Chinesischer September in Berlin
Von Susanne Buschmann
Der September hat der deutschen Hauptstadt in diesem Jahr nicht
nur einen prachtvollen goldenen Herbst beschert, sondern auch
ein mannigfaltiges und sehr differenziertes Angebot an China-Veranstaltungen.
Wer sich in Berlin für China und seine Kultur interessiert,
konnte selbst bei effektivster Zeiteinteilung nicht
annähernd alle Ausstellungen, Filme, Vorführungen und
Begegnungen besuchen, die sowohl im Zentrum der Stadt als auch
in ihren Bezirken stattfanden. Vieles gehörte zum Programm
der Asien-Pazifik-Woche, die in diesem Jahr zum zehnten
Mal in Berlin begangen wurde. Zugleich war auch der 35. Jahrestag
der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland
und der Volksrepublik China ein wichtiger Anlass für einen
Großteil der Veranstaltungen.
Im Zusammenhang mit diesen beiden Ereignissen stand zum Beispiel
ein Symposium im Berliner Rathaus, auf dem das Programm Deutschland
und China Gemeinsam in Bewegung vorgestellt wurde.
De Zhong Tong Xing (????), wie es im Chinesischen
heißt, ist ein Projekt, mit dem sich Deutschland mit seiner
Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Politik und seinem
modernen Leben in Großstädten Chinas präsentieren
will. Es ist geplant, bis zur Weltausstellung in Shanghai im Jahr
2010 zahlreiche chinesische Großstädte in ganz verschiedenen
Teilen des Landes in die Kampagne einzubeziehen. Nanjing ist die
erste dieser Städte und öffnet seine Tore im Oktober
2007 einer Deutschland-Promenade mit Innovationsausstellungen
deutscher Firmen, Multimedia-Präsentation, chinesisch-deutschem
Architekten-Wettbewerb, einem Konzert mit deutschen und chinesischen
Pop-Gruppen und zahlreichen anderen Kulturveranstaltungen. Die
Teilnehmer des Symposiums interessierten sich dabei besonders
für die dem gesamten Projekt zugrunde liegende Idee, möglichst
viele Veranstaltungen partnerschaftlich mit der chinesischen Seite
durchzuführen. Ein erstes Beispiel dafür sei bereits
eine Aufführung des Balletts Romeo und Julia
von Sergej Prokofjew Ende August in Nanjing gewesen, hieß
es. Tänzer des chinesischen Nationalballetts und des Stuttgarter
Staatsballetts hatten es gemeinsam gestaltet.
Viele Chinafreunde trafen sich auch mit der Bürgermeisterin
des Berliner Bezirkes Charlottenburg, Monika Thiemen, zu einem
gemeinsamen Spaziergang über die Kantstraße und durch
andere Straßen des Bezirks, um jene Stätten kennen
zu lernen, wo sich bereits vor mehr als achtzig Jahren zahlreiche
chinesische Kaufleute und Studenten angesiedelt hatten. In der
Nähe hatte übrigens auch Zhou Enlai während seiner
Berliner Studienzeit eine Wohnung.
Chinesische Malerei, Fotokunst, Architektur, Mode, Film
das alles waren interessante Anziehungspunkte. Zu den herausragenden
Events gehörte vor allem die Fotoausstellung Neues
Beijing, neue Olympiade. Sie vermittelte den Besuchern einen
aktuellen Einblick in den Stand der Vorbereitungen der chinesischen
Hauptstadt auf die 29. Olympischen Spiele. Der Vizepräsident
des Volkskongresses der Stadt Beijing, Tian Maijin, eröffnete
vor zahlreichem Publikum die Exposition im Chinesischen Kulturzentrum,
das zwar noch nicht offiziell eröffnet wurde, einige Räumlichkeiten
aber schon vorab für die Nutzung zur Verfügung stellte.
Herr Tian berichtete von den zwölf neuen großen Sportanlagen,
deren Bau bis Ende dieses Jahres fertig gestellt sein wird, und
vom Vogelnest, der größten Sportanlage
weltweit.
China ist aus dem Denken vieler Berliner gar nicht mehr
wegzudenken, erklärte der Präsident des Berliner
Abgeordnetenhauses, Walter Momper, bei der Eröffnung. Er
verwies in diesem Zusammenhang auf die seit 1994 bestehende sehr
lebendige und intensive Städtepartnerschaft zwischen Beijing
und Berlin. Ich denke, fügte er hinzu, dass
diese Fotoausstellung den Berliner Bürgern den Charme Beijings
als Olympiastadt nahe bringen wird.
Nur wenige Tage später startete eine Xinjiang-Kulturwoche,
zu der eigens der Vize-Gouverneur des Autonomen Gebiets Xinjiang,
Nuer Baikuli, angereist war. Gemeinsam mit dem Staatssekretär
der Berliner Senatskanzlei und dem chinesischen Botschafter Ma
Canrong zerschnitt er unter dem Beifall der Gäste feierlich
ein rotes Band als Zeichen für die Eröffnung der Kulturwoche
sowie der begleitenden Ausstellung von Kunsthandwerk, Trachten
und Fotos aus Xinjiang.
Der Vizegouverneur hatte auch das vielköpfige Xinjiang Gesangs-
und Tanzensemble mitgebracht. Es war für die Berliner eine
echte Überraschung, Künstler uigurischer, kasachischer,
han-chinesischer, kirgisisch-usbekischer und tadschikischer Nationalität
gemeinsam auf der Bühne zu sehen. Diese Zusammensetzung des
Ensembles sowie die Programmauswahl mit Tanz- und Gesangskostproben
aus der Kultur der vielen verschiedenen im Nordwesten Chinas zusammenlebenden
Ethnien spiegelte eindrücklich den multinationalen Charakter
der Bevölkerung Xinjiangs wider. Die Musikstücke und
Tänze erschienen manchen deutschen Augen und Ohren vielleicht
etwas ungewohnt, aber das Können und das Temperament der
Truppe war so professionell und mitreißend, dass das Publikum
im Rhythmus mitklatschte und gern noch mehr gehört und gesehen
hätte.
Insgesamt vermittelte die Xinjiang-Woche den Berlinern einen
sehr interessanten Einblick in das Leben und die Kultur in dem
Autonomen Gebiet in Chinas Nordwesten. Sie war darüber hinaus
auch deshalb wichtig, weil sie die Vielfältigkeit Chinas
deutlich machte und zeigte, dass nicht allein Beijing und Shanghai
China repräsentieren.
Das Gleiche gilt auch für eine Reihe von Veranstaltungen,
die Chengdu, die Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan,
vorstellten. Dazu gehörte die Fotoausstellung Chengdu
Kultureller Tourismus, die vom Vizebürgermeister
der Stadt, Bai Gang, eröffnet wurde. Für manchen der
teilnehmenden Berliner war es wohl ein Aha-Erlebnis, von Chengdu
als einer uralten chinesischen Hauptstadt zu hören, in der
vieles zum Weltkulturerbe gehört, vom Panda-Forschungs- und
Züchtungs-Zentrum, vom alten heiligen Berg Omei oder vom
Dujiangyan-Bewässerungssystem, einem der ältesten Wasserbauwerke
der Welt.
Letztendlich haben alle diese Veranstaltungen das Bild der Berliner
von China erweitert. Gleichzeitig ist auch erneut deutlich geworden,
wie stark sich die Präsenz chinesischer Wirtschaft und Kultur
in Berlin bereits entwickelt hat. Man kann auf das neue Chinesische
Kulturzentrum gespannt sein, das ohne Zweifel einen weiteren gewichtigen
Beitrag zu dieser Präsenz leisten wird.
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