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„Ich will etwas für die Bildung blinder Kinder tun“

2022-05-06 15:57:00 Source:China Heute Author:Li Huaxi
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Cering wurde in einer ländlichen Familie im Kreis Sagya, Stadt Xigaze im Autonomen Gebiet Tibet geboren. Wegen einer Krankheit verlor er sehr früh das Sehvermögen auf beiden Augen, so dass er im Alter von sechs Jahren nur die Blindenschule von Lhasa besuchen konnte. Später wechselte er auf eine öffentliche Schule für blinde Kinder im Vorort von Xigaze, um die Blindenschrift und andere Grundkenntnisse zu erlernen. Die Schule öffnete ihm eine Tür zu der Welt, die ihn umgibt, die er aber nicht sehen kann. 

 

  


Der blinde Student Cering will etwas für die Bildung blinder Kinder tun. 

  

„Ich war damals noch ein kleiner Junge, hatte aber klare Ziele für die Zukunft. Ich wusste, dass Bildung die einzige Möglichkeit für mich ist, meine Sehbehinderung auszugleichen und etwas über die Außenwelt zu erfahren“, sagt Cering. 

  

Cerings Vater unternahm größte Anstrengungen, um den Sohn beim Schulbesuch zu unterstützen. Neben der landwirtschaftlichen Arbeit übte er auch Gelegenheitsjobs aus, um Geld zu verdienen und seine Familie zu ernähren. Darüber hinaus boten auch viele Menschen großzügige Hilfe an. Dies ermöglichte es Cering, die Oberstufe der Mittelschule abzuschließen. 

  

Eine Prüfung, die das Leben verändert 

  

Der Sommer 2018 bleibt Cering für immer in Erinnerung. In jenem Jahr nahm er an der Hochschulaufnahmeprüfung (Gaokao) teil. 

  

„Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie mein Lehrer eines Tages zu mir kam und mir mitteilte, dass ich mich auf die Gaokao vorbereiten sollte. In diesem Zusammenhang fragte er mich, ob ich dafür einige besondere Hilfsmittel bräuchte“, erzählt Cering. Er wünschte sich zwei Braille-Schreibmaschinen, zwei Schreibtische und einen Rollstuhl, die ihm während der Prüfung zur Verfügung gestellt wurden. Der Behindertenverband von Xigaze schickte ein Auto, um ihn zum Prüfungsort in einer Schule in der Nähe seiner Wohnstätte zu fahren. Ein Lehrer kümmerte sich um sein Alltagsleben während der Prüfungstage. 

  

Den Rücken gestärkt durch all diese Unterstützung, machte sich Cering voller Zuversicht an die Lösung der Prüfungsaufgaben. Rasch stieß er jedoch auf Schwierigkeiten. Da er in den Jahren zuvor meist normale Schulen besucht hatte, in denen der Lehrer die Fragen laut vorgelesen hatte, die Cering dann mit Hilfe einer Schreibmaschine beantwortete, verfügte er nur über wenig Erfahrung im Umgang mit Prüfungsmaterialien in Brailleschrift. 

  

„Ich habe die Papiere angefasst, einen guten Stapel davon, besonders die für Englisch und allgemeine Sozialwissenschaften“, sagt Cering. „Dann begann ich mir Sorgen zu machen, weil ich fürchtete, dass ich sie nicht im vorgegebenen Zeitrahmen würde beantworten können“, fügt er hinzu. Tatsächlich hatte er in der Englisch-Prüfung keine Zeit für die Inhalte „Leseverständnis“ und „Verfassen eines Essays“. Auch auf den Prüfungsbögen der allgemeinen Sozialwissenschaften ließ er einige Stellen leer. Aber zu seiner Erleichterung waren die Prüfungsaufgaben frei von Grafiken und anderen Inhalten, die durch Berühren mit den Fingerspitzen nur schwer zu verstehen sind. „Dies zeigt Rücksicht auf die Bedürfnisse blinder Schüler, was ich sehr lobenswert finde“, sagt er. 

  

Cering nahm 2018 als einziger blinder Schüler an der Gaokao in Tibet teil. Er erzielte dabei 422 Punkte. Das waren 47 Punkte über der Zulassungsschwelle für Sozialwissenschaften an Schwerpunktuniversitäten in Tibet. Schließlich wurde er vom College of Arts der Tibet University aufgenommen, um dort ein Lehramtsstudium für tibetische Sprache und Literatur zu absolvieren. 

