Dezember 2002
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Kultur und Kunst

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Ein zeitloses Musikstück in Chinas Altertum
Bemalte Reliefziegel

Bemalte Reliefziegel

Von Yong Hong

Die Zeit der sechs Dynastien (222-589 u. Z.) stellt eine wichtige Übergangszeit in der Geschichte der chinesischen Malerei dar. Viele bekannte Maler aus dieser Zeit wie z. B. Gu Kaizhi aus der Östlichen Jin-Dynastie (317-420 u. Z.) übten einen großen Einfluss auf die späteren Generationen aus. Aber Papier und Seide wurden mit der Zeit zerstört, so dass keine Originale aus dieser Zeit mehr erhalten sind. Früher konnte man nur an Hand von später angefertigten Kopien die Malerei der Zeit der sechs Dynastien kennen lernen, weswegen man sich auch kein richtiges Bild von der damaligen Malerei machen konnte.

Archäologen haben in den letzten Jahren einige hundert Gräber freigelegt, in denen eine große Menge von Kulturgegenständen aus der Zeit der sechs Dynastien in Südchina entdeckt wurde. Besonders zahlreich waren die Funde in Nanjing, der damaligen Hauptstadt. Bis heute haben wir keine Seiden- und Papiermalereien gefunden, wohl aber bemalte Reliefziegel und große, aus mehreren Ziegeln zusammengesetzte Bilder an den Grabkammerwänden. Diese Entdeckung hat es uns ermöglicht, die Malerei der Zeit des sechs Dynastien etwas besser kennen zu lernen, da die Vorlagen für die Motive auf den Ziegeln oft Malereien waren.

Zur Zeit der sechs Dynastien wurden die Wände in den Gräbern meistens aus Ziegeln gebaut, die ungefähr 38 cm lang, 14-19 cm breit und 3-5 cm dick waren. Auf den Ziegeln wurden vor allem Blumen und Menschenmuster eingeschnitzt. Oft sind die Ziegel mit Lotosblumen, Lotosblättern und Keckenkirschen verziert, in schlichter und lebendiger Linienführung, z. B. Lotosblumenmuster in Rundform, Lotosblumen mit sich nach verschiedenen Seiten erstreckenden Heckenkirschzweigen oder von Heckenkirschblättern umrahmte Lotosblumen. Manchmal sind die Blumenbilder auch mit Tiermustern kombiniert, z. B. einem langschwänzigen Phönix, der seinen Federschopf aufrichtet, einem Fabeltier mit vier Flügelfüßen, einem langmähnigen Löwen mit kräftigen Tatzen oder Vögel mit Menschen- oder Tierköpfen.

Diese ornamentalen Reliefziegel bilden die Mehrzahl unter den bemalten Ziegelsteinen. Für uns am wertvollsten sind allerdings die Ziegelsteine mit eingeschnitzten Menschenfiguren und Szenen aus dem Leben. Das aus der Spätzeit der sechs Dynastien stammende Grab im Dorf Qijiacun, Kreis Changzhou, Provinz Jiangsu, enthält viele Ziegel mit Menschenreliefs, z. B. Dienerinnen, Wachen mit Messern in den Händen, hübsche Mädchen mit hochgetürmten Frisuren, langen Röcken und großen Schuhen. Besonders faszinierend ist ein Mädchen mit einer Schneckenfrisur und im Wind wehenden Kleidern und Ärmeln, das ein Rauchgefäß trägt. Aber nicht nur einzelne Menschen stellten die Künstler auf diesen Ziegeln dar. Die rot-, grün-, weiß-, gelb-, schwarz- oder violettgefärbten Ziegel, in einem Grab im Kreis Deng, Provinz Henan, zeigen z. B. Szenen aus dem Leben des dort Beerdigten, seine Gefolgschaft, Pferde, Pferdewagen, Soldaten, Tänzer und Musikanten. Auf einem Ziegel sind marschierende Soldaten eingeschnitzt, die mit Speeren oder Schwertern bewaffnet sind. Manche haben Bogen umhängen und Köcher. Auf einem anderen Ziegel ist eine Militärkapelle zu sehen, voran die Hornisten, hinten die Trommler. Auf einem anderen Reliefziegel sind Musikanten und Tänzerinnen dargestellt. Links ein Dirigent, der mit einer Feder den Takt angibt, die Musikanten schlagen die Trommel oder spielen die Sheng (Mundorgel); rechts tanzen zwei Tänzerinnen. Ein weiterer Ziegel zeigt einen Hirtenknaben, der einen Büffel festzuhalten versucht.

