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Vom Blogger zum Jungunternehmer – Ein Russe auf Karrierekurs in China

2018-07-26 15:34:00 Source:CRI Author:
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*Von Liu Zhuoran

 

„Hi, ich bin online. Was kann ich für Sie tun?“. Flink tippt Artem Zhdanov diese Zeilen auf Chinesisch in seine Tastatur. Seit vier Jahren betreibt der junge Russe im Reich der Mitte einen Onlineshop bei Taobao, Chinas E-Commerce-Plattform Nummer eins. Und das Geschäft brummt. Der 28-Jährige freut sich über satte Gewinne. Seit einigen Jahren führt Zhdanov gewissermaßen ein berufliches „Dreifachleben“ in der Volksrepublik: Er ist nicht nur Eigentürmer von ekd.me, dem größten WeMedia-Konto Russlands, das sich auf Informationen über China spezialisiert hat, sondern auch einer der Gründer der Beratungsfirma UCHINA, und ganz nebenbei auch noch Inhaber von LAOWAI ME, einem Onlineshop für kreative Kulturprodukte mit chinesischem Touch. Und alle drei beruflichen Standbeine sind mit China verbunden.



 Blog, Beraterfirma, Onlineshop – der 28-jährige Artem Zhdanov führt in der Volksrepublik ein berufliches „Dreifachleben“.


Sprache als Türöffner

 

Zhdanovs China-Liaison begann bereits vor zehn Jahren. Damals war er gerade 18 geworden und entschied sich, sehr zur Freude seiner Eltern, für ein zukunftsträchtiges Studienfach, nämlich Chinawissenschaften.

 

Genauso wie im China der achtziger Jahre einst die Faustregel galt, dass man mit Studienfächern wie Mathematik, Physik oder Chemie nichts verkehrt machen konnte, heißt es heute oft in Russland, wer Chinesisch beherrscht, hat schon den ersten Grundstein für eine gute Karriere gelegt.

 

Zhdanovs Heimat liegt in Sibirien. „Die Flugzeit von meiner Heimatstadt nach Moskau dauert fast genauso lange wie nach Ürumqi in Westchina“, sagt der 28-Jährige. Bevor Zhdanov sein Studium an der Universität begann, waren Jackie Chan und die Große Mauer die einzigen Dinge, die er mit dem Reich der Mitte verband. Anfangs hegte er sogar etliche Vorurteile gegen das Nachbarland. „Die Chinesen, das sind alles Hundefleischesser, dachte ich damals“, erzählt er uns und lacht. Nachdem der junge Mann aus Russland nun schon eine ganze Weile in China gelebt hat, weiß er natürlich, dass viele solche Ansichten grobe Schablonen sind, die die Realität keineswegs immer abbilden. Vieles, was der Russe damals über China gelesen hatte, sollte sich schlichtweg als falsch herausstellen.

 

Eigentlich hatte Artem Zhdanov anfangs gar nicht vor, auch die chinesische Sprache an der Universität zu erlernen. „Ich wollte das Fach in Bezug auf internationale Beziehungen studieren. Als Sprachkurse wählten die meisten meiner Kommilitonen Englisch, Französisch oder Spanisch“, erinnert er sich. „Ich wollte mich da irgendwie von der Masse abheben, und begann deshalb, Chinesisch zu lernen.“

 

In den Sommerferien seines zweiten Studienjahres reiste Zhdanov dann zum ersten Mal nach China. Drei Monate dauerte diese kulturelle Feuertaufe, die er in Nordostchina verbrachte. Ein Jahr später setzte er sein China-Abenteuer dann fort und reiste vom Altai-Gebirge über Kasachstan bis nach Ürumqi, wo er das Glück hatte zu trampen. So führte ihn sein Weg über Lanzhou, (Hauptstadt der Provinz Gansu), die alte Kaiserstadt Xi’an (Provinz Shaanxi) und Zhengzhou in Henan bis in die ostchinesische Küstenmetropole Shanghai. Diese Reise sollte Zhdanovs Leben verändern.

