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Quanzhou und Neustadt an der Weinstraße: Ein Schüleraustausch zum Brückenschlag

2025-09-17 18:33:00 Source:cdd-online.com.cn Author:Wei Hongchen
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Carolin Bernhard ist gerade einmal 28 Jahre alt. Schon die Hälfte ihres Lebens jedoch hat sie direkten Bezug zu China, vor allem zur südostchinesischen Stadt Quanzhou, die vielen Menschen in Deutschland wohl kein Begriff sein dürfte.


Alles begann im Jahr 2011, als Bernhard, damals 14, gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern des Leibniz- und des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums die Hafenstadt Quanzhou besuchte. Untergebracht waren die gebürtige Neustädterin und ihre Altersgenossen in Gastfamilien, was eine ganz besondere Gelegenheit bot, die chinesische Kultur und Lebensart hautnah zu erleben. Bei Carolin Bernhard hinterließ das Erlebnis bleibenden Eindruck. Sie war so fasziniert von ihrem ersten Aufenthalt in China, dass sie in den darauffolgenden Jahren regelmäßig nach China reiste.   

 

Möglich gemacht hat dies ein Schüleraustausch zwischen den Partnerstädten Quanzhou und Neustadt. Das Programm findet seit 2010 im jährlichen Wechsel entweder in der chinesischen oder der deutschen Partnerstadt statt. Ziel des Austauschs – als wichtiger Bestandteil der Partnerschaftsaktivitäten beider Städte – ist die nachhaltige Förderung des gegenseitigen Verständnisses. Die mehr als zehnjährige Praxis hat sich ausgezahlt und trägt reiche Früchte. 

 

 

 

Gruppenfoto vor einer Laozi-Statue 2024 in Quanzhou (Foto: Büro für auswärtige Angelegenheiten der Volksregierung der Stadt Quanzhou) 

 

Aus Fremden werden Freunde 

Quanzhou, eine Küstenstadt in der südostchinesischen Provinz Fujian, vormals auch als Zayton bekannt, zählte zu den Ausgangspunkten der antiken maritimen Seidenstraße und florierte insbesondere zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert als weltoffenes Handelszentrum. 2021 nahm das UNESCO-Welterbekomitee auf seiner 44. Sitzung Quanzhou für seine Rolle als globales Handelszentrum der Song- und Yuan-Dynastie offiziell in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten auf. Bis heute ist die Stadt bekannt für ihre Wirtschaftsstärke. Rund 10.000 Kilometer entfernt, in Rheinland-Pfalz, liegt das dagegen eher beschauliche Neustadt an der Weinstraße. Doch auch das deutsche Städtchen hat einiges zu bieten, zeichnet sich vor allem durch seine einmalige Lage im Zentrum der Deutschen Weinstraße aus und besticht durch seine schöne Kulturlandschaft und intakte Umwelt. Gemeinsam mit seinen neun Weindörfern glänzt der Ort als zweitgrößte Weinbau-Gemeinde Deutschlands. 

 

Die offizielle Städtepartnerschaft mit Quanzhou besteht seit 1995. Sie geht zurück auf eine Partnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit der chinesischen Provinz Fujian. Seit der Verschwisterung gibt es zwischen den beiden Städten einen regen Austausch in Bildung, Kunst, Kultur, Wirtschaft und Verwaltung. Ob Schüleraustausche, Delegationsreisen, kulturelle Begegnungen oder Wirtschaftszusammenarbeit – die Liste der freundschaftlichen Austauschformate ist lang. Bis Ende 2024 besuchten insgesamt 79 Delegationen die jeweils andere Partnerstadt, darunter 36 Besuche aus Quanzhou und 43 aus Neustadt. Im November 2024 ehrte die Gesellschaft des chinesischen Volkes für Freundschaft mit dem Ausland Neustadt mit einem Ehrenpreis für Städtefreundschaft. 

 

Die Stadt Quanzhou weite ihre Öffnung stetig aus und unterhalte heute noch intensivere internationale Kontakte, sagte Yao Fei, stellvertretender Bürgermeister der Stadt bei einem feierlichen Festakt im Hambacher Schloss im April dieses Jahres. Die Freundschaft mit Neustadt stelle ganz klar einen Glanzpunkt im internationalen Austausch der Küstenstadt dar. 

