Die Neuausrichtung von exportorientierten Unternehmen
Von Liu Qiong
Seit dem 1. Juli 2007 hat die chinesische Regierung ihre Politik
der Erstattung von gezahlten Zollabgaben (Zollrückvergütung)
ein weiteres Mal reguliert. Die Zollrückvergütungen
für 553 Warenkategorien im Exportbereich wurden aufgehoben
und für 2268 Warenkategorien reduziert. Das macht 37% aller
exportierten chinesischen Waren aus.
Verluste für arbeitsintensive Unternehmen durch geringere
Zollrückvergütung
Um die Aufträge möglichst vor dem 1. Juli zu erfüllen,
hat Ma Yujie nach Anforderungen der Firma ihre Feierabendzeit
von 17.30 Uhr auf 24 Uhr verschoben.
Die 22-Jährige Ma Yujie ist Angestellte der Textil GmbH
Xintianlong, die im Kreis Shaoxing in der Provinz Zhejiang angesiedelt
ist. Am 19. Juni hat das Finanzministerium ein Rundschreiben über
die Regulierung der Zollrückvergütungen für einige
exportierte Warenkategorien bekannt gegeben, was die Geschäfte
ihrer Firma sehr beeinträchtigte. Die Zollrückvergütung
für Viskose, auf deren Produktion die Firma sich spezialisiert
hat, soll von 11% auf 5% herabgesetzt werden, so dass die Firma
bei Erfüllung jedes abgeschlossenen Auftrages Verluste erleiden
musste. Um diese Verluste zu verringern, musste Frau Ma mit ihren
Kollegen jeden Tag Überstunden machen.
In China gibt es nicht wenige Unternehmen in der Textil- und
Kleidungsbranche, die wie Xintianlong von der Regulierung der
Zollrückvergütung beeinträchtigt wurden. Die Textil-
und Kleidungsbranche ist eine exportorientierte Branche. Nach
den neuesten Statistiken vom Chinesischen Zollamt ist der gesamte
Wert der exportierten Textilwaren im Vergleich zum vorigen Jahr
um 17,6% gestiegen und macht 13,8% des gesamten chinesischen Exports
aus. So ist es nicht verwunderlich, dass es im Bereich der Textil-
und Kleidungsbranche, die einen großen Beitrag zum chinesischen
Außenhandelsüberschuss geleistet hat, oft zu Handelsreibereien
zwischen China und dem Ausland kommt.
Die Bekanntmachung des Rundschreibens kam für viele
Unternehmen unerwartet. Außerdem haben wir diesmal keine
Übergangsperiode, erklärt Zhang Jiansheng, Generalmanager
der Textil und Kleidung GmbH Douhan in Shaoxing. Er erinnert sich
an die Regulierung der Zollrückvergütungen am 14. September
2006. Damals hatten die Unternehmen eine dreimonatige Übergangsperiode.
Aber diesmal sollten die neuen Bestimmungen ab dem 1. Juli in
die Tat umgesetzt werden, d. h. von der Bekanntmachung des Rundschreibens
am 19. Juni bis zur Durchführung hatten die Unternehmen weniger
als einen Monat Zeit.
Die diesmalige Reform der Zollrückvergütungspolitik
ist ein wichtiger Bestandteil der politischen Maßnahmen
zur Kontrolle der zu großen aktiven Handelsbilanz unseres
Landes, sagt Wang Xiaohua, stellvertretender Leiter der
Abteilung für Steuerpolitik vom Finanzministerium. Statistiken
des Zollamtes zufolge lag das chinesische Import- und Exportvolumen
in den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 bei 801,3 Milliarden
US-Dollar und war im Vergleich zum gleichen Zeitraum des vorigen
Jahres um 23,7% gestiegen. Um die von der großen aktiven
Handelsbilanz verursachten Probleme zu lindern und die Ausgewogenheit
des Außenhandels zu erreichen, muss die Regierung durch
Verwendung verschiedener politischer Instrumente die Makrokontrolle
stärken und verbessern.
Shi Hongmei, Expertin für die Textil- und Kleidungsbranche,
ist der Ansicht, dass das Exportvolumen der chinesischen Textil-
und Kleidungsbranche im zweiten Halbjahr 2007 niedriger als das
im ersten Halbjahr sein wird. Nach der Regulierung der Zollrückvergütungen
werde das Exportvolumen in den Monaten Juli und August stark sinken,
was dazu führe, dass sich der chinesische Außenhandelsbilanz-Überschuss
verringert.
Herstellung von hochwertigen Produkten
In den Augen von Zong Guyin, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens
Zhejiang Mengna Knitting, ist der 1. Juli 2007 kein so finsterer
Tag. Das Exportvolumen macht eine Hälfte des Absatzvolumens
unserer Firma aus. Zwar werden unsere Geschäfte in kurzer
Zeit beeinträchtigt, aber langfristig gesehen wird es einen
positiven Effekt haben, da es die Regulierung unserer Produktstruktur
beschleunigt.
Die große Zuversicht von Herrn Zong basiert vor allem auf
einer Investition in Hongkong.
