettarme Nahrungszusammensetzung wird allmählich durch eine fettreiche ersetzt.

2002 betrug der Anteil der durch Korngetreide erzeugten Kalorien bei den städtischen Einwohnern nur 47%, was wesentlich niedriger liegt als der als rational beschriebene Wert von 55% bis 65%. Und die Menge der eingenommenen tierischen Nahrungsmittel ist in den letzten 50 Jahren um das Dreifache gestiegen. Nach dem Bericht von CHNS von 2002 ist die Menge der durch Fett erzeugten Kalorien in China im Durchschnitt auf 27% gestiegen. Sie lag bei 60% der städtischen Bewohner bei über 30%. In einem anderen asiatischen Land, nämlich Südkorea, lag die Menge der durch Fett erzeugten Kalorien bei der Bevölkerung nur bei 19%, also noch niedriger als der Prozentsatz von 25%, der bei chinesischen ländlichen Bewohnern festgestellt wurde. Nach der Empfehlung der WHO sollen die von Fett erzeugten Kalorien bei weniger als 30% liegen und die von tierischem Fett erzeugten Kalorien sollen 10% nicht überschreiten. Die Nahrungseinnahme von 70% der städtischen und 40% der ländlichen Einwohner übertrifft diese Werte.

Professor Huang Mingda ist der geschäftsführende Direktor des Zentrums für die Wissenschaftliche und Technische Zusammenarbeit in Bezug auf Chinesische Medizin und Pharmazie bei der Chinesischen Akademie für die Wissenschaftliche Forschung zur Chinesischen Medizin und Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Adipositas. Er sagt zu diesem Thema: „Essen und Trinken von Chinesen sind heute zu fein und zu westlich. Während das Angebot von Essen und Trinken von uns verbessert wurde, wurde unsere Essgewohnheit verschlechtert. Früher war die Ernährung absolut mangelhaft, heute ist sie relativ mangelhaft, denn die Nährstoffe sind unausgeglichen, die eingenommenen Spurelemente sind unzureichend.“ Beim Essen der Chinesen steigt der Anteil von Fleisch an den Nahrungsmitteln, aber sie haben nicht den gleichen Körperbau wie die Westler und keine entsprechende Kapazität beim Stoffwechsel. Bei vielen Chinesen, die in den Westen gegangen sind und dort leben, ist die Erkrankungsrate von Herzkrankheiten höher als die bei den Einheimischen. Das liegt daran, dass Umsetzung und Abbau von Fett in unserem Stoffwechsel ein niedrigeres Niveau haben. Viele Fettleibige sagen: „Selbst wenn ich nur Wasser trinke, nimmt mein Körpergewicht zu“. Dazu sagt Prof. Huang, dass der Stoffwechsel in diesem Fall bereits Probleme hat.

Lässige Lebensweise

Aus einer US-amerikanischen Untersuchung über die Eingriffe in die Nahrungskontrolle der Jugendlichen geht hervor, dass der Grund dafür, dass die Jugendlichen dicker als ihre Elterngeneration sind, nicht in der Nahrungsmitteleinnahme, sondern in ihrer Lebensweise liegt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie in Computerspielen versinken. Dieses Resultat entspricht dem Ergebnis der neuesten epidemiologischen Untersuchung, die besagt, dass die Veränderung der Lebensweise von Menschen, die auf die Veränderung des allgemeinen Lebensumfelds zurückzuführen ist, einen wichtigen Grund für die Verbreitung der Fettsucht bildet.

Der Bestand von Fernsehern gilt als wichtiger Indikator für die Intensität der Bewegung von Menschen. Je höher der Bestand ist, umso weniger bewegen sich die Menschen. 1994 erreichte die Rate der Popularisierung von Fernsehern 80%, sie ist 2004 auf 126% gestiegen. Dadurch sind immer mehr Chinesen zu so genannten „Sofa-Kartoffeln“ geworden. Das Ergebnis von CHNS 2002 zeigt, dass über 50% der Berufstätigen hauptsächlich sitzend und stehend arbeiten. Die Zeit, in der sie gehen, ist kurz. Die chinesischen Bewohner verbringen ihre Freizeit zu einem großen Teil in einer sitzenden und sich wenig bewegenden Stellung. Fernsehen ist ihre Hauptfreizeitbeschäftigung. Nur 24,6% der städtischen Bewohner machen oft Köperertüchtigung, bei der ländlichen Bevölkerung liegt die Zahl bei 10%. Anders als in westlichen Ländern stellen in China Menschen mittleren und hohen Alters den größten Teil der Teilnehmer an Körperertüchtigungen. Der Anteil der jüngeren Menschen ist eher niedrig.

Viel essen und sich wenig bewegen, diese Lebensweise ist unter den Jugendlichen und Kindern verbreitet. Aus einer Untersuchung, die 2005 unter 100 000 Schülern und Studenten im ganzen Land durchgeführt wurde, geht hervor, dass zwei Drittel von ihnen jeden Tag weniger als eine Stunde Sport treiben und ein Viertel von ihnen grundsätzlich keinen Sport treiben. Auch nach dieser Untersuchung sinken Kraft und Ausdauer in den letzten 20 Jahren kontinuierlich ab, und auch ihre Laufgeschwindigkeit, Sprungkraft und Körperkraft verzeichnen ebenfalls einen Abstieg. Der Anteil von Übergewichtigen und Fettleibigen vergrößert sich ständig. Die eingangs genannte Untersuchung CHNS aus dem Jahre 2002 zeigt, dass der Anteil von Übergewichtigen und Fettleibigen an den Jugendlichen unter 18 Jahren und Kindern zusammen jeweils bei 17,6% und 5,6% liegt.