 

Auch Marc Weigel, Neustadts Oberbürgermeister, preist die Städtepartnerschaft als einen konkreten Schritt, um Brücken zu bauen. Es sei über die Jahre eine wetterfeste Partnerschaft gewachsen, die von Neugier, Respekt und echtem Interesse am Gegenüber geprägt sei, so das Stadtoberhaupt. „Unsere Partnerschaft verbindet nicht nur zwei Städte, sondern zwei Gemeinschaften, zwei Lebenswelten, zwei historische Kulturen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich dennoch in vielem ähneln.“ 

 

 

 

Posieren mit traditionellem Kopfschmuck: Schülerinnen aus Neustadt 2011 bei einem Besuch in Xunpu im Quanzhouer Umland (Foto: Büro für auswärtige Angelegenheiten der Volksregierung der Stadt Quanzhou) 

 

Ein Besuch, der vieles verändert 

Junge Menschen bilden die Hoffnungsträger einer Städtepartnerschaft, weshalb dem Jugendaustausch eine Schlüsselrolle zukommt. In diese Kerbe schlägt auch das genannte Schüleraustauschprogramm, das immer wieder neuen Wind in die Städtefreundschaft bringt. 

 

Carolin Bernhard besuchte einst das Leibniz-Gymnasium und war eine der Glücklichen, die am Austauschprogramm mit China teilnehmen durften. Auf dem Programm standen damals nicht nur zahlreiche Besichtigungen kultureller Stätten, politischer Einrichtungen und wirtschaftlicher Unternehmen, sondern auch Begegnungen in den Familien, der Gastschule und im Alltag beim abendlichen Bummel durch die Straßen Quanzhous. 

 

 

 

Erster Besuch bei der chinesischen Gastfamilie 2011: Carolin Bernhard verbrachte ihren ersten China-Aufenthalt bei ihrer Gastschwester Mingming und deren Familie. (Foto: Carolin Bernhard) 

 

Auch wenn es nun schon mehr als zehn Jahre her ist: die ehemalige Leibniz-Schülerin erinnert sich noch gut an ihren Aufenthalt in Quanzhou. Die unglaubliche Gastfreundschaft und die Größe der Stadt hätten sie damals als 14-Jährige am meisten beeindruckt, sagt sie. Zwar sei der Aufenthalt in China nur kurz gewesen, ihre Verbindung zu Quanzhou und China halte aber bis heute an. „Ich war schon immer interessiert an fremden Kulturen und Reisen in unterschiedliche Länder, hätte aber nie gedacht, dass die Teilnahme am Jugendaustausch damals einen so großen Einfluss auf meinen späteren Lebensweg nehmen würde.“ 

 

Nach der erfolgreichen Teilnahme am Jugendaustausch 2011 konnte Bernhard im Rahmen eines Praktikums bei der Stadtverwaltung Quanzhou im Sommer 2017 hinter die Kulissen schauen und selbst zur Organisation des Austausches beitragen. Das verstärkte ihr Interesse nicht nur an Chinas Geschichte, Wirtschaft und Politik, sondern ganz besonders auch an den gesellschaftlichen Veränderungen im Land. 

 

Carolin Bernhard entschloss sich letztlich, ein interdisziplinäres Studium der Politik- und Sozialwissenschaften am Europa-Asien Campus der SciencesPo Paris in Le Havre aufzunehmen. Während ihres Bachelorstudiums verbrachte sie ein Austauschjahr an der Fudan-Universität in Shanghai und vertiefte dabei auch ihre Chinesischkenntnisse – ihrer Meinung nach ein wichtiger Schlüssel, um Land und Leute besser kennenzulernen, auf Augenhöhe zu kommunizieren und bestimmte kulturelle Konzepte tiefer zu verstehen. Nach dem Abschluss ihres Masterstudiums zog es die Neustädterin dann nach Beijing, wo sie in den vergangenen vier Jahren als Projektberaterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig war und sich schwerpunktmäßig mit deutsch-chinesischen Kooperationsprojekten für nachhaltige Mobilität befasste. 

 

Sie sagt: „Der Austausch war für mich ein wahrer Türöffner – zu neuen Begegnungen und tiefen Freundschaften, einprägsamen Erlebnissen und Lernerfahrungen, nicht nur über eine fremde Kultur, sondern genauso über mich selbst.“ Der Jugendaustausch habe sie maßgeblich geprägt. 

