Qingdao
Das internationale Flair einer chinesischen Kleinstadt
Teil II: Deutsche Bierseligkeit Ein Exportschlager
Von Lars Mörking
Wenn etwas benannt werden muss, was nach Beendigung der kolonialen
Unterdrückung nachhaltigen Einfluss auf Qingdao und seine
Bewohner ausgeübt hat, dann ist die deutsche Braukunst
an erster Stelle zu nennen. Die Marke Tsingtau geht
zurück auf eine 1903 von britischen und deutschen Geschäftsleuten
ins Leben gerufene Brauerei, die nach der Befreiung Chinas zu
einer der erfolgreichsten Brauereien der Welt geworden ist. Ein
offenes Geheimnis des Erfolgs: Die chinesischen Braumeister werden
immer noch in München und Weihenstephan ausgebildet.
Bier ist in Qingdao wirklich überall präsent. Es gibt
eine Bierstraße, die zum Biermuseum führt; überall
verkaufen kleine Geschäfte gezapftes Bier und in jedem Restaurant
stehen bereits zwei Flaschen Bier auf dem Tisch, bevor man überhaupt
bestellt hat. Darüber hinaus wird jährlich ein internationales
Bierfest in Qingdao veranstaltet, dem das Oktoberfest das große
Vorbild zu sein scheint. Seit 1991 findet das Bierfest in der
Hochphase der Tourismussaison in Qingdao statt. Unter dem Motto:
Qingdao und die Welt prosten sich zu gab es in diesem
Jahr über 16 Tage Trinkwettbewerbe, Tanz und Gesang, ein
Riesenrad und sonstige Fahrgeschäfte. Aber auch für
die Besucherinnen und Besucher des Qingdaoer Bierfestes, die nicht
an den Trinkwettwerben teilnehmen, geht es vor allem darum, möglichst
schnell möglichst betrunken zu werden; da dürfen deutsche
Brauereien natürlich nicht fehlen, dennoch wird das ganze
Fest eindeutig von einheimischen Bieren dominiert, nicht zuletzt
aufgrund des Kostenvorteils chinesischer Biermarken.
Deutsch-chinesische Kooperation heute
Qingdao ist einer der zehn wichtigsten Häfen der Welt, ein
wichtiger Produktionsstandort und ein beliebtes Ziel für
innerchinesischen Tourismus. Auch deutsche Firmen haben in und
um Qingdao ihre Produktionsanlagen, darunter Stihl, Degussa u.
a. Wilhelmshaven, dessen Hafenanlage als Vorbild für Qingdao
diente, und Bielefeld, das eine Kooperation mit einer Universität
in Qingdao unterhält, gehören zu den Partnerstädten
Qingdaos. Neben diesen offiziellen Partnerschaften sind weitere
Kooperationsprojekte im Entstehen begriffen, die themenbezogen
sind: Regensburg hat beispielsweise Hilfe beim Erhalt der Bausubstanz
von in der Altstadt gelegenen Häusern angeboten und Kiel
hat im Vorfeld der olympischen Segelwettbewerbe Trainingscamps
für Jugendliche aus Qingdao organisiert. Vize-Bürgermeister
Zang Aimin legt großen Wert auf diese Art der Kooperation:
Um der Jugend das Segeln beizubringen, haben wir ebenfalls
fünf Trainingcamps mit Coaches aus sieben unterschiedlichen
Ländern abgehalten und einige exzellente junge Segler zum
Training nach Kiel in Deutschland geschickt.
Der Schwerpunkt der deutschen Interessen liegt jedoch
im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, 100-150 deutsch-chinesische
Wirtschaftsprojekte laufen derzeit. Besonders die Bundesländer
Bayern und Baden-Württemberg sind hier sehr aktiv. So gibt
es denn auch ein Repräsentanzbüro des Freistaates Bayern
in Qingdao, eine Außenstelle des bayerischen Wirtschaftsministeriums.
Seit dem Jahr 2004 in Qingdao angesiedelt, zuvor in der Provinzhauptstadt
Jinan, steht nach eigenen Angaben die Förderung mittelständischer
Unternehmen, die in der Provinz Shandong aktiv werden möchten,
im Zentrum der Tätigkeit des Repräsentanzbüros.
Nach Angaben von Dr. Christian Geltinger, Leiter des State
of Bavaria Shandong Office, liegt ein besonders erfolgsversprechendes
Feld wirtschaftlicher Zusammenarbeit im Bereich der Umwelttechnik.
Dies lässt sich natürlich zum einen durch den Technologievorsprung
begründen, den deutsche Unternehmen haben, zum anderen ist
in China der Bedarf nach umweltfreundlicher Technologie in den
vergangenen Jahren enorm gestiegen.
Sichtbaren Eingang ins Stadtbild Qingdaos haben die Warmwasserkollektoren
des deutsch-chinesischen Joint Ventures LinuoParadigma gefunden.
Überall auf den Dächern Qingdaos sind inzwischen Solarheizer
zu sehen, mit denen für die Haushalte Leitungswasser zum
täglichen Verbrauch erhitzt wird. Gas- oder Elektrothermen
können so weitgehend überflüssig gemacht oder zumindest
ergänzt werden, was natürlich langfristig auch einen
deutlichen Kostenvorteil für die Bewohner bedeutet.
Aber für das bayrische Verbindungsbüro in Qingdao geht
es inzwischen nicht mehr nur darum, deutsche Investitionen nach
China zu holen. Auch chinesische Großunternehmen sollen
davon überzeugt werden, dass sich Investitionen in Deutschland
lohnen. Vor zehn Jahren war das gar kein Thema, sagt
Geltinger. Heute ist es ein fester Bestandteil der laufenden Arbeit,
dass chinesische Firmen inner- und außerhalb Shandongs betreut
und beraten werden, um den Einstieg in den deutschen Markt zu
fördern.
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