Im Juni des vorigen Jahres hat Mengna mehr als 12 Millionen US-Dollar
in den Aufbau eines Produktionsbetriebs in Hongkong investiert.
Seither entwickelt sich dieser Betrieb zu der wichtigsten Basis
bei der Erfüllung der Aufträge aus Europa und Amerika.
Im Vergleich zur Textilbranche auf dem chinesischen Festland sind
die Kosten für die Errichtung einer Fabrik in Hongkong viel
höher, vor allem sind die Lohnkosten vergleichsweise hoch.
Im Unterschied zu den Fabriken auf dem Festland erhalten die Hongkonger
Fabriken nur Aufträge zur Herstellung von hochwertigen Produkten.
Die von Zong Guyin ergriffenen Maßnahmen sind nicht kompliziert:
die hohen Lohnkosten spielen bei hochwertigen Produkten keine
große Rolle. In den letzten Jahren wurden von Mengna viele
neue Produkte aus neuen Materialien und unter Einsatz neuer Technologie
entwickelt. Beispielsweise kostet ein Paar Socken aus Aktivkohlefaser
einige Dutzend US-Dollar.
Zong Guyin, der seit langem in der Textil- und Kleidungsbranche
tätig ist, weiß genau, dass es in dieser Branche oft
zu Handelsreibereien beim chinesischen Export kommt. Aus diesem
Grund ist es zu erwarten, dass die Zollrückvergütung
mehrmals reguliert wird. Aber er ist der Ansicht, dass der Einfluss
der Zollrückvergütung auf verschiedene Unternehmen und
Regionen unterschiedlich ist. Die konkurrenzschwachen Betriebe
mit niedrigem Umsatz und geringem technologischem Aufwand, die
nur preisgünstige Exportwaren herstellen, werden im Allgemeinen
stärker beeinträchtigt.
Der Umwelt wird kein Schaden mehr zugefügt
Chemische Produkte wie Farbstoffe, die im engen Zusammenhang
mit der Textil- und Kleidungsbranche stehen, verbrauchen bei ihrer
Produktion viel Energie, verschmutzen die Umwelt und sind stark
von natürlichen Ressourcen abhängig. Aus diesem Grund
wurde die Zollrückvergütung derartiger Waren dieses
Mal vollständig aufgehoben. Das führt direkt dazu, dass
die Selbstkosten der Unternehmen in der Farbstoffbranche stark
zunehmen.
Die diesmalige Regulierung der Zollrückvergütung
hat den mittleren und kleinen Unternehmen schwere Schläge
versetzt, erklärt Wang Xinpei, Pressesprecher des Handelsministeriums.
Aber das Ziel der Reduzierung der Zollrückvergütungen
liegt darin, die Struktur der ausgeführten Waren zu regulieren
und dem Wirtschaftswachstum eine Richtung zu geben. Das entspricht
den Bedürfnissen der eigenen Entwicklung der chinesischen
Unternehmen.
Nach Statistiken des Petrochemie-Vereins lag die Zahl der chinesischen
Betriebe zur Herstellung von Farbstoffen im Mai 2007 bei 480.
Unter ihnen gab es aber nur 24 Betriebe, deren jährliche
Produktionskapazität 10 000 Tonnen erreichte. Nach der Reduzierung
der Zollrückvergütungen haben deren Selbstkosten stark
zugenommen, so dass einige kleine und mittlere Betriebe Bankrott
gegangen sind.
Selbst Top-Unternehmen der Farbstoffbranche wie die Longsheng-Unternehmensgruppe
in der Provinz Zhejiang überlegen jetzt, wie sie ihre Geschäftsausrichtung
ändern können. Diese Unternehmensgruppe produziert mehr
als 360 Sorten in den Kategorien Farbstoffe, Hilfsmittel und Zwischenkörper.
Unter dem Einfluss der Reduzierung der Zollrückvergütungen
steigen die Selbstkosten beim Export von Farbstoffen ständig,
so dass die Unternehmensgruppe ihren zukünftigen Investitionsschwerpunkt
auf die Produktion anderer chemischer Produkte legen muss. Laut
Plan sollte der Anteil der aus dem Verkauf erzielten Einnahmen
und Gewinne bei Produkten, die keine Farbstoffe sind, im Jahr
2009 auf 43,73% und 36% steigen, während er im Jahr 2006
nur bei 28,53% und 25,67% lag.
Viele in den letzten Jahren durchgeführte Projekte,
die einen hohen Energie- und Ressourcenverbrauch verursachen oder
die Umwelt stark verschmutzen, orientieren sich am ausländischen
Markt. Aber die Praxis hat inzwischen bewiesen, dass wir dadurch
mehr verloren als gewonnen haben, erklärt Li Yushi,
Wirtschaftsforscher des Handelsministeriums. Die neue Politik
der Zollrückvergütungen beeinträchtigt zwar die
Entwicklung mittlerer und kleiner Betriebe, jedoch ist es von
großer Bedeutung, solche Betriebe bei der Umorientierung
ihrer Investitionen anzuleiten, und damit die planlosen Investitionen
der Vergangenheit zukünftig zu vermeiden.
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