Dann gibt es auch noch große, aus vielen Ziegelsteinen bestehende Bilder. Manchmal ist die ganze Wand ein einziges Bild. In dem bei Nanjing gelegenen Dorf Youfangcun im Gebiet Xishanqiao wurde 1961 ein Grab aus der Spätzeit der Südlichen Dynastien ausgegraben, an dessen östlichen Korridorwand sich ein 1,05 X 0,65 m großes Bild aus Reliefziegeln findet. Es zeigt einen sitzenden Löwen mit nach oben gebogenem Schwanz. Der Kopf ist leider nicht mehr erhalten. Für dieses Bild wurden vor dem Brennen auf den Ziegelsteinen Stellen markiert, entsprechend denen dann die Ziegel zusammengesetzt wurden. Unter den großformatigen Ziegelreliefs ist eine Serie besonders bemerkenswert: "Sieben Weise im Bambushain und Rong Qiqi". Sie ist auf zwei gegenüberliegende Wände aufgeteilt, die beiden Teile sind jeweils 2,4 m lang und 0,8 m hoch. Der eine an der südlichen Wand zeigt Ji Kang, Ruan Ji, Shan Tao und Wang Rong, und der an der nördlichen Wand Xiang Xiu, Liu Ling, Ruan Xian und Rong Qiqi. Die ersten sieben Personen sind Weisen aus der Westlichen Jin-Dynastie. Die einzelnen Figuren sind jeweils durch einen Baum voneinander getrennt. Dadurch bildet jede Figur ein Bild für sich. Diese entweder liegenden oder sitzenden Männer sind sehr lebendig dargestellt, jeder besondere Charakterzüge aufweisend. Wang Rong liegt halb auf dem Bett, ist barfüßig und hat seine Beine angezogen. Mit dem linken Arm stützt er sich auf einen kleinen Tisch, seine rechte Hand spielt mit einem "Ruyi", einem S-förmigen, verzierten Gegenstand, der Glück symbolisiert. Diese natürliche Darstellung entspricht der Schilderung in einem klassischen Gedicht: "Wang Rong spielt mit einem Ruyi". Liu Ling, der ohne Wein nicht leben konnte, sitzt barfuss unter einer Weide, hält in der linken Hand einen Henkelbecher voller Wein und riecht an seinem in den Wein getauchten Finger. Seine Augen sind auf den Becher gerichtet. Das ganze Bild drückt Liu Lings Freude am Trinken aus und weckt in uns ebenfalls die Lust, ein Glas Wein zur Hand zu nehmen. Ji Kang, ein bekannter Zitherspieler, sieht man unter einem Baum sitzend spielen. In der damaligen Zeit achtete man sehr auf die Symmetrie. Und da beim Bild "Sieben Weise im Bambushain" auf die eine Wand vier Männer kamen, auf die andere aber nur drei, fügte der Maler, um die Symmetrie zu wahren, noch Rong Qiqi, einen vor der Qin-Dynastie zurückgezogen lebenden Gelehrten hinzu. Diese lebendigen Porträts zeugen von dem hohen Niveau der bildenden Kunst zur Zeit der sechs Dynastien. Die Reliefs wurden nach Vorlagen von Gemälden zuerst eingeschnitzt, dann wurde der Ziegel gebrannt. Und so können wir uns vorstellen, wie weit entwickelt die Papier-, Seiden- oder Wandmalerei gewesen sein muss.

(Aus „China im Aufbau“, Nr. 4, 1979)

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