 

Nach seiner Rückkehr eröffnete Zhdanov in seiner Heimat ein Konto bei VK, Russlands größter Social-Media-Plattform. Mit seinen Blogeinträgen wollte er auch andere junge Russen mit China vertraut machen. Schon nach kurzer Zeit zählte sein Account etliche Follower. Heute hat sich seine Plattform ekd.me zu Russlands größtem Social-Media-Konto über China gemausert. Knapp 100.000 Fans verfolgen heute Zhdanovs Beiträge.

 

Nach seinem Hochschulabschluss kam Zhdanov, der heute neben Russisch und Englisch auch sehr gut Chinesisch spricht, ins südostchinesische Dongguan in der Provinz Guangdong. Dort arbeitete er zwei Jahre lang für russische Consultingfirmen, die kleine und mittelständische Unternehmen aus Russland dabei unterstützten, Kontakte nach China zu knüpfen. In seiner Freizeit pflegte er weiter seinen China-Blog in russischer Sprache. Mit den stetig steigenden Followerzahlen lenkte Zhdanov auch verstärkt die Aufmerksamkeit russischer Unternehmen und Verkäufer auf sich. Sie traten mit einer Menge Fragen an ihn heran: „Wie mache ich Geschäfte mit den Chinesen?“ Und: „Was ist der beste Weg, um eine zuverlässige Fabrik in China zu finden?“

 

„Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mein Hobby China einmal zum Beruf machen könnte“, sagt Zhdanov heute. Doch manchmal werden Träume Wirklichkeit. Nach zwei Jahren kündigte der junge Russe seinen Arbeitsvertrag mit den zwei Beratungsfirmen, für die er tätig war, und gründete mit zwei Partnern seine eigene Consulting-Unternehmen UCHINA.

 

Zunächst konzentrierten sich die jungen Gründer auf den russischen Markt und vermittelten zwischen russischen Auftraggebern und chinesischen Herstellern. Die Produkte waren dabei ausschließlich für den russischen Markt bestimmt. Das änderte sich allerdings Ende 2014, als in Russland eine Wirtschaftskrise einsetzte, in deren Folge der Rubel stark abgewertet wurde. In dieser schwierigen Zeit verdoppelten sich für russische Unternehmen die Einkaufspreise in China, so dass sich viele russische Geschäftsleute gezwungen sahen, auf den heimischen Markt zurückzukehren.

 

Die Krise zwang auch Zhdanov und sein Team zum Umdenken. Eine neue Entwicklungsstrategie musste her. Das Unternehmen bemühte sich darum, den amerikanischen Markt zu erschließen, mit Erfolg. Heute stammen mehr als 40 Prozent der Kunden des jungen Start-ups aus den USA. Darüber hinaus unternehmen Zhdanov und sein Team große Anstrengungen, um neue Geschäftsmöglichkeiten in der russischen Heimat aufzutun. „Früher importierten russische Geschäftsleute Produkte aus China, heute versuchen sie auch, russische Produkte nach China zu verkaufen“, sagt Zhdanov.



Eigenes Start-up: Der junge Russe Artem Zhdanov gründete mit zwei Partnern seine eigene Beratungsfirma UCHINA. Sie

 hilft russischen Unternehmen dabei, Kontakte ins Reich der Mitte zu knüpfen. 


LAOWAI ME – „Hier kommt der Ausländer“

 

Vor etwa vier Jahren entdeckte Zhdanov beim Surfen im Netz zufällig ein T-Shirt, das auf der Vorderseite mit der chinesischen Aufschrift „老外来了“ („Der Ausländer kommt“) und auf der Rückseite mit den Worten „老外走了“ („Der Ausländer geht“) bedruckt war. „Ich fand die Idee sehr lustig“, erinnert sich Zhdanov. Und er bestellte dann auch prompt zwei Shirts. Doch als die Ware ankam, war die Enttäuschung groß. „Die Qualität ließ wirklich zu wünschen übrig“, sagt Zhdanov. Auch bei weiteren Bestellungen ähnlicher kreativer Chinaprodukte, die vor allem auf ein ausländisches Publikum mit Chinainteresse zielten, sollte sich ein ähnliches Bild zeichnen. „Ich wollte es besser machen“, sagt Zhdanov. Und so begann er kurzerhand, eigene T-Shirt-Modelle zu designen und eine eigene Marke zu entwickeln.