  

Überwindung weiterer Schwierigkeiten 

  

Cering schätzt es sehr, die Hochschule besuchen zu können. Nachdem er erfahren hatte, dass er der dritte blinde Student am College of Arts war, wandte er sich an die anderen beiden Studenten, um von ihren Erfahrungen zu lernen. 

  

Einer von ihnen nahm stets ein Braille-Buch mit und las darin sogar beim Anstehen in der Warteschlange bei der Essensausgabe in der Mensa. „Ich war tief bewegt, als ich das hörte. Daher beschloss ich, seinem Beispiel zu folgen“, sagt Cering. 

  

Für blinde Studenten ist es aufgrund des Mangels an geeigneten Braille-Lehrbüchern, Schreibheften und Lesematerialien sehr schwer, mit ihren Studienkollegen Schritt zu halten. Hinzu kommt der größere Zeitaufwand, den sie für das Mitschreiben betreiben müssen. Als die Mitarbeiter der Universitätsbibliothek von diesen Schwierigkeiten erfuhren, stellten sie einen Antrag bei der China Disabled Persons’ Federation, um eine Braillezeile für Cering zu beschaffen. Mitte Mai 2020 erhielt Cering vom Behindertenverband eine Braillezeile, die an einen Computer angeschlossen werden kann. Mit dieser Ausrüstung kann der Inhalt der Vorlesungen in Blindenschrift übersetzt werden, was das Studium von Cering seitdem stark erleichtert hat. 

  

Mit dem neuen Display konnte Cering im Unterricht viel schneller Notizen machen, aber mit dem Sprechtempo des Dozenten konnte er immer noch nicht Schritt halten. Daher bedurfte es noch der Unterstützung seiner Studienkollegen, um die fehlenden Informationen zu ergänzen. Der Englischkurs stellte eine weitere Herausforderung für ihn dar. Er benutzte ein Tonbandgerät, um jede Lektion aufzuzeichnen, damit er sie auch nach dem Unterricht noch einmal abspielen konnte. Um den Unterrichtsinhalt gut zu verstehen, musste er viel mehr Zeit und Energie investieren als andere Kommilitonen. Dank der Unterstützung von Lehrern und Studienkollegen hat Cering gute Ergebnisse in allen seinen Fächern erzielt. 

  

Weitergabe der Liebe 

  

Cering interessiert sich für Musik. Er verbringt seine Freizeit damit, Flöte zu spielen und zu singen. Einer seiner Lieblingssongs ist „Tomorrow Is a Better Day“. Er hofft, dass er mithilfe der Musik seine Liebe zum Leben ausdrücken und anderen Menschen Wärme bringen kann. 

  

Auch nimmt sich Cering viel Zeit, um Bücher zu lesen. Zu seiner Freude hat die Bibliothek seiner Universität in den letzten Jahren ihren Bestand an Büchern in Brailleschrift erweitert, um die wachsenden Bedürfnisse der blinden Studenten zu befriedigen. Seit seiner Hochschulzulassung bis heute hat Cering mehr als zwanzig Bücher gelesen, darunter „Chinas Geschichte der Neuzeit“ und Xi Jinpings „China Regieren“, was ihm großen Trost und Inspiration gegeben hat. 

  

Dank der Hilfe eines Freiwilligen von der China Braille Library in Beijing hat sich Cering mit dem Buch „Mein Weg führt nach Tibet“ vertraut machen können. Die Autorin dieses Buchs ist Sabriye Tenberken, eine deutsche Tibetologin und Mitbegründerin der Organisation Braille Without Borders. Tief beeindruckt ist Cering von dem großen Beitrag, den die ebenfalls blinde Tenberken für Bildung und Rehabilitation blinder Menschen in Tibet geleistet hat. „Inspiriert von diesem Buch will ich nach meinem Hochschulabschluss als Lehrer für blinde Kinder arbeiten. Ich hoffe, dass ich wie Frau Tenberken etwas für die Bildung blinder Kinder tun kann“, sagt Cering. 

  

Cering wurde im Dezember 2020 als herausragender Student ausgezeichnet. Bescheiden sagt er über seine Leistung: „Ich habe nichts Besonderes getan. Ohne Unterstützung meiner Mitschüler und Studienkollegen wäre ich nicht in der Lage gewesen, mich auf dem Campus zu bewegen, in die Mensa zum Essen zu gehen oder zu meinem Schlafraum zu gelangen. Sie sind meine ,Augen‘, die Licht in mein Leben bringen.“ 

 

*Li Huaxi ist Reporter von youth.cn.  

 

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