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Klimaschutz: Tiefer Wandel in Chinas sozioökonomischer Entwicklung durch CO2-Neutralität

2020-12-30 12:00:00 Source:China heute Author:
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Containerschiff der Superlative: Am 5. September 2019 präsentierte die Volksrepublik auf der China International Maritime Technology Exhibition in Shanghai diesen neuen emissionsfreien Frachter. 

 

Zou Ji*

 

China hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 den Höhepunkt seiner Kohlendioxidemissionen zu erreichen und bis 2060 klimaneutral zu werden. Diese Zielsetzung wird einen tiefen Wandel in der sozioökonomischen Entwicklung des Landes herbeiführen.

 

Für die globale Bewältigung des Klimawandels sind Chinas Anstrengungen von entscheidender Bedeutung. China ist ein Land mit hoher Bevölkerungszahl und hoher Wirtschaftsleistung, gleichzeitig aber auch ein Land mit hoher Kohlendioxidemission. Wie weit es China in Sachen Klimaschutz bringt, wird in gewissem Grad auch darüber entscheiden, welches Entwicklungsstadium die globale Bewältigung des Klimawandels letztlich erreicht. 

 

Fünf Jahre sind mittlerweile vergangen, seit das Übereinkommen von Paris in Kraft getreten ist. Im Nachhinein entschieden die USA allerdings, sich wieder auszuklingen. Unter dem negativen Einfluss der Corona-Pandemie herrscht bei vielen Menschen Unsicherheit darüber, ob sich das Übereinkommen von Paris überhaupt noch durchsetzen lässt. Chinas Verkündung der besagten Klimaziele signalisiert eine kräftige Unterstützung für das Pariser Klimaabkommen und wird erneut Chinas globale Führungsrolle unterstreichen, was sich wesentlich auf die Geopolitik, die Global Governance und die gesamte Weltordnung auswirken dürfte.

 

Was die inländische Entwicklung betrifft, so bestimmen Chinas Ziele zur Klimaneutralität die Richtung und das Erscheinungsbild der chinesischen Wirtschaftsentwicklung. Die Corona-Pandemie wurde in China bereits unter Kontrolle gebracht, die Wirtschaft beginnt sich stark zu erholen und die Regierung arbeitet derzeit den 14. Fünfjahresplan aus. Es gilt nun, Überlegungen darüber anzustellen, in welche Richtung die wirtschaftliche Wiederbelebung voranschreiten sollte. 

 

Dass in diesem besonderen Moment das Ziel der Klimaneutralität formuliert wurde, wird sicherlich einen gravierenden Wandel der Wirtschaftsstruktur in China bewirken. So hat beispielsweise die Industriebranche der erneuerbaren Energien glänzende Entwicklungsperspektiven, während Kohlenbergbau und Kohlestromerzeugung allmählich ausgesondert werden dürften. Die bisherige Energiestruktur, in der die Kohle die Hauptrolle spielt, wird also umgekrempelt. 

 

Der Anfang ist bereits gemacht

 

Die Ziele, bis 2060 CO2-Neutralität und bis 2030 den Zenit der Kohlendioxidemissionen zu erreichen, wurden auf Grundlage der langjährigen Bemühungen um die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen in China festgelegt. Dafür hat Chinas Regierung bereits im Jahr 2015 den Vereinten Nationen die Deklaration „Verstärkte Aktionen zur Bewältigung des Klimawandels – Chinas nationaler Beitrag“ vorgelegt, in der das Land seine eigenen Klimaziele im Detail formulierte. Bis Ende 2019 sank die Kohlenstoffintensität im Vergleich zu 2015 bereits um 18,2 Prozent, womit China seine im 13. Fünfjahresplan verankerten verbindlichen Ziele vorzeitig erfüllen konnte. 



Eine Freiwillige erklärt Kindern in einem Wohnviertel der Stadt Hohhot, Innere Mongolei, die Benutzung einer intelligenten Müllsortierungs- und Recyclinganlage. Das Bild entstand am 4. August 2020.