 

Sie habe längst den Überblick verloren, wie viele Male sie über die Jahre schon in Quanzhou gewesen sei, sagt die 28-Jährige und lacht. Doch eines sei klar: Je mehr sie dort gewesen sei, desto besser habe sie die Stadt in all ihren Facetten kennengelernt. Die Entwicklung der Stadt verfolge sie bis heute aufmerksam mit ungebrochenem Interesse. Zwischen ihrer chinesischen Gaststadt und ihrer Heimatstadt in Rheinland-Pfalz sieht sie neben den strukturellen Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten. Beide Städte verbänden eine hohe Lebensqualität, eine große Genusskultur und die Freude am Zusammenkommen und Festefeiern. Lokale Produkte würden sehr wertgeschätzt, alte Traditionen gepflegt und kulturelle Diversität zelebriert. „Egal, ob bei einer Tasse Tieguanyin, Dahongpao oder einem Glas Riesling – Quanzhouer und Neustädter lassen es sich gerne gutgehen“, so ihr Fazit. 

 

 

 

Als Brautjungfer auf der Hochzeit der Gastschwester 2023: Nach dem Gegenbesuch von Mingming in Neustadt im Sommer 2012 sind die beiden jungen Frauen stets in Kontakt geblieben und treffen sich seither regelmäßig bei gemeinsamen Reisen durch China. (Foto: Carolin Bernhard) 

 

Aus Unterschieden wird gegenseitiges Verständnis 

In Folge der Coronapandemie mussten die Verantwortlichen den Austausch zwischen 2020 und 2023 zunächst auf Eis legen. Doch die Funkstille sollte nicht lange anhalten. Im Juli letzten Jahres nahm man das Projekt wieder auf. Bis Ende 2024 hatten bereits 189 Schülerinnen und Schüler beider Seiten an dem Programm teilgenommen. Im August dieses Jahres war wieder eine Schülergruppe zu Besuch an der Weinstraße, wo sich Neustadt einmal mehr von seiner besten Seite zeigen konnte. 

 

Ulrike Bahl, die ehemalige Konrektorin des Kurfürst-Ruprecht-Gymnasiums, war selbst bereits dreimal als Begleiterin in Quanzhou. In einem Interview mit der „Rheinpfalz“ verriet sie, dass die begrenzten Plätze des Austauschprogramms in den vergangenen Jahren eigentlich immer sehr gefragt gewesen seien. 2024 allerdings sei dies anders gewesen. „Wir hatten Mühe, die Spots zu füllen. Offensichtlich wird China hierzulande zunehmend skeptischer betrachtet“, so Bahl.  

 

In den Augen von Carolin Bernhard sind Völkerverständigung und Austauschmöglichkeiten zwischen der jungen Generation zentral für ein friedliches Miteinander und eine konstruktive zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Der kulturelle Austausch helfe, bestimmte Stereotype  abzubauen, persönliche Erfahrungen mit der jeweils anderen Kultur zu ermöglichen und in direkten Kontakt zu kommen. Dabei werde oftmals deutlich: „Im Kern sind wir alle, fern von jeder Nationalität oder Kultur, letztlich einfach Menschen. Ich möchte daher alle Menschen in Neustadt und Quanzhou dazu ermutigen, sich näher mit der Städtepartnerschaft zu befassen, offen und interessiert am Austausch zu bleiben und vielleicht auch selbst in der einen oder anderen Funktion als Brückenbauer bzw. Brückenbauerin zu agieren“, so ihr Wunsch. 

 

2025 ist für beide Städte ein bedeutungsvolles Jahr, denn in diesem Jahr feiern die Orte 30 Jahre Partnerschaft. Das Jubiläum sei ein kleines Zeichen der Hoffnung für diese Welt, sagt Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel. Die Städtepartnerschaft sei und bleibe etwas Besonderes. Man wolle sie daher weiterhin pflegen und ausbauen und den Austausch in verschiedenen Bereichen ausweiten. 

 

Carolin Bernhard ist seit diesem Sommer wieder zurück in Deutschland, wo sie sich gerade auf ihre Promotion im Bereich nachhaltige Entwicklung vorbereitet – weiterhin mit Bezug zu China. „Neustadt wird für mich immer Heimat bleiben. Quanzhou aber ist mittlerweile zu meinem zweiten Zuhause geworden, obwohl ich deutlich längere Zeit in Shanghai und Beijing gelebt habe. Ich habe fest vor, auch in Zukunft häufig nach Quanzhou zurückzukehren.“ 

 

(Wir bedanken uns herzlich beim Büro für auswärtige Angelegenheiten der Volksregierung der Stadt Quanzhou für die starke Unterstützung unserer Arbeit!) 

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