Qingdao – Das internationale Flair einer chinesischen Kleinstadt

Teil I: Die „deutsche Musterkolonie“

Mit 2,6 Millionen Einwohnern wird Qingdao nicht gerade zu den chinesischen Metropolen gezählt. Trotzdem hat diese bedeutende Hafenstadt aufgrund ihrer Lage durchaus internationales Flair zu bieten. Verschiedene ehemalige Kolonial- und Besatzungsmächte haben hier ihre Spuren hinterlassen. Durch die Nähe zu Südkorea haben sich in Qingdao z. B. zahlreiche koreanische Firmen und Restaurants angesiedelt, aber auch der Einfluss der ehemaligen deutschen „Schutzmacht“ hat sich in der Architektur der Altstadt manifestiert. Die Kombination von Bergen und Meer hat Qingdao im Jahr 2007 zum Ziel von geschätzten 30 Millionen Touristen gemacht, 29 Millionen von ihnen innerchinesische Besucher. Bisher liegt die Stadt nicht auf den Standard-Reiserouten deutscher Touristen, jedoch wächst das Interesse an ihr kontinuierlich. Wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Austausch zwischen deutschen Städten und Qingdao hat die vergangenen Jahre dazu beigetragen.

Zur Geschichte Qingdaos

1897 besetzten deutsche Truppen die Bucht „Kiautschou“ (Jiaozhou). 1898 setzte Deutschland die seit den Opiumkriegen bekannte Praxis der ungleichen Verträge zwischen Kolonialmächten auf der einen und China auf der anderen Seite fort und begann mit dem Aufbau der „Musterkolonie Tsingtau“ (Qingdao). Wie so häufig in der Geschichte nutzte Deutschland einen Vorwand – in diesem Fall die Ermordung von Missionaren – um die Forderung nach einem deutschen „Schutzgebiet“ in China zu legitimieren. Was folgt ist der Aufbau einer Hafenstadt, die von der Anlage und der Architektur her ein längerfristiges Projekt andeutet. Hier sollte deutsche ›Gründlichkeit‹ dauerhaft und sichtbar gezeigt werden.

Es gibt aus der Kolonialzeit allerdings kaum ein erfolgreiches Beispiel eines deutschen oder gar deutsch-chinesischen Projektes in Qingdao, welches ohne staatliche Zuwendungen zustande gekommen wäre. Und so ist denn auch die Stadt, allein durch die großzügige Verwendung staatlicher Finanzmittel gebaut, einerseits von der Anlage her ein Kunstprodukt, aber eben auch von der Auswahl des Standortes bis hin zum Aufbau der Infrastruktur sorgfältig geplant. Die Stadtteile waren ›ordentlich‹ nach Herkunft der Bewohner getrennt, so dass sich zwar ein lebendiges Zentrum entwickelte, Qingdao jedoch zunächst eine rein ›deutsch-europäische‹ Stadt blieb, in der die eigentliche Bevölkerung die Rolle von Wasserträgern übernahm. Diese Situation dauerte bis 1914 an, als japanische Truppen die Stadt besetzten. Jahre später wurde die Stadt unter chinesische Kontrolle genommen.

Das heutige Qingdao besteht ebenfalls aus einem scheinbar unversöhnlichen Nebeneinander: Alt und Neu, Business-District und Wohnviertel, Küste und Berge. Das alte, immer noch sehr deutsch aussehende Viertel, in dem man sich teilweise fühlt wie in Göttingen oder vergleichbaren Städten, ist kein Hort der ausländischen Oberschicht mehr. Hier wohnen jetzt verschiedene soziale Schichten der chinesischen Gesellschaft. Die Häuser sind teilweise renoviert, teilweise zerfallen sie aber auch langsam.

Anhang

Zur Kolonialgeschichte Qingdaos – Die „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms II.

Eine deutsche Idylle konnte in Qingdao nicht geschaffen werden. Teile der Bevölkerung in und vor allem im Gebiet um die Stadt begannen sich gegen die deutsche Besatzung sowie die Auswirkung von Militär- und Infrastrukturprojekten zu wehren und verbanden sich mit dem „Boxer“-Aufstand. Der deutsche Imperialismus reagierte auf die Aufstände der „Boxer“, die sich ab 1900 vor allem gegen die Besatzer richteten, besonders aggressiv:

Praktisch alle zeitgenössischen Berichte sowie die später von der kritischen Presse als »Hunnenbriefe« veröffentlichte Heimatkorrespondenz von Teilnehmern der Expedition, die schließlich sogar den Reichstag beschäftigte, stimmen darin überein, daß die Deutschen ihr Zuspätkommen in Peking durch extreme Brutalität wettzumachen suchten. Auf sogenannten Strafexpeditionen deutscher Truppen in Gebieten, in denen die Boxer aktiv gewesen waren, wurden nicht nur die örtlichen Beamten gefangengenommen und mißhandelt, vielmehr wurden ganze Dörfer, in denen einige Boxer vermutet wurden, kurzerhand niedergebrannt und in vielen Fällen auch große Teile der Bevölkerung rücksichts- und unterschiedslos niedergemetzelt.

Iwo Amelung „Gegen die ausländischen Barbaren“

(http://www.dhm.de/ausstellungen/tsingtau/katalog/auf1_15.htm)

Nach der Ermordung eines deutschen Gesandten durch Aufständige hielt Kaiser Wilhelm II. vor einem „Expeditionskorps“ für China folgende Rede (27.7.1900, Auszüge):

„Duch unser Heer, in 30jähriger angestrengter, harter Friedensarbeit, sind viele hunderttausende von Deutschen zum Kriegsdienst herangebildet worden. [...] Die Aufgabe, zu der ich Euch hinaussende, ist eine große. Ihr sollt schweres Unrecht sühnen. Ein Volk, das, wie die Chinesen, es wagt, tausendjährige Völkerrechte umzuwerfen und der Heiligkeit des Gesandten und der Heiligkeit des Gastrechts in abscheulicher Weise Hohn spricht, das ist ein Vorfall, wie er in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen ist und dazu von einem Volke, welches stolz ist auf eine vieltausendjährige Kultur. [...] Jede heidnische Kultur, mag sie noch so schön und gut sein, geht zugrunde, wenn große Aufgaben an sie herantreten. So sende ich Euch aus, dass Ihr bewähren sollt einmal Eure alte deutsche Tüchtigkeit, zum zweiten die Hingebung, die Tapferkeit und das freudige Ertragen jedweden Ungemachs und zum dritten Ehre und Ruhm unserer Waffen und Fahnen. Ihr sollt Beispiele abgeben von der Manneszucht und Disziplin, aber auch der Überwindung und Selbstbeherrschung. Ihr sollt fechten gegen eine gut bewaffnete Macht, aber Ihr sollt auch rächen, nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch vieler Deutscher und Europäer. Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“

 
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