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Grüne Wende: China will zum Vorreiter auf dem Weg zur Klimaneutralität werden

2020-12-30 14:08:00 Source:China heute Author:
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Nutzung reicher Solarressourcen: Die Photovoltaik-Stromerzeugung im Kreis Ganzi, Provinz Sichuan, bringt den Menschen saubere Energie.

 

Von He Jiankun*

 

Auf der Kopenhagener Klimakonferenz 2009 hat China der internationalen Gemeinschaft das Versprechen gegeben, bis 2020 seine Kohlendioxidemissionen in Relation zum BIP verglichen mit 2005 um 40 bis 45 Prozent zu reduzieren. Der Anteil nicht-fossiler Energien am Gesamtenergieverbrauch sollte auf 15 Prozent steigen. Bereits 2019 ist es der Volksrepublik gelungen, den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent zu senken sowie den Anteil nicht-fossiler Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 15,3 Prozent zu erhöhen. Damit hat China seine versprochenen Zielvorgaben vorzeitig übererfüllt. 

 

Am 22. September 2020 sprach Chinas Staatspräsident Xi Jinping bei der Generaldebatte vor der 75. UN-Vollversammlung und erklärte, dass Chinas CO2-Emissionen schon bis 2030 ihren Höhepunkt erreichen sollen. Bis 2060 solle China klimaneutral werden. Welche Einflüsse werden diese Zielsetzungen auf China haben?

 

China steht vor komplizierten Herausforderungen

 

Die Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung stellt jedes Land vor allem vor drei großen Herausforderungen: Erstens eine Regulierung der Wirtschaftsstruktur bei gleichzeitiger Niveauhebung der Industrien, zweitens eine Optimierung der Energiestruktur und drittens den Aufbau eines grünen und kohlenstoffarmen Wirtschaftssystems.

 

Unter dem negativen Einfluss der Corona-Pandemie gestalten sich die grüne Wirtschaftserholung sowie die kohlenstoffarme Transformation nun deutlich schwieriger. Die große Herausforderung besteht insbesondere darin, dass der Kohlenstoffverbrauch im Prozess der Wirtschaftswiederbelebung wieder in die Höhe zu schnellen droht, weil Baubranche und Fertigungsindustrie, die naturgemäß einen hohen Energieverbrauch haben, sich schneller erholen als Dienstleistungssektoren mit eher niedrigerem Energieverbrauch wie Gastronomie, Tourismus und die Unterhaltungsbranche. 

 

Außerdem ist der Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen nicht mit dem Zenit des Energieverbrauchs gleichzusetzen. Bei der Beibehaltung des Wirtschaftswachstums wird der Energiebedarf weiter steigen und er wird nur durch nicht-fossile Energien gedeckt werden. Im Hinblick darauf muss die Intensität des Energieverbrauchs in Relation zum BIP gesenkt werden, damit der Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen erreicht wird. Erst dadurch kann die durch das Wirtschaftswachstum verursachte Kohlenstoffemission wettgemacht werden. Vereinfacht gesprochen muss also die Senkungsrate der mit dem BIP zusammenhängenden Zunahme der Kohlenstoffemissionen höher als das BIP-Wachstum sein.

 

Für die Senkung des CO2-Ausstoßes ist die Transformation der Energiestruktur entscheidend. Laut Chinas staatlichem Bericht über die Energieentwicklung 2020 machte der Kohlenverbrauch in diesem Jahr rund 57,7 Prozent von Chinas Gesamtenergieverbrauch aus, während der Anteil nicht-fossiler Energien am Primärenergieverbrauch bei 15,3 Prozent lag. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2060 zu erreichen, muss die Volksrepublik bis Mitte des Jahrhunderts eine Energiestruktur der Nullemission aufbauen, in der neue und erneuerbare Energien die wichtigsten Säulen bilden. 

 

Der Anteil der nicht-fossilen Energien am Gesamtenergiesystem muss 70 bis 80 Prozent erreichen. Zudem muss dieser Anteil bei der Elektrizitätsnutzung von derzeit 32 Prozent auf mindestens 90 Prozent bis zum Jahr 2050 angehoben werden. Gemäß einer Einschätzung der betreffenden Abteilungen müssen zum Vollzug dieser Transformation in den kommenden 30 Jahren in China Investitionen in Höhe von mehr als 100 Billionen Yuan getätigt werden.