 

Technologisch gesehen hat China bereits wesentliche Durchbrüche in einigen Schlüsselbereichen erzielt. So konnten beispielsweise die Kosten zur Erzeugung regenerativer Energien erheblich gesenkt werden. In den vergangenen zehn Jahren gelang es, die Kosten der Solarstromerzeugung um 90 Prozent zu drücken, sie liegen damit heute sogar niedriger als die der traditionellen Kohlenstromerzeugung. Damit ist grüner Strom in China konkurrenzfähig geworden, was die industrielle Effizienz in großem Maße erhöht hat. Außerdem kommen in der Volksrepublik heute verstärkt Digital- und Informationstechnik zur Anwendung, was die Regulierung der Energiestruktur nochmals beschleunigt hat. 

 

China hält am Konzept der grünen Entwicklung fest und treibt den Aufbau einer ökologischen Zivilisation voran. All dies steht mit dem Ziel der Kohlenstoffreduzierung in Einklang. Wirtschaftspolitisch wird der Wandel der Art und Weise des Wachstums noch stärker vorangetrieben, und in der Umweltpolitik wird effiziente Koordination erzielt. 

 

In den vergangenen fünf Jahren gab es in China also große Erfolge bei der Verminderung der CO2-Emissionen. Dies bildet für das Land beste Startvoraussetzungen dafür, die abgesteckten Klimaziele mit noch größerer Zuversicht zu verwirklichen. 

 

Transformation und Entwicklung in Schlüsselbranchen

 

Um das Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen, muss China in verschiedenen Industriebranchen einen tiefen Wandel vollziehen. Im Energiebereich soll der Anteil der Kohle am Gesamtenergieverbrauch mindestens auf unter zehn, im Idealfall sogar auf unter fünf Prozent sinken. Zu einem Musterbeispiel für die Energienutzung mit hohem Anteil regenerativer Energien ist die Provinz Qinghai avanciert. Sie zeigt, wie grüne Stromversorgung im Idealfall aussehen könnte.

 

Qinghai verfügt über reiche einzigartige Wind-, Licht- und Wasserressourcen. Saubere Energiequellen machen 87 Prozent aller Energien der Provinz aus. 100 Tage im Jahr kann die Provinz ihre Energieversorgung komplett aus selbst erzeugtem grünen Strom decken. Insgesamt hat Qinghai ein regeneratives Energiepotential von drei Milliarden Kilowatt, eine Milliarde Kilowatt davon ist direkt erschließbar.



Am 25. November 2019 gab die World Meteorological Organization (WMO) eine Pressekonferenz in Genf zur Veröffentlichung eines Treibhausgasbulletins. Das Papier wies darauf hin, dass die Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre einen neuen Rekordwert erreicht hatte.

 

Im September 2020 wurde Qingdaos Netz der grünen Gleichstrom-Ultrahochspannungsversorgung bereits an das Stromnetz der Provinz Henan angeschlossen. In naher Zukunft ist auch der Anschluss an die Stromnetze der westlichen Provinzen Qinghai, Ningxia, Gansu und der Inneren Mongolei geplant. Damit ist Qinghai zu einem wichtigen Standort zur Versorgung mit sauberem Strom geworden, wodurch auch Chinas Atlas der Energieversorgung neu gezeichnet wurde. 

 

Mittlerweile drängt noch eine andere wichtige Frage in den Vordergrund, nämlich wie Provinzen mit großem Energieverbrauch die Transformation und die damit verbundene Entwicklung verwirklichen können.

 

Die Innere Mongolei liefert ein Paradebeispiel für eine solche gelungene Energietransformation. Sie treibt einerseits die Windenergiebranche voran und erhöht den Anteil grüner Energien, andererseits baut sie Big-Data-Zentren auf und erschließt neue Wachstumstreiber. Dadurch sollen die Folgen der Transformation der Kohlestromerzeugung erfolgreich abgefedert werden. 

 

Die Transformation der Energiestruktur ist ein langfristiger Prozess, der fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen kann, teils sogar noch länger. Dabei muss eine hohe Zahl an Bergbauarbeitern aus Branchen mit hohem Kohlenstoffausstoß beruflich aufgefangen werden. Es bedarf Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für diese Arbeiter aus den traditionellen Industriebranchen. Zudem müssen ältere Arbeiter, denen die berufliche Neuorientierung schwer fällt, sozial aufgefangen werden, um die Folgen der Arbeitslosigkeit zu verringern. 