In Großstädten gibt es noch mehr Fettleibige, was die diesbezügliche Wirkung der Lebensweise zu bestätigen scheint. Die Untersuchung CHNS zeigt, dass der Anteil von Übergewichtigen und Fettleibigen in Großstädten jeweils 30% und 12,3% erreichte. Beijing ist eine der am höchsten entwickelten Städte in China und wird als eine der Städte der Welt, die das größte Problem mit der Fettleibigkeit haben, bezeichnet. Der Anteil von Übergewichtigen und Fettleibigen an den Beijinger Stadtbewohnern erreicht 45%. Diese Stadt hat die am höchsten entwickelte städtische Zivilisation in China und die höchste Rate der Fettleibigen zugleich. Noch in den 80er Jahren hatten die Beijinger noch ein angemessenes Körpergewicht. Die Stadt wurde damals von ausländischen Journalisten als „Reich der Fahrräder“ beschrieben. Es war damals eine gewöhnliche Sache, dass die Stadtbewohner eine Stunde lang oder sogar noch länger zur Arbeitsstelle oder zur Schule Rad fuhren. Heute erreicht der Autobestand bereits drei Millionen, die Fahrspuren für Fahrräder wurden schmaler und die für PKWs wurden breiter. Es wundert heute keinen, wenn man eine Stunde lang, oder sogar noch länger, im Stau steckt.

Die Faktoren wie Abnahme der körperlichen Bewegung und veränderte Nahrungszusammensetzung verursachen für sich und auch in Wechselbeziehungen das Stoffwechselsyndrom. Die Fettsucht wird von Tag zu Tag ein ernsthafteres Problem in der öffentlichen Gesundheitspflege Chinas.

China braucht eine Gesundheitsrevolution

In der traditionellen Gesellschaft galt eine dicke Figur als Symbol des Wohlstands. Bis heute stammen die fettleibigen Menschen in China meistens aus wohlhabenden Familien. Dick zu sein, das bedeutet heute eine latente Gefahr für die Gesundheit. Experten weisen darauf hin, dass die Besonderheit dicker Chinesen darin besteht, dass sie einen kleineren Körperbau und somit einen ungünstigen Körperindex haben, wodurch sie einen auffällig dicken Bauch haben.

China ist ein Land der kulinarischen Erlebnisse. Chinesen legen großen Wert auf Essen, das auch als wichtiges Mittel im Umgang zwischen Menschen gilt. Während die Chinesen großen Wert auf die Farbe, den Duft und den Geschmack von Speisen legen, kümmern sie sich nicht so sehr um die ausgeglichene Kombination von Nahrungsmitteln. Nach Statistiken wurden bei chinesischen Erwachsenen durch die Überernährung, auch eine Art unausgeglichener Einnahme von Nahrungsmitteln, 620 Millionen Erkrankungen festgestellt. Es zeichnet sich eine Tendenz ab, dass sich solche Erkrankungen von Hochverdienenden auf Niedrigverdienende verschieben. Zeitgleich jedoch, insbesondere in der späteren Phase der 80er Jahre, haben Absolventen mit regulärem Hochschulstudium und Magister-Studium des Fachs Ernährungswissenschaft einen anderen Beruf ergriffen, weil sie keine ihrer Hochschulausbildung entsprechende Arbeitsstelle fanden. In der Gegenwart gibt es in China nicht mehr als 4000 hauptberufliche Ernährungswissenschaftler, und China braucht mindestens vier Millionen Ernährungswissenschaftler.

Wang Longde, der stellvertretende Minister des Ministeriums für Gesundheitswesen, wies 2005 in einer Rede darauf hin: „Chinesen brauchen möglichst schnell eine gründliche Revolution ihrer jetzigen Essgewohnheiten. Die frühere gesunde Nahrungsstruktur muss wiederhergestellt werden. Die für die Gesundheit unentbehrlichen Arten von Nahrungsmitteln sind zu vermehren, damit sich die tägliche Einnahme von Kalorien und deren Verbrauch die Waage halten.“ „Die Verbesserung der Ernährung der Bevölkerung voranzutreiben“ ist bereits in den Plan für die volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung aufgenommen. Es ist das erste Mal, dass der Ernährung der Bevölkerung so große Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Prof. Huang meint, dass es im Zusammenhang mit den unbequemen infrastrukturellen Bedingungen des Breitensports, aber auch mit ungesunden Lebensgewohnheiten steht, dass die Chinesen ungern Sport treiben. Im Ausland joggt man gern, Mann und Frau, Alt und Jung treiben Sport. In China stehen viele Menschen unter dem Druck von Leben und Arbeit, sie fühlen sich zu müde, um Sport zu treiben.

Inzwischen ist ein Spruch weit verbreitet: „Lieber jemanden zum Schwitzen als zum Essen einladen.“ Immer mehr Menschen schenken der eigenen Lebensweise große Aufmerksamkeit. Sie hoffen, dass sich ihre Gesundheit bessert, anstatt dass sie immer dicker werden.

 

 
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