 

Um das langfristige Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen alle Länder energische Anstrengungen auf sich nehmen. Die Entwicklungsländer stehen dabei vor besonders schweren Herausforderungen. Will China bis 2060 klimaneutral werden, muss sich das Land deutlich stärker ins Zeug legen als die Industrienationen, die dieses Ziel voraussichtlich schon bis 2050 erreichen. Vom Erreichen des Klimax bei den CO2-Emissionen bis zur Verwirklichung der Klimaneutralität haben Europa und Nordamerika eine Übergangszeit von etwa 50 bis 70 Jahren. Für China beträgt diese nur 30 Jahre. 



Strom im Tank: Elektrofahrzeuge und Ladestationen waren in diesem Oktober auf der Pudong International Automotive Exhibition in Shanghai zu sehen.

 

Nach 2030 muss Chinas jährliche Senkungsquote des Kohlendioxidausstoßes zwischen acht und zehn Prozent liegen. Sie muss also bei weitem die Geschwindigkeit und Intensität der Emissionsreduzierung in den Industrieländern übertreffen. Der Grund: die Industrienationen sind bereits in die Phase der Postindustrialisierung eingetreten, in welcher der Energiebedarf im Großen und Ganzen gesättigt ist. 

 

Seit der Wirtschaftskrise 1998 zeigt der Gesamtenergiebedarf der meisten Industrieländer eine langsam sinkende Tendenz. Vor dem Hintergrund des fehlenden Wachstums beim Energiebedarf braucht man für die Reform des Energiesystems also nur den bestehenden Energiebedarf zu regulieren und den Kohlenverbrauch durch neue und erneuerbare Energien zu ersetzen. In den Industriestaaten lässt sich die bestehende Energiestruktur folglich vergleichsweise leicht und schnell optimieren und so eine saubere und kohlenstoffarme Lebens- und Arbeitsweise verwirklichen.

 

Im Gegensatz dazu befindet sich China derzeit in einer rasanten sozioökonomischen Entwicklungsphase mit noch immer stetig wachsendem Energiebedarf. Für China gilt es, zunächst das Wachstum seines Energieverbrauchs unter Kontrolle zu bringen. Erst in einem zweiten Schritt lässt sich danach der bestehende Energieverbrauch drosseln. Derzeit entwickelt die Volksrepublik zwar tatkräftig regenerative Energien, die den neuen Energiebedarf allerdings nicht decken werden können. Der Kohlenverbrauch wird von daher auch in Zukunft noch eine Weile steigen.

 

China steht also vor dem Problem, das neue Energiewachstum zu optimieren, während die Industrienationen nur ihren bestehenden Energieverbrauch senken müssen. Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Volksrepublik zweifelsohne noch härtere Aufgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität bewältigen muss. Allerdings bietet dies auch gute Chancen, eine Entwicklung zu realisieren, die eine oder mehre Entwicklungsphasen überspringt. Um diese Chancen jedoch zu nutzen, muss sich China viel stärker ins Zeug legen als die Industrieländer. 

 

Notwendige Maßnahmen

 

Der Klimawandel bedroht die Sicherheit der globalen Ökologie sowie die Existenz und weitere Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Eine gute Zusammenarbeit zur Bewältigung des Klimawandels liegt von daher im Interesse der gesamten Menschheit. Hierüber besteht ein breiter internationaler Konsens, der Wille zur Kooperation ist stark. Wer heute vor dem Hintergrund der grünen Entwicklung und der kohlenstoffarmen Transformation weltweit über fortschrittliche Technologien und nachhaltige Entwicklungsfähigkeiten verfügt, besitzt Wettbewerbsvorteile und kann eine globale Führungsrolle übernehmen. 



Die Dynagreen Environmental Protection Group im Industriepark für Kreislaufwirtschaft im Beijinger Stadtbezirk Tongzhou besitzt das weltweit fortschrittlichste Müllverbrennungskraftwerk.