 

Grüner Verkehr und grüne Stadtentwicklung

 

Auch im Verkehrsbereich gibt es relativ viele Felder, in denen kohlenstoffarme Prinzipien angewendet werden können, etwa beim Umbau von Altstädten und bei der Planung neuer städtischer Wohnviertel, bei der Optimierung der Verkehrsinfrastruktur, der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Anknüpfung verschiedener Verkehrsmittel. Die Taxis und Busse vieler chinesischer Städte sind schon heute elektrisch unterwegs. In Zukunft soll die Verbreitung von E-Fahrzeugen noch ausgeweitet werden. Zudem ist geplant, im Ferntransport den Umstieg von der Straße auf die Schiene sowie eine Kombination von Schiene und Schifffahrt zu verwirklichen. 

 

In der Industrie werden derzeit zahlreiche Schlüsseltechnologien erforscht und entwickelt. Vor dem Hintergrund der ständigen Vergrößerung der Schrottbestände bei Eisen und Stahl lässt sich der Energieverbrauch für die Stahlgewinnung erheblich verringern, indem neuer Stahl statt aus Erzen aus diesen Altbeständen gewonnen wird. Außerdem können Emissionen vermieden werden, indem statt Koks Wasserstoff als alternatives Reduktionsmittel zur Stahlgewinnung zum Einsatz kommt. Intensiv erforscht wird derzeit zudem die kohlenstoffarme bzw. kohlenstofflose Zementherstellung. Und ein weiterer Fokus der wissenschaftlichen Forschung liegt auf der Frage, wie die kohlebasierte chemische Produktion in hydrochemische Industrie umgewandelt werden kann. 

 

Im Zuge der fortschreitenden Urbanisierung sollte auch die Transformation der chinesischen Baubranche angepackt werden. Auch in Zukunft werden nämlich hunderte Millionen Menschen vom Land in die Städte ziehen.

 

In der Stadt Ruicheng, Provinz Shanxi, sowie in der Metropole Shenzhen werden bereits Pilotprojekte für klimaneutrale und flexible Gebäude durchgeführt. Zur Emissionsreduzierung werden verschiedene Maßnahmen getroffen, darunter die Ausstattung von Dächern und Fassaden mit Solarzellen, die Errichtung von Gleichstromverteilnetzen oder die Ausrüstung mit speziellen Speicherbatterien. So sollen Bauwerke in die Lage versetzt werden, sich selbst mit Strom zu versorgen, sich zu klimatisieren und zu beheizen. Immer mehr Wohnviertel und Industrieparks mit Null-Emission sind in der Entstehung, was zu einem neuen Trend in der Baubranche werden könnte. 

 

In der Landwirtschaft besteht derweil großes Potential für den Einsatz von photovoltaischer Stromerzeugung. Die weitläufigen Wüstenflächen Qinghais etwa bieten sich zur Installation von Solarpanels an. Auf diese Weise lässt sich nicht nur Strom erzeugen, sondern auch die Verdunstung verringern. Zudem lassen sich mit dem Spülwasser der Photovoltaikplatten öde Felder bewässern, wodurch das Grasland vergrößert und gepflegt werden kann. Dort können dann wiederum Schafherden weiden. Durch dieses Zusammenspiel entsteht ein umfassendes ökologisches Kreislaufsystem aus Solarstromerzeugung, Graslandpflege und Weidehaltung.

 

Auch die ostchinesische Küstenmetropole Qingdao erforscht neue Wege der landwirtschaftlichen Entwicklung durch Solarstromerzeugung. Hier bauen heimische Landwirte unter Photovoltaikplatten sonnenlichtscheue Pilzarten an, wodurch die örtlichen Einkommen erheblich gesteigert werden konnten. In China gibt es schließlich noch immer eine Vielzahl von einkommensschwachen Landbewohnern. Die Erschließung und Entwicklung neuer Energien soll letztlich auch eine wichtige Säule dafür bilden, diesen Menschen zum Wohlstand zu verhelfen.

 

*Zou Ji ist der geschäftsführende Direktor der Energie-Stiftung (Energy Foundation) und deren Vorstandvorsitzender für den chinesischen Raum.

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