 

Zum damaligen Zeitpunkt zählte Zhdanovs Social-Media-Konto bei VK bereits mehr als 40.000 Follower. Im ersten Anlauf ließ er 200 T-Shirts anfertigen. „Sie waren innerhalb nur eines Monats ausverkauft und haben auch etwas Gewinn abgeworfen“, erinnert sich Zhdanov. Der vielversprechende erste Anlauf inspirierte ihn, ins Onlinegeschäft zu starten. „Das war die Geburtsstunde meines Onlineshops LAOWAI ME.“

 

Nach der Registrierung einer Webadresse eröffnete Zhdanov also seinen eigenen Taobao-Shop. „Ich hatte von Taobao schon damals in meinen Studienjahren in Russland gehört“, erinnert sich der 28-Jährige. „Aber vor zehn Jahren gab es AliExpress, die internationale Version von Taobao, in Russland noch nicht. Daher versuchten viele junge Russen, über Zwischenhändler Produkte bei Taobao zu kaufen“, erklärt er.

 

Nachdem er nach China gezogen war, stieg Zhdanov tiefer in die Materie ein, kaufte selbst häufig Produkte bei Taobao. „Wer als Marke von den Kunden wahrgenommen werden will, braucht in China einfach eine Taobao-Repräsentanz“, sagt Zhdanov. Um der Entwicklung seines Geschäfts den richtigen Spin zu geben, kaufte er den alten Onlineshop eines chinesischen Freundes auf. Außerdem arbeitete er sich in die Bereiche Produktwerbung, Warenauslieferung und Kundendienst ein.

 

Als Zhdanov vor gut einem Jahr plante, seine Marke LAOWAI ME registrieren zu lassen, suchte er zuvor den Rat eines Professors für chinesische Sprache an einer Guangzhouer Universität, um sicherzugehen, dass der umgangssprachliche Begriff „Laowai“, der wörtlich „alter Ausländer“ bedeutet, von Muttersprachlern nicht doch als abwertend empfunden wird. Der Experte erklärte ihm, dass das Wort noch vor etwa 100 Jahren tatsächlich einen feindseligen Unterton hatte. Doch in den letzten 20 Jahren, insbesondere nach den Olympischen Sommerspielen 2008 in Beijing, sei das Wort „Laowai“ für Chinesen ein neutraler Rufname für nicht-chinesische Mitbürger geworden.

 

Unter Ausländern in China ist die Bezeichnung „Laowai“ längst ein etabliertes Label. Ein amerikanischer Kunde, der eine Reisepasshülle in Zhdanovs Onlineshop gekauft hatte, erklärte, der Schriftzug mit den vier chinesischen Schriftzeichen „老外护照“ („Laowai-Pass“) auf der Hülle treffe genau seinen Geschmack. „Ich werde bald nach China reisen, und freue mich schon darauf, meinen Laowai-Reisepass mit chinesischen Schriftzeichen am Flughafen auszupacken. Das Produkt ist wirklich eine coole Idee“, so sein Fazit.

 

Zu Zhdanovs Verkaufsschlagern zählen außerdem T-Shirts mit den Aufschriften „你好“ (Hallo), „谢谢“ (Danke) und „听不懂“ (Ich verstehe nicht). „Ich werde sicherlich für einige Aufmerksamkeit sorgen, wenn ich in diesem Aufzug durch Chinatown schlendere“, schrieb ein zufriedener US-Kunde in seiner Kaufbewertung. Eine Käuferin aus den Niederlanden postete auf Instagram einen Schnappschuss ihrer T-Shirt-Beute mit dem Kommentar: „Wenn meine Tochter vier ist, melde ich sie im Chinesischkurs an, wenn sie das will.“

 

Doch es fänden sich durchaus auch Einheimische unter seinen Kunden, erzählt Zhdanov. „Das Verhältnis beträgt 1:1“, sagt er. In seine Produktkreationen, die von T-Shirts und Tassen über Reisepasshüllen und Kühlschrankmagneten reichen, hat Zhdanov viele Elemente der traditionellen chinesischen Kultur einfließen lassen, die den Angeboten ihren originellen Touch geben. Eine Mischung die ankommt, sowohl bei Chinesen als auch bei ausländischen Kunden. „Die Käufer sind in der Regel junge Menschen, die eine große Liebe zur chinesischen Kultur haben“, beschreibt Zhdanov sein Zielpublikum.