 

Wie bereits erwähnt, steht China vor gewaltigen Herausforderungen und schweren Aufgaben, wenn es bis 2060 klimaneutral werden will. Dafür muss das Land insbesondere in folgenden Bereichen große Anstrengungen unternehmen:

 

Erstens muss die wirtschaftliche Transformation intensiviert und die innovationsgetragene und grüne Entwicklung gefördert werden. Es gilt, die Digitalwirtschaft und High-Tech-Industrie zu entwickeln, die kohlenstoffarme Entwicklung durch die Digitalisierung voranzutreiben, die Entwicklung der Schwer- und Chemieindustrie unter Kontrolle zu bringen und die Produktions- und Industriestruktur zu regulieren. Auch ist es nötig, die grundlegende Politik zur Verringerung von Treibhausgasemissionen unter Beibehaltung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben.

Zweitens müssen bestehende Ressourcen sparsam genutzt und es muss eine Kreislaufwirtschaft entwickelt werden. Durch eine Minimierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs sollte die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung gestützt werden. Es gilt zudem, fortschrittliche Technologien breit anzuwenden. Bis 2050 muss ein Energiesystem der „Null-Emission“ errichtet werden, das vor allem auf neuen und regenerativen Energien beruht.

 

In den kommenden zehn Jahren sollte China seine Wind- und Solarenergie tatkräftig entwickeln. Die auf diesem Wege erzeugte Elektrizität sollte jährlich im Schnitt 100 Millionen Kilowatt betragen und in einer Zeitspanne von zehn Jahren die Marke von einer Milliarde Kilowatt übersteigen.

 

Andere Industriebranchen, etwa solche mit hohem Energieverbrauch wie Eisenhütten, Zementherstellung, Petrochemie und Baumaterialproduktion, sollten noch in der Periode des 14. Fünfjahresplans den Höhepunkt der Kohlendioxidemissionen erreichen. Zudem sollte China den Markt des Emissionshandels weiterentwickeln und vervollkommnen. Durch einen entsprechenden Marktmechanismus soll der CO2-Ausstoß weiter verringert und die technische Innovation der Unternehmen gefördert werden. Gesellschaftliche Investitionen sollen verstärkt auf kohlenstoffarme und grüne Industriezweige gelenkt werden.

 

Darüber hinaus muss China auch das Konzept natürlicher Lösungen in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Bodennutzung und Sumpfgebiete durchsetzen, den Schutz von Ökosystemen und Umwelt allgemein intensivieren sowie die Dienstleistungsfunktion der Ökosysteme erhöhen und die CO2-Emissionen noch stärker drosseln.

 

Die Welt blickt auf Chinas Klimapolitik

 

Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und der Wiederbelebung der Wirtschaft sollte man mit aller Konsequenz nach einer grünen, hochwertigen und nachhaltigen Erholung streben, um der globalen ökologischen Krise zu begegnen und die nachhaltige Entwicklung weltweit voranzutreiben. Darüber besteht in der internationalen Gemeinschaft ein breiter Konsens. Die Weltgemeinschaft schenkt in diesem Zusammenhang auch der Aufgabe der kohlenstoffarmen und grünen Transformation bei der wirtschaftlichen Wiederbelebung zunehmend Beachtung.

 

Die Volksrepublik muss eine langfristige Strategie für die kohlenstoffarme Transformation ausarbeiten, um sicherzustellen, dass bei der Vollendung des Aufbaus Chinas zu einem modernen und starken sozialistischen Land mit Blick auf das Ziel der Kontrolle des globalen Temperaturanstiegs von höchstens zwei Grad der Entwicklungsweg einer grünen und Kreislaufwirtschaft beschritten, die Energiewende weg von der Kohle erfolgreich vollzogen und ein Beitrag für die globale Öko-Sicherheit geleistet wird, was auch in Einklang mit Chinas zunehmender Landesstärke und seinem internationalen Einfluss steht. Vor dem Hintergrund der globalen grünen und kohlenstoffarmen Entwicklung wird China der Welt durch seine Praxiserfahrungen erfolgreiche Lösungskonzepte als Referenz bieten und letztlich die Führungsrolle bei der Transformation der Weltwirtschaft übernehmen.

 

*He Jiankun ist Vizedirektor der staatlichen Expertenkommission für die Bewältigung des Klimawandels und Vorsitzender der Kommission der Forschungsakademie für die Bewältigung des Klimawandels und nachhaltige Entwicklung an der Tsinghua-Universität.

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