Weiteres Standbein: Seit vier Jahren betreibt Zhdanov in China auch den Taobao-Shop „LAOWAI ME“. 

Unser Bild zeigt das Mitarbeiterteam des Onlineshops. 


Ein idealer Ort für Existenzgründungen

 

„Wäre ich nicht nach China gekommen, hätte ich wohl den Rat meines Vaters befolgt und wäre heute Angestellter im öffentlichen Dienst“, sagt Zhdanov. Doch das war, bevor ihn das China-Fieber packte. Und angesichts rosiger Karriereaussichten beschloss Zhdanov, sich dauerhaft in China niederzulassen.

 

„Die Russen, die es auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen geschafft haben, sind entweder Ölmagnaten oder Erdgasgiganten“, sagt Zhdanov. In China sei das anders. „Hier hat jeder die Chance, sozial aufzusteigen“, sagt er. Trotzdem halte sich bei vielen seiner Landsleute hartnäckig das Klischee, dass China noch immer ein armes Land sei, in dem es vielen Menschen selbst am Lebensnotwendigsten mangele.

 

Zhdanov hat sich vorgenommen, mit solchen Vorurteilen aufzuräumen. Einmal erzählte der 28-Jährige bei einem Heimatbesuch Freunden und Bekannten von seinen Chinaerfahrungen. „Ich sagte ihnen, dass das monatliche Mindestgehalt der Fabrikarbeiter in Shenzhen 3000 Yuan beträgt. Meine Freunde wollten das anfangs gar nicht glauben, weil dies dem Monatsgehalt eines Lehrers in einer russischen Kleinstadt entspricht“, erklärt Zhdanov.

 

Nachdem der junge Russe nach und nach die Neugier seiner Freunde geweckt hatte, begann er, immer mehr Details von seinem China-Abenteuer preiszugeben. „Ich erzählte ihnen, dass es neben internationalen Internetgiganten wie Alibaba oder Tencent in China auch so renommierte Unternehmen wie den Smartphone-Hersteller Xiaomi oder die Technologiefirma DJI gibt, die sich auf die Entwicklung und Herstellung von Drohnen spezialisiert hat“, sagt Zhdanov. Für russische Technologieunternehmen gelte noch immer das Silicon Valley als das Nonplusultra. „Dabei bietet China nicht nur ein günstiges Geschäftsumfeld, sondern auch einen riesigen Markt.“

 

Hohe Arbeitergehälter hin, erfolgreiche Technologieunternehmen her, den größten Eindruck macht Zhdanov bei Freunden und Bekannten in der Heimat noch immer mit seiner eigenen Erfolgsgeschichte. Nie hätten sie gedacht, dass der Junge, der damals Chinesisch lernte, es im Reich der Mitte in nur zehn Jahren zu einem erfolgreichen Geschäftsmann bringen sollte. Mittlerweile schreibt der junge Tausendsassa auch Artikel für Chinas renommierte Tageszeitung „Global Times“, in denen er von seinen Erfahrungen berichtet.

 

Doch Erfolg fällt nicht vom Himmel und auch Artem Zhdanov musste für seine Karriere hart arbeiten und zahlreiche Schwierigkeiten und Herausforderungen überwinden. Der Ausbruch der russischen Wirtschaftskrise Ende 2014 etwa führte seine neu gegründete Beratungsfirma an den Rand des Ruins. Und auch die Pflege seines Onlineshops ist kein Zuckerschlecken. „Mein Arbeitstag beginnt damit, zu überprüfen, wie viele neue Bestellungen eingegangen sind und diese zu bearbeiten“, sagt Zhdanov.

 

Doch Artem Zhdanov ist niemand, der viel Zeit damit verliert, über Schwierigkeiten zu sprechen, stattdessen sieht er die Chancen, die sich ihm in China bieten. „China ist ein idealer Ort für Existenzgründer, die bei null anfangen“, sagt er. „Solange man eine gute Idee hat und gewillt ist, diese in die Tat umzusetzen, kann man in China Erfolg haben“, gibt er anderen China-Neulingen mit auf den Weg.

 

*Liu Zhuoran ist Journalist des Magazins „Global E-Businessmen“. 

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